Energie | Klima
„Söders Werben um tschechischen Atomstrom ist das reinste Fiasko“
09. Dezember 2024
Kooperation bei Erneuerbaren Energien, statt Pläne voranzutreiben, die Bayerns Grenzregion gefährden
Das Werben von Ministerpräsident Söder um Atomstrom aus Tschechien kommentieren Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, und Martin Stümpfig, Sprecher für Energie:
„Markus Söder ist auf Irrfahrt in die energiepolitische Vergangenheit. Für Bayern ist sein Werben um tschechischen Atomstrom das reinste Fiasko. Allein in diesem Jahr gab es mindestens vier gravierende Zwischenfälle im AKW Temelin. Zeitweise wurde ein Reaktorblock tagelang vom Netz genommen. Das ist ein enormes Sicherheitsproblem auch für die Menschen in Bayern. Trotzdem unterstützt Söder Tschechiens Atomkurs und gefährdet damit die Menschen im Freistaat. Denn wo kommt der Atommüll Tschechiens hin? Nach aktuellen Plänen in die Nähe der bayerischen Grenze!
Statt das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Technologien von gestern zu versenken, sollte der Ministerpräsident in die Förderung von Erneuerbaren Energien, neuen Netzen und Speichern investieren.“
„Der Sicherheitslevel unserer Bevölkerung ist für Markus Söder anscheinend zweitrangig. Anstatt endlich eine Kooperation bei Erneuerbaren Energien mit Tschechien zu starten, will er die gefährlichen und hochriskanten Atompläne des Nachbarlandes noch antreiben. Ein Atomkraftwerk in Temelin ist im Falle eines größeren Unfalls eine massive Gefährdung für Leib, Leben und Eigentum – weit über den ostbayerischen Raum hinaus.
Dazu kommt: Tschechien hat die Energiewende verschlafen, es hängt immer noch zu 75 Prozent an Braunkohle und Atom. Das ist ökologisch und auch ökonomisch für das Land ein immer größeres Problem. Die Lösung ist die Umstellung auf erneuerbare Energien. Für die Weichenstellung auf diesem Weg sollten wir dem Nachbarland Hilfe anbieten – nicht für seine hochgefährlichen und finanziell aberwitzigen Atomkraftpläne.“
Hintergrund:
Die Ankündigung, dass Tschechien nun Angebote für vier neue Atomkraftwerke einholen will, kam für viele überraschend. Insbesondere, dass zwei neue Reaktoren in Temelin vorgesehen sind, hat die Besorgnis in den westlichen Nachbarländern steigen lassen.
Noch ist es nur die Einholung von Angeboten für vier Atomkraftwerke und eine Absichtserklärung über die möglichen Standorte. Trotzdem sind natürlich die Sorgen insbesondere in Ostbayern mehr als berechtigt. Tschechische Politiker weisen aber deutlich darauf hin, dass es noch vollkommen offen sei, wie viele Reaktoren dann tatsächlich bestellt werden würden.
Tschechien ist energiepolitisch in einer sehr schwierigen Situation. Einerseits besteht noch historisch eine starke Abhängigkeit von russischen Energielieferungen, andererseits basiert die Stromversorgung neben den bereits bestehenden AKW zu einem großen Teil auf der Verstromung tschechischer Braunkohle. Angesichts der klimapolitischen Herausforderungen sind – trotz allen Beharrungsvermögens – die Perspektiven für die Kohlewirtschaft in Tschechien eher kurzfristiger Natur. Erneuerbare Energien wurden in den vergangenen Jahren nur spärlich gefördert.
In seinem Atomkraftwahn blendet Söder sowohl die gefährlichen Risiken als auch die energiepolitischen Zusammenhänge aus. Offensichtlich sind die Zeiten vorbei, als sich die CSU noch ernsthaft um die Risikoreaktoren in Temelin Sorgen machte oder um das tschechische Endlager an der bayerisch-tschechischen Grenze. Und er glaubt weiterhin an das Märchen von den billigen Miniatomkraftwerken. Auch hat er offensichtlich nicht realisiert, dass sich nach Jahrzehnten des Stromimports aus Tschechien die Situation grundlegend geändert hat: Deutschland ist Nettoexporteur für Tschechien und Polen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/180862/umfrage/stromaustauschsaldo-deutschlands-nach-partnerlaendern/
Wer sich gründlich informiert sieht: Die Erneuerbaren Energien senken die Strompreise nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. So mussten in Frankreich dieses Jahr öfters Atomkraftwerke aus Rentabilitätsgründen abgeschaltet werden, weil der Strompreis zu niedrig war.