Energie | Klima
Staatsregierung ignoriert Gefährdungslage

03. April 2025
Antwort auf Grünen-Anfrage zu Atommüll-Zwischenlagern
In Bayerns Zwischenlagern befinden sich mehr als 3000 Tonnen hochradioaktiver Atommüll*, eines davon ist im niederbayerischen Niederaichbach bei Landshut. Obwohl Wissenschaftler und Verbände seit langem darauf hinweisen, dass die Sicherheit der Zwischenlager aufgrund der veränderten Gefährdungslage sowie der verlängerten Nutzungsdauer nicht mehr ausreichend gewährleistet ist, setzt sich die Bayerische Staatsregierung ganz offensichtlich nicht für einen besseren Schutz ein. „Dabei wäre dies wirklich dringend“, stellt Martin Stümpfig, Sprecher für Energie der Landtags-Grünen, fest.
Wie die Bayerische Staatsregierung dazu steht, lässt sich aus deren Antwort auf eine Anfrage zum Plenum der Landtags-Grünen ableiten: Die Grünen fragten darin, ob sich die Staatsregierung im Rahmen des „Operationsplan Deutschland“** für einen verstärkten Schutz der bayerischen Zwischenlager einsetzt, und dabei nicht nur auf militärische Abwehr, sondern auch auf bauliche Veränderungen setzt, sprich: auf einen standortnahen Neubau mit Verbunkerung. Dieses Thema hatte auch der Landshuter Landrat Peter Dreier bereits bei einer Veranstaltung des Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) am 24. März 2025 in Essenbach angesprochen.
Dazu Martin Stümpfig: „Die Antwort der Staatsregierung zeigt leider deutlich: Die Sicherheit der Menschen in der Region scheint ihr egal zu sein. Sie verweist lediglich auf einen uralten Beschluss des Landtags, obwohl es ganz offensichtlich neue Entwicklungen gibt! Denn der ,Operationsplan Deutschland‘ ist erst vor ein paar Monaten fertiggestellt worden. Ministerpräsident Söder und sein Kabinett ignorieren die neue Gefährdungslage einfach.“ Darüber hinaus sei eine solche Antwort eine grobe Missachtung des Parlaments, das zur Aufgabe hat, die Staatsregierung zu kontrollieren. „Lediglich auf Dokumente hinzuweisen, die schon über ein Jahr alt sind, und das bei dieser Aktualität und Gefährlichkeit dieses hochgiftigen Atommülls, ist absolut unverantwortlich.“***
Die Landtags-Grünen fordern die Staatsregierung auf, sich unverzüglich mit allen Mitteln für mehr Sicherheit für die Castorhallen einzusetzen. Denn die Zwischenlager, die ursprünglich für nur 40 Jahre geplant und genehmigt wurden, werden wohl mindestens 80 bis 100 Jahre oder noch länger gebraucht werden. Damit steigen allerdings auch die Gefahren: Etwa von Terrorangriffen, da sich die Waffen in den letzten Jahren und Jahrzehnten erheblich weiterentwickelt haben. „Damals, als die Schutzhallen geplant wurden, gab es noch keine GPS-gesteuerten Kampfdrohnen oder russische Hyperschallraketen“, sagt Martin Stümpfig. Auch könnten die in die Jahre gekommenen Hallen möglicherweise Flugzeugabstürzen nicht standhalten, Castorbehälter könnten undicht und nicht mehr repariert werden können, und auch mögliche Hochwasserereignisse könnten zu großen Problemen führen.
Darüber hinaus fordern die Landtags-Grünen die Bayerische Staatsregierung auf, die Endlagersuche mit aller Kraft voranzutreiben. „Ministerpräsident Söder macht seit Jahren wieder massiv Werbung für Atomkraft, und gleichzeitig tut er alles, um eine faire und offene Suche nach einem Endlager zu sabotieren – auch in Bayern, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen. „Wegen Markus Söders Blockadehaltung im Bundesrat können die Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums zur Endlagersuche seit Jahren nicht neu berufen werden – dieses wichtige Gremium ist dadurch nicht arbeitsfähig. Dabei muss doch jedem klar sein: Eine stockende Suche nach einem Endlager in der Tiefe verlängert die gefährliche Zwischenlagerung an der Oberfläche! Anstatt Verantwortung zu übernehmen und aktiv an einer Lösung mitzuwirken, spielt Söder auf Zeit und gefährdet damit nicht nur unsere Sicherheit, sondern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine verantwortungsvolle Energiepolitik.“
Dabei hat insbesondere Bayern einen großen Anteil an den hochradioaktiven Hinterlassenschaften des Atomzeitalters – der Freistaat erzeugte so viel Atomstrom wie kein anderes Bundesland. „Wir haben in nur wenigen Jahrzehnten Abfälle produziert, die in ihrer Zusammensetzung schlimmste Auswirkungen auf unser Land haben können – weit über unseren Lebenszeitraum hinaus! Wir alle, und dazu zählen insbesondere auch CSU und CDU, tragen die Verantwortung, dieses Risiko einerseits so gut wie möglich und andererseits möglichst zügig zu reduzieren“, so Katharina Schulze.
*2426 Tonnen hochradioaktiver Atommüll lagern derzeit oberirdisch in bayerischen Zwischenlagern, und weitere 627 Tonnen befinden sich noch in den AKW-internen Nasslagern in Gundremmingen und Isar I und II (Stand 31.12.2023, nach GRS).
**Der „Operationsplan Deutschland“ ist ein Strategiepapier der Bundeswehr mit detaillierten Planungen, wie im Verteidigungsfall vorgegangen werden sollte und welche Aufgaben dabei auf Kommunen, Hilfsorganisationen und Zivilbevölkerung zukommen. Das Papier ist rund 1.000 Seiten lang.
***In der Antwort auf die Anfrage zum Plenum verweist die Staatsregierung neben dem Beschluss des Bayerischen Landtags vom 14.06.2023 auch noch auf eine Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Maximilian Deisenhofer und Martin Stümpfig vom 31.01.2024 (Drs. 19/148). In dieser Anfrage wird jedoch nicht die Sicherheit von Castorhallen thematisiert, sondern es geht lediglich um eine Halle für nur schwach- und mittelaktive Abfälle.