Energie | Klima
Grüner Stromgipfel für Bayern
Strommarkt und Strominfrastruktur – welche politischen Rahmenbedingungen braucht die Energiewende?
30. November 2021
Die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien, ist die Grundlage für einen wirksamen Klimaschutz. Sie ist das Kernstück einer großen Transformation hin zu einer klimaverträglichen und nachhaltigen Wirtschaft. Deshalb sind wir Grüne im Rahmen unseres Stromgipfels im November 2021 mit Vertreter*innen verschiedener Interessensverbände in Dialog getreten. Um die Gruppe diskussionsfähig zu halten, haben wir uns bewusst für eine Auswahl an Organisationen entschieden, die ein bestimmtes Spektrum an Themen abdecken – wohl wissend, dass wir dabei nicht alle erfassen können.
Von der Seite der Stromversorger*innen haben wir die Vereinigung der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), den Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), die Stadtwerke München (SWM) und den Landesverband Erneuerbare Energien (LEE Bayern) eingeladen. Als Vertreter der Netzbetreiber war das Bayernwerk anwesend. Den Bereich der stromverbrauchenden Wirtschaft repräsentierten die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), die Industrie- und Handelskammer Oberbayern (IHK) und die Audi AG. Als Sprachrohr der Beschäftigten wurde die IG Metall eingeladen. Die Umweltbewegung wurde durch den Bund Naturschutz in Bayern (BN) und Fridays for future vertreten.
Die Vorträge der Gäste und die anschließende Diskussion sollten einen ehrlichen Austausch über die großen Baustellen der Energiewende und die notwendigen Handlungsschritte ermöglichen.
Die Grüne Bundestagsabgeordnete Frau Dr. Julia Verlinden, die dem Gipfel zu Beginn digital zugeschaltet wurde, stellte klar: „Die Zeit des Bremsens und des Zauderns ist vorbei.“ Der Koalitionsvertag bietet eine gute Grundlage, den künftig erhöhten Strombedarf mit erneuerbaren Energien (EE) zu decken. Um bereits im Jahr 2030 80 Prozent des Stroms aus EE zu beziehen, müssen alle, vor allem die Länder, ihre Verantwortung ernst nehmen.
Viel Konsens trotz unterschiedlicher Interessen
Unter der Leitfrage: „Welche konkreten Handlungsmöglichkeiten sehen Sie auf der Ebene des Freistaats Bayern in den Bereichen Stromerzeugung, Strominfrastruktur und Stromnutzung im Hinblick auf die Transformation zu einer ökologischen, sozial verträglichen und volkswirtschaftlich sinnvollen Elektrizitätsversorgung?“ konnten alle Teilnehmenden reihum ihre Ansätze darstellen.
Großen Konsens gab es bei allen Teilnehmer*innen für die Bedeutung der Akzeptanz in der Bevölkerung für die Energiewende. Nur durch Akzeptanz würden die Pläne der Bundesregierung auch umgesetzt werden können. Um die Zustimmung der Menschen zu gewinnen, spiele die Politik eine entscheidende Rolle. Es komme darauf an, dass die Politik einheitlich und auf allen Ebenen die Energiewende und die damit verbundenen Projekte unterstützt. Es wäre kontraproduktiv, wenn man sich im Landtag für Windkraft und Netzausbau ausspreche, dann aber einzelne Abgeordnete, Parteigliederungen oder Bürgermeister*innen (übrigens aller Parteien!) sich konkreten Vorhaben entgegenstellen würden.
Eindeutig fiel auch das Bekenntnis zur Windkraft in Bayern und zur Abschaffung der 10H-Regelung, die viele Windräder verhindert, aus. Die Forderung, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie auszuweisen, traf ebenfalls auf allgemeine Zustimmung.
Auch der Netzausbau, sowohl auf der Verteilebene als auch beim Übertragungsnetz, wurde unisono als eine Achillesferse der Energiewendepläne gesehen. Besonders im Verteilnetz seien die „freien Kapazitäten“ aus früheren Zeiten weitgehend aufgebraucht und werden Verstärkungs- und Ausbaumaßnahmen in erheblichem Umfang notwendig machen.
Ebenfalls weitgehend einig war man sich dabei, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssten. Dazu müsse vor allem das Personal in den Genehmigungsbehörden aufgestockt werden. Auch eine stärkere Standardisierung der Verfahren wurde angeregt.
Es wurde betont, dass Energiewende und Naturschutz grundsätzlich vereinbar sein können. Wie genau dies gelingen könnte, wurde jedoch kontrovers diskutiert. Als großes Problem der Energiewende wurde – wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen – der Fachkräftemangel identifiziert. So fehlten beim Ausbau der Photovoltaik, deren Netzanschluss und dem Netzausbau z.B. Elektrotechniker. Hier brauche es offensichtlich noch mehr Initiativen von verschiedenen Seiten, um den Fachkräftemangel zu beheben.
Der Neubau von Gaskraftwerken war grundsätzlich unstrittig, jedoch gab es unterschiedliche Vorstellungen über den Umfang des Zubaus und darüber, wie lange die „Übergangstechnologie“ eingesetzt werden solle. Auch die Frage nach der Flexibilität auf der Stromnutzungsseite konnte nicht einheitlich beantwortet werden: Muss wirklich Strom in beliebiger Menge jederzeit an jedem Ort kostengünstig zur Verfügung stehen?
Der energie- und klimapolitische Sprecher der Fraktion Martin Stümpfig und der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann waren mit dem Ergebnis des Grünen Stromgipfels sehr zufrieden. „Es ist wichtig, dass wir in diesem Transformationsprozess im Dialog bleiben. Denn nur gemeinsam können wir die Energiewende in Bayern erfolgreich umsetzen und damit unsere Wirtschaft zukunftsfähig aufstellen," erklärte Ludwig Hartmann nach der Veranstaltung.
Martin Stümpfig resümierte: „Auch nach der Veranstaltung kann ich sagen, dass der Stromgipfel ein guter Auftakt war, um auch in Bayern konkrete Hindernisse der Energiewende gemeinsam anzugehen. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, dass Bayern den Anschluss bei der Energiewende nicht noch mehr verliert.“