Bildung | Wissenschaft
Anhörung zur Reform des Bayerischen Hochschulgesetzes
Von Geheimnisträgerei und absurden Vorschlägen
16. Oktober 2020
Am 14. Oktober fand auf einen gemeinsamen Antrag der Landtags-Grünen und der SPD hin im Wissenschaftsausschuss eine Sachverständigenanhörung zur Reform des Hochschulrechts in Bayern statt. Einige Brennpunkte der Anhörung, insbesondere die Frage, wie die Hochschulen künftig organisiert sein sollen und wie sehr sie sich nach marktwirtschaftlichen Kriterien ausrichten sollen, waren bereits in den vergangenen Wochen hochgekocht. Denn in Hochschulkreisen machen bereits seit Mitte des Jahres einige programmatische Papiere einzelner Stakeholder die Runde, die ein radikales Umkrempeln der bayerischen Hochschullandschaft erwarten lassen.
Neben den Hochschulverbünden sowie amtierenden und ehemaligen Hochschulpräsident*innen konnten wir es schaffen, dass bei der Anhörung auch Studierende, Mittelbau, Frauenbeauftragte und Gewerkschaften als Sachverständige geladen wurden. Für eine ausgewogene Zukunftsstrategie für Bayerns Hochschulen müssen nämlich alle an einem Strang ziehen, Hochschullehrer*innen, Mitarbeiter*innen und Studierende.
Grundlegendes Problem der Anhörung war jedoch, dass die Staatsregierung in einem „Eckpunktepapier“ bereits die wesentlichen Leitlinien der kommenden Hochschulrechtsnovelle zusammengefasst hat, das Papier bisher aber wenigen Eingeweihten vorliegt. Man müsse „über den weißen Elefant im Raum sprechen“, so die wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecherin der Landtagsgrünen, Verena Osgyan. Unter den Voraussetzungen könne die Diskussion nur im luftleeren Raum stattfinden, obwohl die Staatsregierung schon genau wisse, was im neuen Hochschulgesetz zum Thema gemacht werden soll. Vonseiten der Regierungsfraktionen stieß die Frage nach Transparenz jedoch leider auf taube Ohren.
Das Leitbild der unternehmerischen Hochschule, so mehrere der Stellungnahmen in der anschließenden Anhörung, sei inzwischen nicht mehr der aktuelle Stand der Debatte in der Wissenschaftscommunity. Innovative Hochschulen zeichneten sich stattdessen durch moderne, demokratische Governance-Strukturen aus, in denen wissenschaftlicher Diskurs möglich ist. Wolle die Staatsregierung wirklich mehr Top-Down-Elemente in der Hochschulstruktur verankern, sei das kein Fortschritt.
Auf eine Frage zum Thema Gleichstellung hin, antwortete die Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Bayerischen Hochschulen (LaKoF), Dr. Margit Weber, dass sie die derzeitige Situation der Gleichstellung an den Hochschulen als unprofessionell empfinde. In der Wirtschaft sei man hier schon einige Schritte weiter. Frauen müssten gezielt als Talente gefördert werden, Gremien paritätisch besetzt.
Auf das Thema Hochschul-Governance angesprochen, berichtete der Präsident der FH Aachen, Prof. Marcus Baumann von den positiven Erfahrungen, die seine Hochschule mit einer Viertelparität aller Statusgruppen in den Gremien gemacht hat: „Da fahren wir gut mit.“ Auch nach dem Regierungswechsel von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb sei das nicht geändert worden, da viele Hochschulen diese gruppenparitätische Besetzung von Gremien als Bereicherung wahrnehmen würden.
Für einige Überraschung sorgte ein Sachverständiger, der Rechtsprofessor Max-Emanuel Geis, als er dem Ausschuss das bislang von der Staatsregierung verheimlichte Eckpunktepapier überließ und das scherzhaft als „Wissenstransfer des Deutschen Hochschulverbandes an die Legislative“ bezeichnete. In seiner schriftlichen Stellungnahme hatte Geis außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, den Hochschulen eine finanzielle Grundausstattung zu stellen, bevor man über Modelle der leistungsorientierten Finanzierung nachdenken könne.
Was man bisher unter vorgehaltener Hand aus der Staatsregierung gehört hatte, hat Schlimmes erahnen lassen. In der Staatskanzlei scheint man das tote Pferd der unternehmerischen Hochschule weiter reiten zu wollen, während alle anderen Bundesländer zunehmend Abstand von dem Modell nehmen. Stattdessen seien wichtige Themen für das neue Hochschulgesetz die Frage nach Demokratie und Teilhabe, nach Gleichstellung, nach Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit. Man müsse durch eine gute Governance Raum für Innovationen bieten und einen festen Rechtsrahmen schaffen, in dem die Hochschulen sich auch an der Verwertung neuer Erkenntnisse beteiligen könnten. Wir Landtags-Grüne hoffen, die Ausschussanhörung habe eine „läuternde Wirkung auf die Staatsregierung gehabt und man nimmt dort nun zumindest von den aller-absurdesten Vorschlägen wieder Abstand, bevor das Gesetz ins Parlament kommt.