Demokratie | Gegen Rechts
Anfrage islamfeindliche Straf- und Gewalttaten

28. April 2025
Im Zuge der genauen Aufschlüsselung islamfeindlich motivierter Straf- und Gewalttaten in Bayern ist nicht nur zutiefst besorgniserregend, dass wir es mit neuen Höchstständen zu tun haben, sondern auch der extreme Anstieg der rechtsextremen Taten.
Aus der Antwort des Innenministeriums geht hervor:
· Die Zahl der islamfeindlich motivierten Straf- und Gewalttaten in Bayern hat sich in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht! Mit 213 antimuslimischen Straftaten wurde im Jahr 2024 ein absoluter Rekordwert erreicht.
· Auch die Zahl der islamfeindlich motivierten Gewaltdelikte hat mit 15 Taten einen neuen Höchststand erreicht. Unter diese Gewalttaten fällt auch ein zweifacher versuchter Mord von einem psychisch erkrankten rassistischen Attentäter, der im Juli 2024 in München zwei Personen aufgrund ihrer vermuteten Religionszugehörigkeit mit einem Messer angriff und dabei (schwer) verletzte. Insgesamt wurden 26 Personen in Bayern Opfer von antimuslimisch motivierten Gewaltdelikten.
· Über 80 Prozent der islamfeindlichen Straftaten – darunter fast sämtliche Gewaltdelikte - werden von rechtsextremen Tätern und Täterinnen begannen. Damit hat sich auch die Zahl der rechtsextremen Taten in diesem Feld der Hasskriminalität in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht. Der Hass gegen Musliminnen und Muslime ist offenbar ein immer wichtiger werdendes Tatmotiv für Rechtsextremisten aller Couleur.
· Nur gut 20 Prozent aller in der Polizeistatistik erfassten islamfeindlichen Straftaten werden von der Staatsregierung als extremistisch motiviert bewertet. Das ist nur schwer nachvollziehbar, denn islamfeindliche Straftaten richten sich immer gegen die Würde des Menschen und sein Recht auf freie Religionsausübung. Sie sind deshalb immer auch ein Angriff auf die Grundwerte unserer Verfassung!
Cemal Bozoğlu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus der Landtags-Grünen, sagt:
„Diese Zahlen senden eine traurige Botschaft: Nicht nur explodiert die Islamfeindlichkeit in Bayern regelrecht, sondern es sind vor allem Rechtsextreme, die unsere muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger bedrohen. Dieser Hass gegen Menschen aufgrund ihres Glaubens ist alarmierend und muss genauso energisch bekämpft werden wie jede andere Form von Hasskriminalität, die Menschen in unserer Gesellschaft trifft. Entschiedener Schutz vor Diskriminierung und eine konsequente Strafverfolgung sind das Gebot der Stunde. Ein wichtiger Schritt ist außerdem, dass diese Delikte auch wirklich dokumentiert werden und nicht in Dunkelziffern untergehen. Es braucht daher dringend mehr Anlauf- und Beratungsstellen für Betroffene.“
Forderungen der Landtags-Grünen:
· Wir brauchen einen besseren Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Religion, Hautfarbe oder Herkunft. Wir haben deshalb ein Antidiskriminierungsgesetz in den Landtag eingebracht und fordern eine landesweite Antidiskriminierungsstelle.
· Zur besseren Erfassung antimuslimischer Straf- und Gewalttaten brauchen wir eine zivilgesellschaftliche Recherche- und Monitoringstelle in Bayern. RIAS Bayern die Recherchestelle zu Antisemitismus könnte dabei als Vorbild dienen.
· Wir fordern eigene Ansprechpersonen bei Staatsanwaltschaften und Polizei sowie einen zentralen Beauftragten der bayerischen Justiz für rassistische und antimuslimische Hassdelikte. Vorbild sollt dabei die Behandlung antisemitischer Delikte sein.
· Wir fordern ein flächendeckendes Netz von Anlauf- und Beratungsstellen für Opfer rassistischer und antimuslimischer Straf- und Gewalttaten in Bayern.
Weitere detaillierte Erkenntnisse aus der Anfrage:
- Im Jahr 2024 wurden 213 islamfeindliche motivierte Straftaten festgestellt. Im Jahr 2023 gab es 171 islamfeindliche Taten im Bereich der Hasskriminalität und im Jahr 2022 66 einschlägige Hassdelikte. Damit hat sich die Zahl der antimuslimischen Straftaten in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht. Der Anteil der islamfeindlichen Delikte an der gesamten Hasskriminalität hat sich in den vergangenen drei Jahren von 5,5% in 2022 auf 10,5 % in 2024 annähernd verdoppelt.
- Im Jahr 2024 wurden 15 Gewaltdelikte im Feld der islamfeindlichen Hasskriminalität verübt. Im Jahr 2023 waren es 13 Gewalttaten und im Jahr 2022 nur 2 Gewaltdelikte. Zu den Gewaltdelikten gehören auch ein aus islamfeindlichen Motiven begangener versuchter Mord von einem psychisch erkrankten rassistischen Täter in München sowie fünf Fälle von gefährlicher und sieben Fälle von einfacher Körperverletzung. 26 Personen wurden insgesamt im Jahr 2024 Opfer von islamfeindlich motivierten Gewaltdelikten im Bereich der Hasskriminalität. 15 Personen wurden dabei verletzt (eine Person davon schwer durch einen Messerstich).
- Rund 82 Prozent oder 174 Delikte im Bereich der islamfeindlichen Straftaten werden rechtsextremen Tätern zugeordnet. Damit hat sich auch die Zahl der rechtsextremen Straftaten in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht: von 56 Delikten im Jahr 2022 über 131 Delikte im Jahr 2023 hin zu 171 Taten im Jahr 2024. Bis auf zwei Ausnahmen werden alle Gewaltdelikte dem Bereich der PMK-rechts zugeordnet. 27 antimuslimische Straftaten werden der Kategorie ‚sonstige‘ im Bereich der politisch motivierten Kriminalität zugeordnet, hinter der sich die rechtsoffenen Milieus der Reichsbürger, Querdenker und Verschwörungsideologen verbergen.
- Nur 46 islamfeindliche Delikte (= 21 % aller Straftaten) im Bereich der antimuslimischen Straftaten wurden 2024 vom Verfassungsschutz als extremistisch bewertet. Das bedeutet das rund 80 Prozent der antimuslimischen Straftaten von den Sicherheitsbehörden in Bayern nicht als extremistisch eingestuft werden. Im Jahr 2023 wurden 24 Prozent aller islamfeindlichen Hassdelikte als extremistisch eingestuft. Im Jahr 2022 waren es noch 29 Prozent und im Jahr 2020 sogar 83 Prozent. Warum die Quote der als extremistisch anerkannten islamfeindlichen Hassverbrechen von 83 Prozent auf 21 Prozent geschrumpft ist, ist fachlich nicht nachvollziehbar, da die genauen Kriterien für die Vergabe des sog. ‚Extremismusmerker‘ durch den Verfassungsschutz nicht veröffentlicht werden.
- Im Jahr 2024 gab es in Bayern sechs islamfeindlich motivierte Angriffe gegen Moscheen oder sonstige islamische Einrichtungen. Im Jahr 2023 waren es noch 10 Straftaten gegen islamische Einrichtungen und im Jahr 2022 zwei Attacken. Über die genaue Anzahl der antimuslimischen Kundgebungen oder Demonstrationen in Bayern hat die Staatsregierung keinen Überblick. Auf unsere Nachfrage wurden lediglich einige wenige Versammlungen von PEGIDA München, dem III.Weg und Der Heimat (ex NPD) aus den vergangenen fünf Jahren aufgeführt.
- Im vergangenen Jahr wurden 162 Tatverdächtige im Zusammenhang mit antimuslimischen Straftaten festgestellt. Die Aufklärungsquote liegt hier bei 74 Prozent. Zu dem Stand der Anklageerhebungen und Strafverfahren in diesem Bereich hat die Staatsregierung keinen Überblick. Außerdem wurden 15 Tatverdächtige im Zusammenhang mit islamfeindlichen Gewalttaten ermittelt. Von den auf politische Straftaten spezialisierten Generalstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Bamberg wurden im Jahr 2024 aber nur acht Personen im Zusammenhang mit islamfeindlich motivierten Gewalttaten angeklagt.
Hier finden Sie sämtliche Unterlagen zu den genannten Zahlen: Anlage 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7