Demokratie | Gegen Rechts

Immer mehr rassistische, ausländerfeindliche und antisemitische Delikte

21. April 2025

Zahl der Angriffe hat sich laut Antwort auf Grünen-Anfrage in drei Jahren nahezu verdoppelt

Aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Grünen-Anfrage geht hervor: Die Zahlen zu „rassistischen Straf- und Gewalttaten gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten 2024“ sind in Bayern deutlich gestiegen. Die Angriffe werden nicht nur immer häufiger, sondern auch immer brutaler.

Das sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Antwort des Innenministeriums:

  • In nur drei Jahren hat sich die Zahl der Straf- und Gewalttaten in Bayern, die in der Sammelkategorie „fremdenfeindlich“* (rassistische, ausländerfeindliche und antisemitische Delikte) erfasst werden, nahezu verdoppelt.
  • Die Taten werden insgesamt brutaler. Denn betrachtet man nur die „fremdenfeindlich“ motivierten Gewaltdelikte ist mit 171 Taten (und 300 betroffenen Personen) sogar ein neuer Höchststand erreicht (Erhöhung um zwei Drittel in drei Jahren).
  • Insgesamt 230 Straftaten richteten sich gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte. Darunter fallen schwere Gewalttaten wie Fälle ein versuchter Totschlag, schwere Brandstiftungen und gefährliche Körperverletzungen. Die Zahl der rassistisch motivierten Angriffe gegen Flüchtlinge hat sich damit in den vergangenen drei Jahren nahezu verdoppelt.
  • Nur gut 20 Prozent aller in der Polizeistatistik erfassten rassistischen, ausländerfeindlichen oder antisemitischen Straftaten werden von der Staatsregierung als extremistisch motiviert anerkannt. Diese Einordnung ist nur schwer nachvollziehbar, denn rassistische oder antisemitische Straftaten richten sich immer gegen die Würde des Menschen und sind insofern ein Angriff auf die Grundwerte unserer Verfassung.

*Der Begriff „fremdenfeindlich“ ist problematisch, da er deutsche Staatsbürger*innen jüdischen Glaubens oder Migrant*innen der zweiten oder dritten Generation zu „Fremden“ erklärt.

Die Landtags-Grünen fordern:

  • Wir brauchen in Bayern einen besseren Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Religion, Hautfarbe oder Herkunft. Wir Grüne haben deshalb ein Antidiskriminierungsgesetz  in den Landtag eingebracht und fordern eine landesweite Antidiskriminierungsstelle.
  • Zur besseren Erfassung rassistischer, antimuslimischer oder ausländerfeindlicher Straf- und Gewalttaten brauchen wir eine zivilgesellschaftliche Recherche- und Monitoringstelle in Bayern. RIAS Bayern die Recherchestelle zu Antisemitismus könnte dabei als Vorbild dienen.
  • Wir fordern eigene Ansprechpersonen bei Staatsanwaltschaften und Polizei sowie einen zentralen Beauftragten der bayerischen Justiz für rassistische und antimuslimische Hassdelikte. Vorbild sollt dabei die Behandlung antisemitischer Delikte sein.
  • Wir fordern ein flächendeckendes Netz von Anlauf- und Beratungsstellen für Opfer rassistischer, antimuslimischer oder ausländerfeindlicher Straf- und Gewalttaten in Bayern.

Cemal Bozoğlu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus, sagt: „Gerade in dieser Zeit, in der wir in Deutschland, Europa und der Welt einen gefährlichen Rechtsruck erleben, müssen wir die Rechte aller Menschen in Bayern besser schützen. Die Herkunft, das Aussehen, die Religion dürfen niemals Grund für Ablehnung sein! Diese Zahlen müssen die Staatsregierung alarmieren. Es reicht nicht, sich beim Döneressen auf Social Media zu zeigen – es braucht klare Kante gegen rassistische Übergriffe. Die Stärke unserer Demokratie bemisst sich auch daran, wie der Staat gegen Benachteiligungen vorgeht.“

Gülseren Demirel, Sprecherin für Integration, erklärt: „Unsere vielfältige Gesellschaft, in der alle die gleichen Rechte haben, ist bedroht. Das zeigt der heftige Anstieg der Taten gegen Migrantinnen und Migranten ganz klar. Wir brauchen einen besseren gesetzlichen Schutz und eine Staatsregierung, die das liefert, statt wegzuschauen. Es ist höchste Zeit für ein Antidiskriminierungsgesetz und eine staatliche Beratungsstelle gegen Diskriminierung. Das entspricht auch dem Verfassungsauftrag an den Staat, das höchste Gut des Menschen, seine Würde, zu schützen – in Bayern herrscht hier aktuell Stillstand.“ 

Zusammenfassung aus der Antwort auf die Grünen-Anfrage:

  1. Im Jahr 2024 wurden insgesamt 1.829 rassistisch, ausländer- bzw. „fremdenfeindlich“ motivierte Straftaten registriert. Damit ist die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten gegenüber dem Rekordjahr 2023 mit 1.682 Taten noch einmal leicht gestiegen. Im Jahr 2022 wurden 1.073 Delikte in diesem Feld der Hasskriminalität registriert. Unter dem Oberthemenfeld „fremdenfeindlich“ werden in der Statistik rassistische, ausländerfeindliche und antisemitische Delikte zusammengefasst. Der Anteil der fremdenfeindlichen Delikte an der gesamten Hasskriminalität liegt bei 90 Prozent.
  2. Im Jahr 2024 wurden 626 Straftaten als rassistisch motiviert eingestuft. Ihre Zahl hat sich von 387 in 2022, über 496 in 2023 auf 626 in 2024 um 61 Prozent erhöht. Als ausländerfeindlich wurden in 2024 736 Delikte eingestuft. Die Zahl der ausländerfeindlichen Delikte hat sich von 460 in 2022, über 724 in 2023 auf 736 in 2024 um 60 Prozent erhöht. Die Themenfelder „rassistisch“ und „ausländerfeindlich“ dürften nur schwer voneinander abgrenzbar sein. Vermutlich werden zahlreiche Straftaten beiden Feldern zugeordnet.
  3. Im Jahr 2024 wurden 171 Gewaltdelikte im Feld der rassistischen bzw. fremdenfeindlichen Hasskriminalität verübt. In 2023 waren es 146 und in 2022 102 Gewalttaten. Damit hat sich die Zahl der Gewalttaten in den vergangenen drei Jahren um zwei Drittel erhöht. 300 Personen wurden im Jahr 2024 Opfer von Gewaltdelikten im Bereich der Hasskriminalität.
  4. Insgesamt 230 rassistische Straftaten richteten sich gegen Geflüchtete. Darunter fallen 16 Gewalttaten; fünf Fälle von gefährlicher Körperverletzung und ein versuchter Totschlag. 207 Straftaten oder 90 Prozent fallen unter die PMK-rechts. Die Zahl der Straftaten gegen Geflüchtete bleibt damit gegenüber 269 Delikten in 2023 und 129 Delikten in 2022 auf einem hohen Niveau.
  5. 19 Straftaten wurden gegen Sammelunterkünfte, Ankerzentren oder andere Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern registriert. Darunter befinden sich auch drei schwere Brandstiftungen in Unterkünften in Bayreuth, Putzbrunn und Krumbach (Schwaben). Die Brandstiftung in Krumbach wurde durch einen Rechtsextremisten begangen und hatte Sachschäden zur Folge.
  6. Nur 396 rassistische bzw. fremdenfeindliche Delikte (=21% aller Straftaten) im Bereich der fremdenfeindlichen Straftaten wurden 2024 vom Verfassungsschutz als extremistisch bewertet. Das bedeutet das 80 Prozent der antisemitischen, rassistischen und ausländerfeindlichen Straftaten von den Sicherheitsbehörden in Bayern nicht als extremistisch eingestuft werden. Im Jahr 2023 wurden noch 27 Prozent aller fremdenfeindlichen Hassdelikte als extremistisch eingestuft. Im Jahr 2021 waren es noch 66 Prozent und im Jahr 2020 sogar 82 Prozent. Warum die Quote der als extremistisch anerkannten Hassverbrechen von 82 Prozent auf 21 Prozent um dreiviertel geschrumpft ist, ist fachlich nicht nachvollziehbar, da die genauen Kriterien für den sogenannten „Extremismusmerker“ des Verfassungsschutzes nicht veröffentlicht werden.
  7. 1.349 Straftaten oder 74 Prozent aller fremdenfeindlichen und rassistischen Delikte im Jahr 2024 werden der PMK-rechts zugeordnet. Auch die Zahl der rechten rassistischen und antisemitischen Taten ist in den vergangenen drei Jahren deutlich um 45 Prozent gestiegen: von 929 im Jahr 2022 über 1.246 in 2023 auf 1.349 in 2024.
  8. Im Bereich „sonstige Zuordnung“, in den u.a. Reichsbürger, Querdenker und Verschwörungsideologen fallen, wurden 2024 199 Straftaten (=11% aller Delikte) registriert. Hier ist die Zahl von 114 in 2022 über 165 in 2023 auf 199 in 2024 um 75 Prozent gestiegen!
  9. Auch im Bereich ‚Ausländische Ideologie‘ ist ein starker Anstieg der Delikte von 15 im Jahr 2022, über 105 im Jahr 2023 auf 173 im Jahr 2024 zu verzeichnen (=9,5 % aller Delikte!). Der starke Anstieg in diesem Bereich dürfte vor allem auf antisemitische Straftaten mit Bezug auf den Krieg zwischen Israel und der Hamas zurückzuführen sein.
  10. Im Bereich religiöse Ideologie wurden 2024 nur 85 rassistische bzw. fremdenfeindliche Straftaten registriert (=4,6 % aller Straftaten).
  11. 579 Straftaten im Bereich der Hasskriminalität waren antisemitisch motiviert. Damit bleibt die Zahl der antisemitischen Straftaten annähernd auf dem Niveau des Jahres 2023,in dem mit 589 Delikten die höchste jemals in Bayern registrierte Zahl gemessen wurde. Im Jahr 2022 waren es noch 358 antisemitische Hassdelikte. 426 Täter und Täterinnen konnten ermittelt werden.
  12. Zudem wurden 212 islamfeindliche Straftaten festgestellt. Im Jahr 2023 waren es 171 antimuslimische Taten im Bereich der Hasskriminalität. Im Jahr 2022 66 einschlägige Hassdelikte. Damit hat sich die Zahl der antimuslimischen Straftaten in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht. 

Hier finden Sie die Antwort auf die Anfrage der Landtags-Grünen sowie die zugehörigen Anlagen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8.