Demokratie | Gegen Rechts

Lagebild Rechtsextremismus 2023

Pressekonferenz am 23.07.2024

16. Juli 2024

Lagebild Rechtsextremismus 2023

1. Die AfD als gesichert rechtsextreme Partei bekämpfen 

Die bayerische AfD hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter radikalisiert und zu einer eindeutig rechtsextremen Partei entwickelt. Sowohl im Landesvorstand der Partei als auch in der Landtagsfraktion geben mittlerweile Protagonist*innen des ehemaligen völkisch-nationalistischen Flügels den Ton an. Führende Politiker*innen treten offen für das von der ‚Identitären Bewegung‘ entwickelte Konzept der ‚Remigration‘ – also der gewaltsamen Vertreibung Hunderttausender Menschen mit Migrationshintergrund – ein. Rechtsextreme Burschenschaften, die ‚Identitäre Bewegung‘ und rechtsextreme ‚Think Tanks‘, wie das ‚Institut für Staatspolitik‘ und rechtsextreme Medien, wie das vor Kurzem verbotene Compact-Magazin, werden als Partner und strategisches ‚Vorfeld‘ der Partei hofiert. Die AfD verbreitet Verschwörungstheorien wie die von einem geplanten ‚Großen Austausch‘ der deutschen Bevölkerung und vertritt ein ethnozentrisches und biologistisches an Blut und Boden orientiertes Verständnis des ‚deutschen Volkes‘. Sie macht Institutionen und Repräsentanten von Demokratie und Rechtsstaat verächtlich und schürt Feindseligkeiten gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund und muslimischem Glauben. Damit forciert die AfD die Spaltung der Gesellschaft und gefährdet die Demokratie und Innere Sicherheit in diesem Land.  

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass das Verwaltungsgericht München und das Oberverwaltungsgericht Münster die Klagen der AfD gegen ihre Beobachtung als ‚rechtsextremen Verdachtsfall‘ durch den Verfassungsschutz im Bund und in Bayern abgewiesen haben. Die AfD ist zu einer ernsthaften Bedrohung für die demokratischen Institutionen und die verfassungsmäßige Ordnung in diesem Land geworden. Weitere politische und rechtliche Maßnahmen gegen die Partei sind deshalb unabdingbar und müssen zeitnah umgesetzt werden.  

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende: „Rechtsextremismus ist weiterhin die größte Gefahr für die innere Sicherheit in unserem Land. Unser Lagebild zeigt: Rechtsextreme Gewalttaten steigen um mehr als die Hälfte an, antisemitische Straf- und Gewalttaten erreichen ein neues Gewaltniveau, die Zahl der Angriffe auf Politiker*innen bleibt weiterhin erschreckend hoch. Wie lange will die Söder-Regierung dem noch zuschauen? Wir müssen die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus finanziell und personell besser ausstatten und den Fahndungsdruck auf die rechte Szene erhöhen. Außerdem müssen wir das Angebot an Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt in Bayern flächendeckend ausbauen.  

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, erklärt: „Es wird höchste Zeit, dass nun alle Register im Kampf gegen Rechtsextremismus gezogen werden! Versuche zu verschleiern gibt es nicht mehr. Das AfD-Personal in Bayern zeigt schon lange bar jeder Scham sein wahres Gesicht. Vernetzungstreffen mit Rechtsextremisten, Enthüllungen von Affären, Parteiausschlussverfahren oder gar die Beobachtung eines Abgeordneten durch den Verfassungsschutz werden achselzuckend angehäuft. Die AfD pflegt und unterstützt weiterhin offen ihre rechtsextremen Kontakte, hofiert ungeniert Hardliner und treibt ihre widerwärtigen Remigrations-Phantasien voran. Die Landtagsfraktion hat sich längst radikalisiert. Wer da nicht mitmacht, dem droht schneller der Ausschluss als Mitgliedern, die sich strafbar machen. Die AfD ist eine Partei, die Krawall und Chaos stiften und unsere Demokratie zersetzen will, die Prüfung eines AfD-Verbots ist unverzichtbar.“ 

Cemal Bozoglu, Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus: „In Bayern hat die AfD die eigene ‚Unvereinbarkeitsliste‘ längst in die Tonne geschmissen. Sie kooperiert ungeniert mit rechtsextremen Organisationen wie der Identitären Bewegung oder der dem Verein 1 Prozent sowie mit vom Verfassungsschutz beobachteten Burschenschaften. Parteinahe und parteigebundene rechtsextreme Organisationen wie die Identitäre Bewegung sind Feinde unserer Demokratie. Hier muss ein Verbot über das Vereinsrecht geprüft werden. Die Junge Alternative (JA) ist die Speerspitze dieser Ausrichtung. Rechtsextreme MdL wie Daniel Halemba, Franz Schmid, Christoph Maier oder Benjamin Nolte sind die offensichtlichsten Brückenbauer zwischen Parlament und rechtsextremen Strukturen. In der Einstufung von Burschenschaften als rechtsextrem agieren bayerische Sicherheitsbehörden äußerst zurückhaltend. Rechte Burschenschaften fungieren als Sammelbecken für unterschiedliche rechtsextreme Strömungen. Sie verfügen über eigene Immobilien, erhebliche finanzielle Mittel und werden über ihre ‚Alten Herren‘ mit tiefgehenden Netzwerken ausgestattet. Deshalb sind sie ein wichtiger Teil der rechten Infrastruktur, den die Sicherheitsbehörden unbedingt im Auge behalten müssen.“  

Grünes Zehn-Punkte-Programm mit den nun anstehenden Schritten im Kampf gegen die AfD: 

  1. Die AfD muss im Bund und in Bayern möglichst zügig vom einem ‚Verdachtsfall‘ zu einer ‚gesichert rechtsextremen Organisation‘ hochgestuft werden. In den Bundesländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ist dies bereits passiert. Es ist höchste Zeit, dass auch Bayern dem Vorbild dieser ostdeutschen Bundesländer folgt. 
  2. AfD-Landtagsabgeordnete, die ihr Mandat zur Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung missbrauchen, müssen von den bayerischen Sicherheitsbehörden beobachtet werden. Auf Anfrage der Grünen (Drs. 19/2215 https://www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP19/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/19_0002215.pdf) hat die bayerische Staatsregierung bekannt gegeben, dass der Abgeordnete und Vorsitzende der ‚Jungen Alternative‘, Franz Schmid, durch das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet wird. Wir begrüßen, dass geprüft wird, ob weitere Abgeordnete der AfD im Landtag, die in ähnlich aggressiver Weise verfassungsfeindliche Positionen vertreten, beobachtet werden können. 
  3. Die Staatsregierung muss alle Möglichkeiten prüfen, die AfD, ihre Jugendorganisation ‚Junge Alternative‘ und parteinahe Stiftungen und Organisationen von staatlichen Finanzierungsquellen und öffentlichen Fördertöpfen auszuschließen
  4. Die Staatsregierung muss in Kooperation mit den zuständigen Bundesbehörden alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, parteinahe und parteigebundene rechtsextreme Organisationen wie die als Verein organisierte ‚Junge Alternative‘, die ‚Identitäre Bewegung‘ oder Kampagnenplattformen wie ‚Ein Prozent‘ auf Basis des Vereinsrechts zu verbieten. Die Junge Alternative spielt eine wichtige Rolle als Scharnier und Bindeglied zwischen der Partei und ihren rechtsextremen ‚Vorfeldorganisationen‘. 
  5. Die bayerischen Sicherheitsbehörden müssen sich in enger Abstimmung mit den zuständigen Bundesbehörden aktiv an der Prüfung, Sammlung und Sichtung des nötigen Beweismaterials für die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligen. 
  6. Zentrale rechtsstaatliche Institutionen und demokratische Einrichtungen müssen vor dem Einfluss von Verfassungsfeinden geschützt werden, um die staatliche Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit von Justiz, Medien und Bildungseinrichtungen zu erhalten. 
  7. Die Zusammenarbeit von Sicherheits- und Finanzbehörden muss verbessert werden, um ausländische Geldströme, intransparente Finanzierungsnetzwerke, Unternehmensstrukturen sowie Immobiliengeschäfte und Finanztransaktionen im Umfeld von Partei und rechtsextremer Szene besser aufklären zu können. 
  8. Die vollständige Entwaffnung der rechtsextremen Szene muss zügig vorangetrieben werden. Alle Waffenerlaubnisse sind zu widerrufen und erlaubnispflichtige Waffen sicherzustellen. Dies betrifft auch alle Mitglieder der AfD, sobald die Partei auch offiziell als rechtsextreme Organisation eingestuft ist. 
  9. Rechtsextremisten und Reichsbürger müssen aus allen sicherheitsrelevanten Institutionen wie Polizei, Justiz, Sicherheitsbehörden oder Militär entfernt werden. Bei rechtsextremen Vorfällen im Öffentlichen Dienst müssen Disziplinarverfahren beschleunigt und Disziplinarmaßnahmen konsequent umgesetzt werden. Die betrifft nach ihrer Einstufung als ‚rechtsextreme Organisation’ selbstverständlich auch Parteifunktionäre und Mitglieder der AfD.  
  10. Bei Einstellungen im Öffentlichen Dienst und Verfahren zur Verbeamtung müssen Mitgliedschaft und Funktion in der AfD und ihr nahestehenden oder zugeordneten Organisationen sowie damit verbundene Zweifel an der Verfassungstreue der Bewerber*innen überprüft und berücksichtigt werden. 

FAKTENLAGE: 

Straftaten im Bereich der Hasskriminalität erreichen in Bayern neuen Höchststand: von 1.186/2022 auf 1.867/2023; Anstieg um 57 Prozent; mehr als zwei Drittel der Delikte sind rechts motiviert. 

Als rassistische, ausländer- und ‚fremdenfeindlich’ erfasste Straftaten in Bayern erreichen ebenfalls neuen Höchststand: von 1.073/2022 Delikten auf 1.682/2023; Anstieg ebenfalls um 56 Prozent. 

Die antimuslimisch motivierten Delikte haben sich von 66/2022 auf 171/2023 Straftaten fast verdreifacht. 

Ende 2023 wurden 143 Rechtsextremisten aus Bayern per Haftbefehl gesucht (insgesamt 197 Haftbefehle). 2021 waren es 130 Rechtsextremisten (161 Haftbefehle). 2020 waren es 97 gesuchte Rechtsextremisten. 


2. Rechtsextreme Vorfälle in Verbindung mit der AfD 

  • Unter der Losung „Kriegstreiber stoppen! Keine Sanktionen – keine Waffenexporte” veranstaltete der AfD-Kreisverband München-Ost am 18. Februar 2023 eine Kundgebung gegen die Münchener Sicherheitskonferenz. Einer der Hauptredner war der Herausgeber des rechtsextremen ‚Compact-Magazins’, Jürgen Elsässer, der in seiner Rede offensiv für eine ‚Querfront’ warb.  Das Compact-Magazin wurde am 16.Juli 2024 von Innenministerin Faeser verboten. An der Kundgebung beteiligten sich die Landtagsabgeordneten Franz Schmid, Rene Dierkes und Benjamin Nolte, der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron sowie Aktivisten der Identitären Bewegung und der Danubia mit einem Transparent mit der Aufschrift „Globalisten Grenzen zeigen – Autarkie -Souveränität - Remigration”.  
  • Am 13. Juni 2023 hatte der Kreisverband München-Ost der AfD unter dem Motto „Hände weg von unseren Kindern” zu einer Kundgebung gegen eine Drag-Queen-Lesung in einer Münchener Stadtteilbibliothek mobilisiert. Bei der Veranstaltung, die ein „Verbot von Gender-Propaganda und anderen Perversionen“ forderte, traten AfD-Abgeordnete und Funktionäre der JA als Redner auf. Aktivisten der Identitären Bewegung versuchten während der Kundgebung, in den Versammlungssaal einzudringen und dort ein Transparent zu entrollen.  
  • Auf Einladung der Abgeordneten Christoph Maier und Ferdinand Mang fand am 15. Juni 2023 im Landtag ein Treffen rechtsextremer Burschenschafter statt. Bei der Veranstaltung im Landtag waren neben den Aktivitas der ‚Danubia’ aus München auch Mitglieder der rechtsextremen Burschenschaften ‚Frankonia Erlangen’ und ‚Teutonia Prag zu Würzburg’ anwesend. Ein Burschenschafter der Dabunia zeigte dabei in der Landtagsgaststätte den in der rechten Szene populären rassistischen ‚White-Power-Gruß’. Ein anderes Mitglied der Danubia versuchte einen anwesenden Journalisten körperlich anzugreifen. Beide Personen arbeiten mittlerweile als Mitarbeiter bei dem MdL Benjamin Nolte. 
  • Zwischen der Jungen Alternative (JA) und der Identitären Bewegung (IB) in Bayern existiert ein geradezu symbiotisches Verhältnis, welches in personellen Überschneidungen und zahlreichen gemeinsamen Aktionen seinen Ausdruck findet. Am 9. November 2022 fand ein Besuch von Aktivist:innen der IB und der JA im bayerischen Landtag statt. In München gab es im November 2022 eine gemeinsame Aktion zum Volkstrauertag. IB-Mitglieder beteiligten sich im Januar 2023 am Landeskongress der JA in Greding. Weitere gemeinsame Veranstaltungen fanden im Dezember 2022 in Memmingen (Lesung), im April 2023 in Mindelheim (Gedenkmarsch der JA Schwaben) und im Dezember 2023 in Holzheim (Demo gegen Flüchtlingsunterkunft) statt. Mindestens zwei IB-Mitglieder arbeiten zudem für die AfD im bayerischen Landtag. 
  • Die JA Bayern hat sich darüber hinaus im Sommer 2023 an der queerfeindlichen ‚Stolzmonat’-Kampagne der extremen Rechten beteiligt. Im Juni 2024 wurde die Kampagne auch von zahlreichen AfD-MdL aktiv unterstützt, Benjamin Nolte veröffentlichte bspw. ein Video, in dem eine Stolzmonat-Fahne aus seinem Landtagsbüro gehängt wurde. Während des Christopher-Street Days entrollten Aktivisten der JA am 19. Juni 2023 am Münchener Rathaus ein Banner mit der Aufschrift „Stolz statt Pride“
  • Bereits zwei Wochen vor dem durch die Correctiv-Recherche bundesweit bekannt gewordenen Potsdamer ‚Remigrations’-Treffen fand am 11. November 2023 eine ähnliche Veranstaltung mit Martin Sellner im bayerischen Dasing (Landkreis Aichach-Friedberg) statt. Eingeladen hatte die Gruppe ‚Reconquista 21’, die mit der ‚Identitären Bewegung Schwaben’ identisch ist. Sellner erläuterte bei dem gut besuchten Treffen seine durch die Correctiv-Veröffentlichung bekannt gewordenen Pläne einer umfassenden Deportation von Teilen der Bevölkerung. Bei der Veranstaltung waren auch AfD Funktionäre und zwei Landtagsabgeordnete, Franz Schmid und Daniel Halemba, anwesend. Schmid posierte auf Fotos von der Veranstaltung mit einem Shirt der ‚Identitären Bewegung‘. 
  • Mit Benjamin Nolte steht ein weiterer Landtagsabgeordneter der AfD für die strategische Vernetzung mit dem rechtsextremen ‚Vorfeld’ der Partei. Nolte gilt als wichtiger Protagonist des völkischen Flügels in Bayern. Er hat am 4. Dezember 2023 zu einem ‚Bürgerdialog’ mit dem Titel „Junge Alternative und Vorfeld – Partner für die Partei” in sein Weilheimer Wahlkreisbüro eingeladen. Auf Fotos der Veranstaltung sind bekannte Aktive der ‚Identitären Bewegung’ in Bayern zu erkennen. 
  • Der Vernetzung mit dem rechtsextremen Vorfeld diente auch eine Veranstaltung ‚Rechte (Buch) Ecke’ am 15. Dezember 2023 in bayerischen Landtag. Der AfD-Abgeordnete Franz Schmid hatte an diesem Abend den rechtsextremen österreichischen Publizisten und Herausgeber des rechten Magazins ‚Info-Direkt’, Michael Scharfmüller, zu einem Vortrag über ‚alternative Medien’ eingeladen. Scharfmüller begann seine politische Karriere im neofaschistischen ‚Bund freier Jugend’ und gilt in Österreich als enger Vertrauter von Martin Sellner. ‚Info-Direkt’ ist die IB-Hauspostille in Österreich. Bei der Veranstaltung im Landtag waren dann auch zahlreiche Führungskader der IB aus Bayern und Schwaben anwesend. 
  • An den letzten beiden Landesparteitagen der AfD in Greding am 13./14. Mai 2023 und am 13./14. Januar 2024 beteiligten sich jeweils auch Aktivist:innen der ‚Identitären Bewegung’ und rechtsextreme Burschenschafter. Am 13. Januar 2024 kam es im Anschluss an den Parteitag zu einem rassistischen Flashmob von ca. 30 Personen in einer Gredinger Diskothek. Zu dem Lied „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino wurde lautstark die neonazistische Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gegrölt. An dem Mob, der hauptsächlich aus jüngeren Teilnehmenden des AfD-Parteitags bestanden haben soll, waren auch die beiden Landtagsabgeordneten Benjamin Nolte und Franz Schmid beteiligt.   

3. Weitere rechtsextreme Organisationen und Parteien 

  • Identitäre Bewegung:  
    Durch ihre enge Verbindung zur AfD und insbesondere zur Jungen Alternative sowie durch die mediale Aufmerksamkeit um das Potsdamer ‚Geheimtreffen‘ mit Martin Sellner hat auch die Identitäre Bewegung in Bayern an politischer Bedeutung und Sichtbarkeit gewonnen. Bereits zwei Wochen vor dem Potsdamer Treffen hat die IB in Dasing (LK Aichach/Friedberg) am 11.November 2023 einen sog. ‚Schwabenkongress‘ veranstaltet, bei dem Martin Sellner seinen Plan zur ‚Remigration‘ vorstellen konnte. Nach einer coronabedingten Pause 2020 und 2021 haben die Aktivitäten der IB in den vergangenen zwei Jahren wieder stark zugenommen. Zahlreiche Banneraktionen wurden gemeinsam mit rechten Burschenschaftern und Mitgliedern der Jungen Alternative durchgeführt (s.o). Dabei hat die IB einen Strategiewechsel vollzogen und tritt nicht mehr unter ihrem eigenen Namen auf, sondern unter dem Label einer Vielzahl scheinbar autonomer regionaler Gruppen wie ‚Lederhosen Revolte‘, ‚Oberpfalz Revolte‘, ‚Bollwerk Franken‘ oder ‚Festung Ulm‘. Damit scheint sich die IB bereits auf ein drohendes Verbot vorzubereiten. Die IB hat im vergangenen Jahr vor allem mit provokativen Aktionen zum Christopher Street Day und gegen ein Drag-Queen-Lesung in München sowie durch eine direkte Aktion gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Peutenhausen auf sich aufmerksam gemacht. 

     

  • Rechtsextreme Burschenschaften: 
    Auch die rechten Burschenschaften in Bayern profitieren enorm von personellen Überschneidungen und engen politischen Verbindungen zur AfD und zur Jungen Alternative. So konnten auf Einladung des AfD-Abgeordneten Christoph Maier bereits zweimal sog. ‚Festkneipen‘ von Burschenschaftern im Landtag stattfinden. Bei der letzten Veranstaltung im Juni 2023 kann es dabei durch ein Mitglied der Danubia zu Drohungen gegen einen anwesenden Journalisten. Außerdem zeigte ein weiterer Danube den in der rechtsextremen und rassistischen Szene beliebten ‚White Power Gruß‘. Beide Akteure arbeiten mittlerweile für den Landtagsabgeordneten Benjamin Nolte. In der Einstufung von Burschenschaften agieren bayerische Sicherheitsbehörden äußerst zurückhaltend. So werden gegenwärtig nur die ‚Aktivitas‘ von drei Burschenschaften als rechtsextrem eingestuft, nämlich der Danubia München, der Frankonia Erlangen und der Teutonia Würzburg. Die ‚Alten Herren‘ dieser Burschenschaften bleiben von der Beobachtung ausgenommen. Weitere ebenfalls im völkischen Dachverband ‚Deutsche Burschenschaften‘ organisierte Verbindungen werden nicht als rechtsextrem eingestuft. In der Regel erfolgt die Einstufung erst, nachdem es zu einem öffentlichen Skandal gekommen ist, wie bei der Teutonia Prag zu Würzburg, bei der anlässlich einer Durchsuchung umfangreiches Nazi-Propagandamaterial und ein komplettes Waffenarsenal sichergestellt wurde. Dadurch das der AfD MdL Daniel Halemba von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft betroffen ist, hat der Fall für große Aufmerksamkeit gesorgt. 

     

  • Der Dritte Weg: 
    Die Neonazi-Kaderpartei ‚Der Dritte Weg‘ hat sich in den vergangenen Jahren vor allem auf den Aufbau der Parteistrukturen konzentriert. Am 25. Juli 2020 wurde ein eigener Landesverband Bayern gegründet. Ein großer Erfolg im Ausbau der Strukturen war die Anmietung eines Partei- und Bürgerbüros in Schweinfurt. Bei der Eröffnung am 29.10.2022 waren hochrangige Parteifunktionäre wie der lange in Mittelfranken aktive Bundesvorsitzende Matthias Fischer und die bayerische Landesvorsitzende Jasmine Eisenhardt anwesend. Ein weiterer wichtiger Schritt im Ausbau der Parteistrukturen war die Gründung einer eigenen Jugendorganisation, der ‚Nationalrevolutionären Jugend‘ (NRJ). Die NRJ verfügt in Bayern über 30 Mitglieder. Mit der Gründung der NRJ hat der ‚Dritte Weg‘ seine Bemühungen um die Rekrutierung junger Mitglieder verstärkt und professionalisiert. Die Fähigkeit des ‚Dritten Wegs‘, zu größeren Demonstrationen zu mobilisieren, hat in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen. So nahmen an dem traditionellen jährlichen Aufmarsch zum ‚Heldengedenken‘ im oberfränkischen Wunsiedel am 12.11.2022 nur noch 120 Personen teil. Im Jahr 2023 wurde dann erstmals auf die Durchführung dieser zentralen und fest etablierten Demonstration verzichtet. Die Absage des jährlichen ‚Heldengedenkens‘ in Wunsiedel kann als politische Niederlage des ‚Dritten Wegs‘ gewertet werden.  

     

  • NPD bzw. ‚Die Heimat‘: 
    Im Juli 2019 beantragten dann Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den Ausschluss der NPD von der staatlichen Parteienfinanzierung. Am 23. Januar 2024 traf das Verfassungsgericht die Entscheidung, die Partei ‚Die Heimat’ als Nachfolgeorganisation der NPD für sechs Jahre von der Parteienfinanzierung auszuschließen, da sie die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und ihre Ersetzung durch einen ‚autoritären Staat’ anstrebt. Das Urteil gilt auch im Hinblick auf mögliche rechtliche Schritte gegen die AfD und ihre Jugendorganisation ‚Junge Alternative’ als richtungsweisend. Auf ihrem Bundesparteitag am 3. Juni 2023 in Riesa (Sachsen) hat sich die NPD nach einer jahrelangen parteiinternen Auseinandersetzung in ‚Die Heimat’ umbenannt und eine neue strategische Ausrichtung der Partei beschlossen. ‚Die Heimat’ versteht sich als ‚Anti-Parteien-Bewegung' und als ‚Sammlungsbewegung’ für die neuen seit der Coronakrise entstandenen rechtsoffenen Protestbewegungen. Auch der am 06. Juni 2022 neu gewählte bayerische Landesvorsitzende der NPD, Rainer Hatz, stellte sich hinter die strategische Neuausrichtung und Umbenennung der Partei. So hat die bayerische NPD bereits im September 2022 ihre Social-Media-Profile auf Facebook, Instagram und Telegram in ‚Heimat Bayern’ und ‚Heimat Franken’ umbenannt. Im Oktober 2022 führte die NPD dann zwei Aktionen vor GRÜNEN-Parteibüros in Ansbach und Nürnberg (Motto: „Grün muss weg”) unter dem Namen ‚Die Heimat’ durch. 

     

  • Reichsbürger: 
    Das Personenpotenzial der sogenannten ‚Reichsbürger‘- und ‚Selbstverwalter-Szene‘ ist in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich gewachsen. Während die Sicherheitsbehörden zum Stichtag 31.12.2019 noch 3.921 Personen zum Spektrum der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ zählten, waren es zum Jahresende 2023 bereits 5.406 Personen. Dieses dynamische Wachstum dürfte die Szene vor allem der Protestbewegung gegen die staatlichen Coronamaßnahmen verdanken. Zum gewaltorientierten Teil der Szene werden von den Sicherheitsbehörden aktuell rund 500 Personen gerechnet. Die in den vergangenen zwei Jahren aufgedeckten Putsch- und Attentatspläne von Gruppierungen, die den Reichsbürgern nahestehen (‚Patriotische Union’ um Prinz Reuß, ‚Vereinte Patrioten’, militante Gruppe in Neumarkt/Oberpfalz), zeigen wie ernst diese Gewaltbereitschaft genommen werden muss. ‚Reichsbürger‘ bewaffnen sich systematisch und planen terroristische Aktionen wie Sprengstoffanschläge auf die kritische Infrastruktur oder gegen prominente Politiker:innen. Mit ihrer Ablehnung des demokratischen Systems, der Negation der staatlichen Verfassung der Bundesrepublik, dem Ziel einer Wiederherstellung eines ‚Deutschen Reichs‘ und dem virulenten Antisemitismus, muss die Szene der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ als originär rechtsextreme Bewegung betrachtet werden. Die Sicherheitsbehörden weigern sich jedoch bisher, die ‚Reichsbürger‘ als rechtsextreme Bestrebung zu verorten.  

    ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘ haben in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Veranstaltungen, Seminare, Treffen und Kongresse in Bayern durchgeführt. Besondere Bedeutung kommt dabei dem „3. Zukunftskongress Deutschland“ zu, welcher vom 17.11. bis zum 19.11.2023 in Wemding stattfand. Dort diskutierten bekannte Ideologen der Szene und ‚Reichsbürger’ aus dem gesamten Bundesgebiet und darüber hinaus über „Wege in das Deutsche Reich“. Zu den Referent:innen des Kongresses gehörten auch Personen mit Verbindungen zu den terroristischen Gruppierungen ‚Vereinte Patrioten‘ und ‚Patriotische Union‘ um Heinrich XIII. Prinz Reuß.  

    Im Jahr 2022 wurden insgesamt 798 Straf- und Gewalttaten sogenannter ‚Reichsbürger’ von den Strafverfolgungsbehörden registriert. Das bedeutet gegenüber dem Vorjahr 2021 (486) eine Steigerung um 65 Prozent. Hinzu kommen noch 207 Gewaltdelikte mit insgesamt 245 Opfern. Hier zeigt sich, dass die Corona-Pandemie in der ‚Reichsbürgerszene‘ einen enormen Radikalisierungs- und Mobilisierungsschub ausgelöst hat. Allein 415 Straf- und Gewalttaten aus dem Reichsbürger-Milieu richteten sich im Jahr 2022 gegen politische Amts- und Mandatsträger:innen. Damit gehen rund 40 Prozent aller Straftaten gegen Politiker:innen (insgesamt 1.081 in 2022) auf das Konto der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘. 

     

  • Graue Wölfe: 
    Zentraler Akteur des türkeistämmigen Rechtsextremismus ist die ‚Ülkücü‘-Bewegung. Bekannter als die Selbstbezeichnung ‚Ülkücüler‘ (= ‚Idealisten‘) ist der Begriff ‚Graue Wölfe‘. Das BayLfV geht von ca. 1.150 ‚Ülkücü‘-Anhänger:innen im Freistaat aus. Der ‚Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland‘ (ADÜTDF) werden um die 900 Anhänger:innen zugerechnet, der ‚Föderation der Weltordnung in Europa‘ (ANF) ca. 50. Neben den Dachverbänden gibt es eine unorganisierte ‚Ülkücü‘-Szene, der rund 200 Personen zugehörig sein sollen. Als Hotspots der ‚Ülkücü‘-Bewegung werden die Ballungsräume München, Nürnberg und Augsburg genannt. ‚Graue Wölfe‘ fallen immer wieder durch gewaltsame Übergriffe und menschenfeindliche Hetze auf. Am 16. Mai 2020 wurde ein Kurde in Dortmund von einem vorbestraften ‚Ülkücü‘-Anhänger getötet. Auch türkische Regierungskritiker:innen und weitere ethnische und religiöse Minderheiten wie Armenier:innen und Alevit:innen gehören zu den Feindbildern. Queerfeindliche Kampagnen gehören inzwischen ebenso zum Repertoire wie ein tradierter Antisemitismus.  Die organisierte Teilnahme von ‚Ülkücü‘-Anhänger:innen an antiisraelischen Demonstrationen in Bayern nach dem Terrorangriff der Hamas 2023 wurde von den Behörden leider nicht systematisch erfasst. Im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2024 kam es auch in Nürnberg nach Spielen der türkischen Mannschaft zu Vorfällen mit nationalistischem Hintergrund. Am 22. Juni musste die Polizei nach verbalen Auseinandersetzungen Platzverweise aussprechen, am 6. Juli war der ‚Wolfsgruß‘, ein wichtiges Erkennungssymbol der ‚Ülkücü‘-Bewegung, omnipräsent. Dessen Zeigen ist in Deutschland anders als bspw. in Österreich nicht verboten.  
    Wir begrüßen, dass nach den skandalösen Vorfällen bei der EM verstärkt über ein Verbot der ‚Grauen Wölfe‘ diskutiert wird. Wir Landtags-Grüne hatten die Staatsregierung bereits im November 2020 aufgefordert (Drs.18/11624 Verbot der rechtsextremen Grauen Wölfe prüfen; www.bayern.landtag.de/www/ElanTextAblage_WP18/Drucksachen/Basisdrucksachen/0000007500/0000007538.pdf), sich auf Bundesebene für ein Verbot der rechtsextremen ‚Grauen Wölfe‘ einzusetzen und in Bayern darüber hinaus ein Verbot der in der ‚Idealisten‘-Bewegung organisierten ‚Kultur- und Idealistenvereine‘ zu prüfen. Joachim Herrmann, Staatsminister des Innern, teilte der Presse im April 2023 mit, dass die Aktivitäten der ‚Grauen Wölfe‘ seiner Ansicht nach Anlass für ein Verbot gäben. Konkrete Schritte zur Bekämpfung des türkischen Rechtsextremismus in Bayern lassen allerdings auf sich warten. 

4. Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Straf- und Gewalttaten und Hasskriminalität 

  • Rechtsextremistische Straftaten: deutlicher Rückgang ist erklärungsbedürftig 
    Mit 476 Delikten ist die Zahl der rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten im Jahr 2023 weiter gesunken. Im Jahr 2022 wurden noch 762 rechtsextreme Delikte registriert. Im Jahr 2021 waren es sogar 1.693 Straftaten. Dieser starke Rückgang der offiziell in Bayern erfassten rechten Straftaten könnte auch daran liegen, dass zusätzlich zu der Erfassung in der bundesweiten Statistik politisch motivierter Kriminalität rechts (PMK-rechts) in Bayern noch ein Extremismus-Merker des Landesamtes für Verfassungsschutzes hinzukommen muss, damit die Taten tatsächlich auch als extremistisch, also gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet, gelten.

    Hier ist eine deutliche Diskrepanz von den Zahlen Bund für Bayern (PMK rechts) und Bund für Bayern mit Extremismus-Merker (PMK rechts-extremistisch) zu sehen. Die Zahlen der PMK rechts steigen, die Zahlen der PMK rechts-extremistisch sinken überdurchschnittlich. Wir Grüne sehen hier eine Auffälligkeit, die erklräungsbedürftig ist und wir werden hier auf Klärung dringen. Denn diese Ungereimtheiten und die unterschiedlichen Herangehensweisen der Länder unterstreichen mal wieder den Fakt, dass das PMK-System reformbedürftig ist. Wir werden demnächst einen Vorschlag zur Reform der Erfassung politisch motivierter Straftaten machen hier im Bayerischen Landtag machen. 

     

  • Gleichzeitiger Anstieg rechtsextremer Gewalttaten  
    2023 wurden offiziell 52 rechtsextreme Gewaltdelikte registriert. Darunter so schwere Delikte wie der Brandanschlag auf eine Synagoge im oberfränkischen Ermreuth oder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Marklkofen/Niederbayern und Wassertrüdingen/Oberpfalz. In Nürnberg stach ein rechtsextremer Täter im Oktober unvermittelt auf sein Opfer ein. In München schubste im April ein rechtsextremer Täter sein Opfer vor einen stehenden Zug. In Neumarkt/Oberpfalz schoss ein rechtsextremer Täter mit einem Luftgewehr mehrfach auf den Balkon seiner Nachbarn. Im Jahr 2022 wurden nur 23 rechtsextreme Gewalttaten registriert. Die meisten Gewalttaten waren rassistisch (47) motiviert. Insgesamt wurden 2023 79 Personen Opfer rechter Gewalttaten. Damit ist die Zahl der Opfer gegenüber dem Vorjahr (45 Opfer) wieder deutlich gestiegen und liegt sogar noch über der Opferzahl des Jahres 2021 (75 Opfer), in dem es insgesamt 1.750 rechte Straftaten gab. 

    Die Zahl der in Bayern registrierten rechtsextremen Gewaltdelikte scheint aber ebenfalls deutlich zu niedrig angesetzt. Im Jahr 2023 wurden allein 168 Gewalttaten im Bereich der Hasskriminalität registriert (über 70 Prozent der Taten werden der PMK rechts zugeordnet).  Hier gibt es offensichtlich Widersprüche in der statistischen Erfassung der rechtsextremen Gewalttaten im Bund und in Bayern. Wir fordern von der Staatsregierung eine Aufklärung dieser unterschiedlichen Zahlen und Erfassungsmethoden! 
     
  • Rekordanstieg der Straftaten im Bereich der Hasskriminalität 
    Im Jahr 2023 wurden 1.867 Straftaten im Bereich der rassistisch, antisemitisch, homophob oder frauenfeindlich motivierten Hasskriminalität registriert. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2012. Mit 1.283 Delikten werden mehr als zwei Drittel dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Damit liegt die Zahl der rechtsextremen Delikte im Bereich der Hasskriminalität deutlich über den in Bayern registrierten rechtsextremen Straftaten in Bayern. Der höchste prozentuale Anstieg erfolgte allerdings im Bereich religiöser Ideologie. Der enorme Anstieg der Fallzahlen in diesem Bereich hat vor allem mit dem Antisemitismus zu tun, der in Folge des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 grassiert. Zu den registrierten Delikten im Bereich der Hasskriminalität gehören 168 Gewaltdelikte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg um 52 Gewaltdelikte (116 Delikte im Jahr 2022). In den meisten Fällen handelt es sich um Körperverletzung bzw. gefährliche Körperverletzung. Aber auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamt*innen, Raub und ein versuchter Mord gehören zu den Straftaten in diesem Feld. Über 70 Prozent der Gewalttaten werden dem rechtsextremen Bereich zugeordnet. Auch hier liegt die Zahl der rechtsextremen Delikte deutlich über den in Bayern als rechtsextrem registrierten Gewalttaten. 
     
  • Rassistische Straftaten gegen Geflüchtete und Migrant:innen steigen deutlich an 
    Die 1.682 Straftaten im Bereich der Hasskriminalität, die als rassistisch, ausländer- oder ‚fremdenfeindlich‘ erfasst werden, richteten sich gegen Migrant*innen, Geflüchtete, Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, aber auch Jüd*innen sowie jüdische Einrichtungen. Die Zahl dieser Straftaten ist damit gegenüber 1.073 Delikten im Jahr 2022 rasant angestiegen.  269 Straftaten richteten sich unmittelbar gegen Geflüchtete oder Menschen mit (vermutetem) Migrationshintergrund. Die Zahl der Straftaten gegen Unterkünfte von Geflüchteten ist deutlich angestiegen. Während im Jahr 2022 sechs Übergriffe auf Unterkünfte registriert wurden, waren es 2023 20 Angriffe. 171 Straftaten – darunter 13 Gewalttaten – im Bereich der Hasskriminalität gelten als antimuslimisch bzw. islamfeindlich motiviert. Damit hat sich die Zahl der islamfeindlichen Delikte im Jahr 2023 gegenüber dem Vorjahr, in dem 66 Straftaten erfasst wurden, mehr als verdoppelt. 

     

  • Antisemitische Straf- und Gewalttaten auf Rekordniveau 
    Die Zahl der antisemitischen Straftaten ist 2023 mit 589 Delikten – darunter 15 Gewaltdelikte - um rund 65 Prozent auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 358 antisemitische Straf- und Gewalttaten registriert. Der starke Anstieg der Delikte fand vor allem im letzten Quartal 2023 statt und ist zum überwiegenden Teil auf das Protestgeschehen nach dem Terror der Hamas auf Israel zurückzuführen. 341 Straftaten – darunter 10 Gewaltdelikte – werden dem rechtsextremen Täterkreis zugeordnet, 65 Taten fallen unter die Rubrik ‚sonstige Zuordnung‘, unter der sich vor allem Querdenker:innen, Reichsbürger:innen und Verschwörungsideolog:innen verbergen. Besonders stark gestiegen sind auch die Delikte im Bereich der ‚ausländischen‘ (52 Straftaten) bzw. ‚religiösen‘ Ideologie (124 Straftaten). Diese Entwicklung ist vor allem auf die zahlreichen antisemitischen Straftaten in Folge des Hamas-Terrors und der militärischen Reaktion Israels zurückzuführen. Niemals in den vergangenen 15 Jahren war die Zahl der in Bayern begangenen antisemitischen Straf- und Gewalttaten höher als im vergangenen Jahr. Unter den 589 antisemitischen Straftaten befinden sich auch 15 Gewaltdelikte. Überwiegend handelt es sich dabei um Fälle von (gefährlicher) Körperverletzung. Hinzu kommt ein Fall von schwerer Brandstiftung, bei dem ein rechtsextremer Täter am Neujahrstag 2023 versuchte, die Synagoge Ermreuth im Landkreis Forchheim in Brand zu setzen.  
     
  • Gefahren durch rechten Terror  
    Die Gefährdung durch rechten Terrorismus ist in Bayern und in der ganzen Bundesrepublik nach wie vor sehr hoch. Der rassistische Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München im Jahr 2016, der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019, der antisemitische, rassistische und frauenfeindliche Anschlag in Halle im selben Jahr sowie der rassistische Terror 2020 in Hanau beweisen dies auf schreckliche Weise. Allein 21 Menschen wurden im letzten Jahrzehnt bei rechtsextremen Anschlägen ermordet. Die bayerischen Sicherheitsbehörden halten die Bildung weiterer terroristischer Gruppen aus dem rechten Spektrum grundsätzlich für möglich. Eine besondere Gefährdung resultiert aus der hohen Affinität der rechten Szene zu Waffen und Sprengstoffen sowie der niedrigen Hemmschwelle beim Einsatz körperlicher Gewalt. Der Rechtsextremismus muss deshalb weiterhin als die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit in Bayern und Deutschland betrachtet werden. 
    Auch in Bayern existiert eine akute Bedrohung durch rechtsextremen Terrorismus. So wurden allein in den vergangenen Jahren etliche terroristische Gruppen mit Bezügen zu Bayern aufgedeckt und zerschlagen: 
  • im Februar 2020 wurde eine bundesweite rechte Terrorgruppe aus dem Milieu der rechtsextremen Bürgerwehren und Freikorps um den Augsburger Werner S. aufgedeckt und 13 mutmaßliche Mitglieder verhaftet; 
  • Ebenfalls im Februar 2020 wurde Fabian D., der damals 22-jährige Kopf der deutschen Sektion der neuen internationalen Terrorgruppe ‚Feuerkrieg Division‘, wegen der Vorbereitung von Anschlägen auf religiöse Einrichtungen im Landkreis Cham in der Oberpfalz in Haft genommen;   
  • Im September 2020 wurde Susanne G., eine langjährige Aktivistin der Partei ‚Der III. Weg‘, wegen der Vorbereitung von Anschlägen auf eine Moscheegemeinde, Lokalpolitiker*innen und Flüchtlingshelfer*innen in Fürth verhaftet; 
  • Im März 2022 wurde im Rahmen einer Durchsuchungswelle eine sechsköpfige bewaffnete Gruppe aus dem Milieu der Reichsbürger und Corona-Leugner in Neumarkt in der Oberpfalz enttarnt, die Anschläge auf Stromtrassen und kritische Infrastruktur geplant haben soll; Im April 2022 wurde die bundesweite terroristische Gruppierung ‚Vereinte Patrioten‘ aus dem Milieu der Reichsbürger und radikalen Corona-Leugner aufgedeckt und zunächst fünf ihrer Rädelsführer wegen der Vorbereitung von Anschlägen auf die kritische Infrastruktur und einer geplanten Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verhaftet; 
  • Im Oktober 2022 wurden dann weitere sechs mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung verhaftet, u.a. eine Person aus dem Milieu der Reichsbürger in Wolfratshausen. Zu der Gruppierung gehörten auch eine Person aus Landshut, bei der ein umfangreiches Waffenarsenal sichergestellt wurde, und der ehemalige KSK-Elitesoldat Peter W. aus dem Landkreis Bayreuth, der auch Verbindungen zur terroristischen Gruppierung um Prinz Reuß hatte; 
  • Im Dezember 2022 wird dann die Gruppierung ‚Patriotische Union‘ um den Anführer Heinrich XIII. Prinz Reuß enttarnt und 25 mutmaßliche Mitglieder verhaftet. Die Gruppierung aus dem Milieu der Reichsbürger und radikalen Verschwörungsideologen soll einen bewaffneten Umsturz, die Stürmung des Bundestages und die Ermordung von Politiker*innen geplant haben. Auch zu dieser Gruppierung gehören einige Verdächtige aus Bayern, bspw. der ehemalige Oberst der Bundeswehr Maximilian Eder und der bereits erwähnte Elitesoldat Peter W.; 
  • Im September 2023 hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser die militante, international vernetzte Skinheadvereinigung ‚Hammerskins Deutschland‘ und deren Vorfeldorganisation ‚Crew 38‘ verboten. Im Zuge der Umsetzung des Verbotes fanden Durchsuchungen in zehn Bundesländern statt – darunter auch mindestens drei Objekte in Franken in den Landkreisen Haßberge, Main-Spessart und Fürth – bei denen große Mengen Bargeld, Waffen, Tonträger und NS-Devotionalien sichergestellt wurden. Neben Sachsen und Bremen gilt Bayern als Hochburg der Hammerskins. 

     

  • Gefahren durch Waffenbesitz und untergetauchte Rechtsextremisten 
    Zum Stichtag 31.12.2023 waren insgesamt 33 bekannte Rechtsextremist*innen im Besitz einer Waffenerlaubnis. Diese Personen waren im Besitz von 96 legalen Schusswaffen. In diesem Bereich dürfte es jedoch eine großes Dunkelfeld geben. Außerdem kursieren in der rechten Szene in einem erheblichen Umfang illegal erworbene Waffen. Szeneakteur*innen sind zudem am Schmuggel von (Kriegs-)Waffen beteiligt. Dies zeigt sich immer wieder bei Durchsuchungen von Personen aus der rechtsextremen Szene, bei denen umfangreiche Waffendepots ausgehoben werden. 

    Die bedrohliche Lage zeigt sich auch in der hohen Zahl der untergetauchten Neonazis. In Bayern wurden zum Stichtag 31.12.2023 insgesamt 143 Rechtsextremist:innen per Haftbefehl gesucht. Insgesamt bestehen gegen diese Personen 179 offene Haftbefehle. Damit ist die Zahl der gesuchten Personen seit dem Jahr 2020 (97) um zwei Drittel gestiegen. Die große Zahl untergetauchter Neonazis und nicht vollstreckbarer Haftbefehle stellt eine erhebliche Bedrohung dar. Es ist davon auszugehen, dass viele Betroffene ihre politischen Aktivitäten auch aus der Illegalität heraus fortsetzen. Wie gefährlich dies ist, zeigte sich am ‚Nationalsozialistischen Untergrund’. Die Fahndung nach untergetauchten Rechtsextremisten muss deshalb dringend intensiviert werden. Offene Haftbefehle müssen vollstreckt und verhängte Freiheitsstrafen auch vollzogen werden. 

    Trotz der zahlreichen Verfahren gegen rechtsextreme Terrorgruppen und ‚Einzeltäter:innen‘ in den vergangenen Jahren wurden 2023 in Bayern nur 8 Personen als ‚rechtsextreme Gefährder:innen‘ eingestuft, denen auch schwere terroristische Gewalttaten zugetraut werden. Weitere 19 Personen werden 2023 von den Sicherheitsbehörden als ‚relevante Personen‘ eingestuft, bei denen zumindest Unterstützungshandlungen bei terroristischen Gewalttaten für möglich gehalten werden. Zum Vergleich: 2023 gab es in Bayern mit 31 Personen viermal so viele islamistische Gefährder. 
     

  • Straf- und Gewalttaten gegen Amts- und Mandatsträger:innen 
    Die Angriffe gegen Politiker:innen und politische Repräsentant:innen in Bayern bewegen sich auch in den Jahren 2022 und 2023 auf einem enorm hohen Niveau, auch wenn sie gegenüber dem Rekordjahr 2021 um rund ein Drittel zurückgegangen sind. So wurden 2022 insgesamt 1.081 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger:innen (2021: 1.575) registriert. Nahezu sämtliche Delikte (1.026) werden dem PMK-Bereich ‚sonstige Zuordnung‘ zugeschrieben. Hierbei handelt es sich überwiegend um die neuen Protestbewegungen in Folge der Coronapandemie und um Straftaten aus dem Milieu der sog. ‚Reichsbürger‘. Der Rückgang 2022 dürfte vor allem mit dem Abflauen der Corona-Proteste zu erklären sein. Im Jahr 2023 bleibt es bei einer annähernd gleichhohen Zahl von 1.013 Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger:innen. Auch werden über 90 Prozent der Taten der Rubrik ‘Sonstiges’ zugeordnet. Während dies einen leichten Rückgang bedeutet, stiegen die dem PMK-Bereich ‚rechts‘ erfassten Straftaten von 35 im Jahr 2022 auf 50 im Jahr 2023. 

    Betrachtet man die Gesamtanzahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger*innen sowie die Anzahl der Gewaltdelikte über den mittleren Zeitverlauf von fünf Jahren ist eine alarmierende Entwicklung festzustellen, die ein demokratiegefährdendes Niveau erreicht hat. So hat sich die Anzahl der Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger:innen gegenüber 2019 (245) mehr als vervierfacht und die Anzahl der 122 Gewaltdelikte hat sich im Vergleich zu 2019 (24 Gewaltdelikte) im Jahr 2022 verfünffacht. Im Jahr 2023 wurden dann nur noch 55 Gewalttaten registriert.  

    Im Jahr 2022 wurden allein 424 von 1.081 Straftaten gegen politische Amts- und Mandatsträger*innen der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter zugeordnet. 2022 hat es also einen enormen Mobilisierungs- und Radikalisierungsschub in diesem Milieu gegeben. Dies äußerte sich u. a. auch in verschiedenen bekannt gewordenen Attentats- und Putschplänen von Gruppen aus der Reichsbürgerszene. Im Jahr 2023 wurden es immer noch 214 von 1.013 Straftaten gegen Politiker*innen den Reichsbürgern zugeordnet. 

    Im Landtagswahlkampf 2023 kam es ebenfalls zu einer erschreckend hohen Zahl an Straftaten. So wurden allein rund 700 Sachbeschädigungen an Wahlkampfmaterialien angezeigt. Hauptbetroffen waren wir GRÜNE. Auch die Angriffe gegen Parteieinrichtungen richteten sich vor allem gegen GRÜNEN-Partei- und Abgeordnetenbüros.