Energie | Klima
2. Lesung des „Bürgerenergiebeteiligungsgesetz“
10. Dezember 2024
Gesetz für eine unabhängige, saubere und bezahlbare Energieversorgung
Am morgigen Mittwoch ist im Plenum die 2. Lesung des „Bürgerenergiebeteiligungsgesetz“ der Landtags-Grünen.
Darum geht’s:
Das Gesetz soll dabei unterstützen, eine unabhängige, saubere und bezahlbare Energieversorgung für die Menschen in Bayern zu sichern und diese auch finanziell zu beteiligen.
Zwar liegt inzwischen auch ein Entwurf der Staatsregierung für eine verpflichtende Bürgerbeteiligung vor. Aber dieser ist nach wie vor nicht ins Parlament eingebracht worden – obwohl es ursprünglich hieß, dass die Regelungen schon Anfang 2025 in Kraft treten sollen! Weit gefehlt. Ist dies wieder ein typisches Beispiel für Markus Söders Ankündigungs-Politik, der dann nur selten Taten folgen?
Zudem hat der Entwurf der Staatsregierung deutliche Schwächen. Beispiel: Zwar hat die Staatsregierung in ihrem Entwurf eine langjährige Forderung der Landtags-Grünen übernommen, nämlich die Pflicht, eine Beteiligungsvereinbarung anzubieten. Aber: So, wie die Staatsregierung es plant, haben die Vorhabenträger keinerlei Anreiz, eine echte Bürgerbeteiligung zu planen beziehungsweise eine attraktive Beteiligungsvereinbarung mit passgenauen Maßnahmen für die Kommunen anzubieten.
Darüber hinaus stehen im Entwurf der Staatsregierung teils unklare Vorgaben, wie das Geld im Falle einer Beteiligungsvereinbarung verwendet werden darf: So sollen im Rahmen einer Ausgleichsabgabe Gemeinden dazu verpflichtet werden, die Einnahmen entweder für die Optimierung der Energiekosten oder des Energieverbrauchs der Einwohner*innen oder zur Senkung der Kosten und Abgaben der Einwohnerinnen und Einwohner für gemeindliche Leistungen einzusetzen. Hier muss man sich die Frage stellen: Inwiefern kann eine Gemeinde wirklich Einfluss auf die Energiekosten und den Energieverbrauch ihrer Einwohner*innen nehmen? Und inwiefern schränken diese Vorgaben die Gemeinde in ihrer Handlungsfreiheit ein? Sind etwa Investitionen in die Infrastruktur (wie beispielsweise eine Schwimmbadsanierung) mit diesen Vorgaben überhaupt noch möglich?
Die Landtags-Grünen halten solche Vorgaben für problematisch.
Die Grünen fordern stattdessen, dass die Kommunen eigenständig entscheiden dürfen sollen, was sie mit den Einnahmen machen (ob sie sie beispielsweise zur Schwimmbadsanierung oder für den Bau von Kinderspielplätzen oder Turnhallen etc. verwenden). Der Entwurf der Landtags-Grünen gibt den Gemeinden viel größere Handlungsfreiheit und sorgt dafür, dass die Einnahmen wirklich bei den Menschen ankommen.
Dank zahlreicher Verbesserungen der jüngsten Bundesregierung, wie etwa dem Wind-an-Land-Gesetz, dem Solarpaket und der umfassenden Reform des EEGs, schreitet der Ausbau der Erneuerbaren Energien deutschlandweit zwar bereits rasant voran. In Bayern jedoch herrscht weiterhin enorm Aufholbedarf, da nur die Hälfte des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien stammt und insbesondere der Windkraftausbau nach 10 H praktisch neu gestartet werden muss.
Die Söder-Regierung verharrt immer noch in ihrem alten Denken. Auf Dauer gefährdet sie so die Energiesicherheit in Bayern und sorgt für Standortnachteile für unseren Wirtschaftsstandort.
Diesen Zustand wollen die Landtags-Grünen ändern! Ein wichtiger Schritt dafür ist, langfristig die Akzeptanz von Wind- und Sonnenenergie zu sichern – und zwar bei jenen Personen und Kommunen, die sich in unmittelbarer Nähe von geplanten Windenergie- oder Photovoltaik-Freiflächenanlagen befinden. Dafür wollen die Landtags-Grünen Menschen und Gemeinden vor Ort an den Einnahmen durch Windräder und großen Freiflächen-Photovoltaikanlagen beteiligen. An etlichen Orten in Bayern gibt es bereits lokale Erfolgsgeschichten – die Grünen wollen daraus ein flächendeckendes Phänomen machen.
Der Entwurf der Landtags-Grünen für ein Bürgerenergiebeteiligungsgesetz stellt sicher, dass alle Anlieger*innen eine Möglichkeit der Beteiligung erhalten. Gleichzeitig sorgt es für Wertschöpfung vor Ort. Erfolgreiche Projekte mit einer starken Bürgerbeteiligung werden mit diesem Gesetz zukünftig die Regel.
Das Herzstück des Grünen-Bürgerenergiebeteiligungsgesetzes sieht vor:
- Frühzeitige Information der Kommune durch Vorhabenträger*in bei einer neuen Freiflächen-Photovoltaikanlage größer als ein Megawatt oder einem neuen Windrad.
- Vorhabenträger und Kommune sollen eine Beteiligungsvereinbarung abschließen, in der sie selbst die Form der Beteiligung auswählen und festlegen können.
- Eine Ersatzbeteiligung für den Fall, dass sich der Vorhabenträger nicht mit der Kommune einigt, in Höhe von 0,3 Cent/kwh an die Kommune und zusätzlich die Angebotspflicht eines Nachrangdarlehens in Höhe von 20 Prozent des Investitionsvolumens.
- Eine Transparenzplattform ermöglicht den Kommunen, sich über Beteiligungen und bereits abgeschlossene Beteiligungsvereinbarungen zu informieren.
Von vergünstigten Stromtarifen bis Beteiligung an Projektgesellschaft – alles ist möglich
Kommunen und Vorhabenträger*in sind dazu angehalten, eine Beteiligungsvereinbarung abzuschließen. Im Rahmen dieser wird den Akteuren ein großer Handlungsspielraum gewährt. Sowohl den Kreis der Beteiligten als auch die Form der Beteiligung können die Gemeinden und Projektträger*in selbst festlegen. So kann eine Beteiligungsvereinbarung vergünstigte Stromtarife, Direktzahlungen an Anlieger*innen oder Gemeinden oder eine Beteiligung von Bürger*innen an der Projektgesellschaft vorsehen. Durch diesen großen Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung wird sichergestellt, dass für jede Kommune eine optimale Lösung gefunden werden kann.
Ein verbindliches, bürokratiearmes Gesetz
Die durch das Gesetz gewährte Flexibilität stellt sicher, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht durch unnötige bürokratische Auflagen eingebremst wird. Eine Ersatzbeteiligung soll demnach nur in Ausnahmefällen greifen.
Ein gemeinsames Vorgehen von Kommune, Projektierer*innen und Bürger*innen vor Ort soll die Regel werden. Eine Ersatzbeteiligung, welche die Zahlung von 0,3 Cent/kwh an die Kommune sowie ein Nachrangdarlehen vorsieht, soll den Vorhabenträger*innen einen Anreiz setzen, eine Vereinbarung mit der Gemeinde vor Ort zu treffen. Somit wird ein verbindlicher, bürokratiearmer Rahmen geschaffen, der allen Beteiligten maximalen Spielraum lässt.
Die Verhandlungsposition der Kommunen stärken
Durch dieses Gesetz wird die Verhandlungsposition der Kommunen in ganz Bayern gegenüber Vorhabenträger*innen gestärkt. Mithilfe einer Transparenzplattform können sich die Gemeinden über Beteiligungsmodelle und Best-Practice-Beispiele informieren. Die Beteiligung der Menschen und Kommunen an der Wertschöpfung durch erneuerbare Energieerzeugung vor Ort wird damit in alle Regionen Bayerns gebracht.
Hand in Hand mit Praktiker*innen zur besten Lösung für Bayern
Um die verschiedenen Interessen zu berücksichtigen, haben die Grünen Bürgerenergiegesellschaften sowie die Erneuerbare-Energien-Branche an der Entstehung des Gesetzentwurfs beteiligt. Zu einer Anhörung im Landtag am 02.07.2024 wurden 260 Personen eingeladen, und so fand eine breite Beteiligung von Aktiven aus dem Bereich Energiegenossenschaften und Projektentwicklung statt. Zahlreiche Vorschläge wurden in den finalen Entwurf aufgenommen. So wurde zum Beispiel der Kreis der Beteiligungsberechtigten geöffnet. Eine feste Größe von z.B. 2,5 Kilometern rund um die geplante Anlage ist in dichtbesiedelten Gebieten zu hoch, dagegen in dünn besiedelten Landkreisen zu gering. Deshalb wurde nun festgelegt, dass der oder die Vorhabenträger*in mit der Standortkommune dies frei festlegen und den örtlichen Gegebenheiten anpassen kann. Zudem wurde nach Rückmeldung der Teilnehmer*innen im Gesetz festgehalten, dass von den zu zahlenden 0,3 Cent/kwh 0,2 Cent/kwh nach EEG geleistet werden kann und somit sozusagen von der Bundesnetzagentur gezahlt wird. Zusätzlich sind dann aber nochmal 0,1 Cent/kwh zu leisten, damit die Ersatzbeteiligung nicht gegenüber der Beteiligungsvereinbarung bevorzugt wird. Diese Klarstellung war insbesondere den Projektier*innen wichtig.
Alleinstellungsmerkmal für Bayern
Es gibt ein erfolgreiches Beispiel für ein Windkraft-Beteiligungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Grünen-Bürgerenergiebeteiligungsgesetz wird bundesweit ein Alleinstellungsmerkmal für Bayern geschaffen: Erstmals fasst ein Bundesland die Beteiligungsvereinbarungen weiter und schließt auch Sonnenenergie ein. Zudem sind die zahlreichen Vorschläge der Kommunen und Genossenschaften, die in den Entwurf Eingang gefunden haben, hervorzuheben – hier liegt ein Gesetz vor, das bereits jetzt auf breiter Unterstützung fußt und eine sehr hohe Flexibilität z.B. durch den Verzicht auf pauschale Abstandsfestlegungen für Beteiligungen aufweist. (Siehe dazu auch unten auch die Stellungnahme* des neben anderen am Entstehungsprozess beteiligten Bündnis Bürgerenergie.)
Martin Stümpfig, Sprecher für Energie und Klimaschutz der Landtags-Grünen, sagt:
„Von der Energiewende können alle profitieren, wenn man es nur richtig anpackt. Vielerorts in Bayern machen es engagierte und mutige Bürgerinnen und Bürger bereits vor. Es ist nun Aufgabe der Politik, für alle Chancen zu schaffen, um mit unbegrenzten Rohstoffen wie Wind und Sonne Geld zu verdienen und die Energieversorgung passgenau nach den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen in Bayern zu gestalten. Denn Klimaschutz lohnt sich – ganz konkret im Geldbeutel von jeder und jedem Einzelnen. Es ist diese Botschaft, die eine verantwortungsvolle Staatsregierung endlich aussenden muss.”
„Gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern legen wir Grüne ein bürokratiearmes Gesetz vor, mit dem eine echte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Energiewende in Bayern die Regel wird. Die Akzeptanz für den Ausbau der Erneuerbaren Energien wird damit langfristig gesichert und wir stärken die Verhandlungsposition unserer Kommunen und Bürgerenergiegesellschaften.“
*Stellungnahme des Bündnis Bürgerenergie zum Grünen-Gesetz:
Ein Schritt zur Stärkung der Energiewende in Bayern
Die Beteiligung der Bürger*innen an Transformationsprozessen ist entscheidend für die Akzeptanz und den Erfolg der Energiewende. Dies gilt insbesondere für Projekte wie Windparks und Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Das Bündnis Bürgerenergie setzt sich daher für flexible Beteiligungsgesetze ein und bewertet aktive Bürgerbeteiligung als Goldstandard, der die Identifikation und Akzeptanz in der Bevölkerung steigert. Viele Energiegenossenschaften in Bayern machen es bereits vor: Sie bieten Bürger*innen und Kommunen direkte und aktive Beteiligungsmöglichkeiten sowie die Berücksichtigung regional passender Beteiligungsvereinbarungen.
Diese Praxis zeigt, dass eine breite Einbindung der Bevölkerung nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich ist. Ein bayerisches Bürgerbeteiligungsgesetz, das unbürokratisch umgesetzt wird und die Expertise von Fachleuten berücksichtigt, könnte die Energiewende in Bayern maßgeblich voranbringen. Durch höhere Akzeptanz und Beteiligung der Bürger*innen wird ein solches Gesetz die Umsetzung von Energieprojekten erleichtern und beschleunigen.