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Friedens- und Konfliktforschung. Perspektiven für Bayern
Bayern ist, was die universitäre ebenso wie die außeruniversitäre Friedens- und Konfliktforschung betrifft, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Das muss sich ändern.
28. Oktober 2019
Den aktuellen Stand der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland zu erörtern und Perspektiven für Bayern zu diskutieren, dazu lud die Landtagsabgeordnete und friedens- und forschungspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen Anne Franke zu einem Fachgespräch am 17.10.2019 ein. Unter dem Titel "Perspektiven für Bayern. Fachgespräch zu universitärer und außeruniversitärer Friedens- und Konfliktforschung" diskutierte das interessierte Publikum mit Expert*innen aus Wissenschaft, Wissenschaftsrat und Zivilgesellschaft im bayerischen Landtag.
Anlass des Gespräches war die Veröffentlichung der Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Friedens- und Konfliktforschung durch den Wissenschaftsrat im Juli 2019. Der Wissenschaftsrat ist eine durch Bund und Länder getragene Kommission, die eine beratende Funktion bei der nachhaltigen Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems einnimmt.
Nach der Begrüßung der Teilnehmenden erläuterte Anne Franke das GRÜNE Anliegen, die Friedens- und Konfliktforschung in Bayern stärken zu wollen. Da die Forderung, einen Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung an einer bayerischen Hochschule zu etablieren, nicht die Zustimmung der Staatsregierung gefunden hat, soll nun die Möglichkeit eruiert werden, die Friedens- und Konfliktforschung an einer landesfinanzierten außeruniversitären Forschungseinrichtung zu institutionalisieren.
Anne Franke erinnerte eingangs auch an das nicht mehr existierende Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg, das 1970 von dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker gegründet wurde. Entstanden aus der Kritik von renommierten Atomphysikern an Plänen zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr wiesen Teile der Friedens- und Konfliktforschung bis in die frühen 1990er Jahre eine mehr oder weniger enge Verbindung zur bundesdeutschen Friedensbewegung auf, resümiert der Wissenschaftsrat in seinen Empfehlungen. Heute gehört die (partei-)politisch-ideologische Nähe von Friedensforschung und Friedensbewegung der Vergangenheit an, stellte Professor Ursula Münch als erste Expertin im Fachgespräch fest.
Professor Ursula Münch, welche die Arbeitsgruppe Strukturbegutachtung der deutschen Friedens- und Konfliktforschung beim Wissenschaftsrat geleitet hatte, führte zunächst in die Ergebnisse der Evaluation ein. Bei der Friedens- und Konfliktforschung handelt es sich um ein eher kleines Wissenschaftsgebiet, das von rund 150 Wissenschaftler*innen in ganz Deutschland bearbeitet wird und in circa 30 denominierten Professuren institutionalisiert ist. In Bayern jedoch spielt die Friedens- und Konfliktforschung bisher weder an den Hochschulen noch an außeruniversitären Einrichtungen eine nennenswerte Rolle. Besonders prekär sei die Situation im Bereich der naturwissenschaftlich-technisch orientierten Friedens- und Konfliktforschung. Zwar sei Deutschland in diesem Bereich einmal namhaft gewesen und der wissenschaftliche Sachverstand im Ausland auch wahrgenommen worden, inzwischen sei von dieser Expertise aber nichts mehr vorhanden. Aktuell fehlten in der Friedens- und Konfliktforschung Beratungskapazität und Sachverstand in Naturwissenschaft und Technik, so Professor Münch, betonte aber zugleich, dass dieser Forschungszweig dennoch nicht losgelöst von der sozialwissenschaftlichen Friedens- und Konfliktforschung gedacht werden sollte. Die zentrale Empfehlung des Wissenschaftsrates sei daher, den Wiederaufbau der naturwissenschaftlich-technischen Friedens- und Konfliktforschung im interdisziplinären Austausch mit anderen Fachgebieten wie der Sozial- und Politikwissenschaft voranzutreiben. Die wissenschaftliche Expertise werde dringend von Politik und Öffentlichkeit benötigt. (Die Ergebnisse und Empfehlungen des Wissenschaftsrates finden Sie hier).
Anschließend berichtete Professor Susanne Buckley-Zistel, die Direktorin des Zentrums für Konfliktforschung an der Philipps-Universität Marburg, von der Geschichte und der Arbeit des Marburger Institutes. Das Zentrum besteht nun seit 15 Jahren und ist allmählich auf Grundlage des friedenspolitischen Interesses individueller Wissenschaftler*innen gewachsen. Inzwischen verfügt es über 2,5 Professuren und bietet drei Masterstudiengänge, einen in Kooperation mit der Universität Canterbury, UK, an. Das Institut finanziert sich vor allem auf Grundlage von Drittmitteln. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates werden am Zentrum als Rückenwind für die Arbeit in Marburg und für die Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland generell empfunden.
Aufgrund ihrer Funktion als stellvertretende Vorsitzende im Vorstand der Deutschen Stiftung Friedensforschung erläuterte Professor Susanne Buckley-Zistel auch die Arbeit der Stiftung. Die Stiftung mit Sitz in Osnabrück wurde 2000 gegründet. Bei der Gründung wurde die Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung als wichtiges Anliegen empfunden. Die Stiftung fördert heute vor allem interdisziplinäre, anwendungsorientierte und explorative Forschungsvorhaben. Darüber hinaus engagiert man sich für den Wissenstransfer zwischen Politik und Praxis sowie den wissenschaftlichen Austausch und die Vernetzung. Über Mittel zum Strukturausbau der Friedens- und Konfliktforschung verfügt die Stiftung leider nicht.
Christopher Fichtlscherer wiederum, der als Masterstudent an der Universität Hamburg in die naturwissenschaftlich-technische Friedens- und Konfliktforschung integriert ist, erklärte dem Publikum, was dieses Fachgebiet im Besonderen auszeichnet und veranschaulichte an ausgewählten Beispielen zentrale Forschungsfragen des Faches.
Dr. Thomas Mohr eröffnete abschließend seine Sichtweise auf die Friedensbewegung und berichtete über seine Initiative die Münchener Sicherheitskonferenz zu verändern und eine Friedensakademie in Bayern zu etablieren.
In der anschließenden Diskussion wurden kritisch die Perspektiven und Möglichkeiten diskutiert, in Bayern eine landesfinanzierte außeruniversitäre Einrichtung für die Friedens- und Konfliktforschung zu etablieren. Dabei standen die Empfehlungen des Wissenschaftsrates im Mittelpunkt. Eine junge Friedens- und Konfliktforscherin von der Universität Augsburg brachte die Stadt Augsburg als möglichen Standort für ein außeruniversitäres Forschungsinstitut ins Gespräch: Nicht nur in München, auch dort könne man bestehende Strukturen in eine Neugründung einbinden, um eine Clusterbildung im Forschungsgebiet zu ermöglichen. Man sei dort gut vernetzt und arbeite aktuell an einer zukunftsweisenden partizipativen Forschung mit Praxispartnern.
Zuletzt betonten Christopher Fichtlscherer und Professor Susanne Buckley-Zistel noch einmal deutlich, wie wichtig es sei, eine Zivilklausel an Hochschulen und Forschungseinrichtungen einzuführen – auch in Bayern