Finanzen und Haushalt

Bayerns Haushalt - zu spät, ungerecht, rückwärtsgewandt

Endlich: Der Haushalt ist verabschiedet. Aber er kommt viel zu spät! Und er packt die grundlegenden Probleme Bayerns wieder nicht an.

06. Juni 2024

Der Landtag hat in dieser Woche den aktuellen Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025 verabschiedet. Das bedeutet jedoch auch: alle neuen Stellen und Projekte greifen damit erst im zweiten Halbjahr 2024 – Planungssicherheit sieht anders aus. Aber nicht nur das – der Haushalt ist viel zu wenig zukunftsgerichtet und setzt falsche Schwerpunkte.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen: „Besonders im Bereich Energie, Klima und Verkehr wären viel mehr Investitionen nötig! Das gilt auch für die Kommunen, die sich vielfach von der Staatsregierung alleingelassen fühlen. Bei der Bildung gibt es ebenso große Lücken, die Kitas etwa bräuchten mehr Unterstützung. Was hingegen bleibt, sind die rekordverdächtig hohen Ausgaben der Staatskanzlei. Im Ernst, Markus Söder?“

Markus Söders Personalausgaben steigen um 70 Prozent

Tatsächlich böte die Staatskanzlei einiges Einsparpotenzial. Denn: Um 70 Prozent steigen die Personalausgaben der Staatskanzlei seit Markus Söders Amtsantritt bis zum Jahr 2025 an. Genauer gesagt: von 35,4 Mio. Euro im Jahr 2017 auf 60,94 Mio. Euro im Jahr 2025 – so sieht es der Haushalt der Staatskanzlei vor. (Zum Vergleich: Im Gesamtetat des Haushalts liegt die Steigerung der Personalausgaben im gleichen Zeitraum bei knapp 40 Prozent.) Allein im Pandemiejahr 2021 wurden 45 Stellen wegen Aufgabenmehrung geschaffen. Die Pandemie ist inzwischen vorbei, die Stellen bleiben jedoch. Die Landtags-Grünen haben beantragt, die Personalzahl wieder auf den Stand von vor der Pandemie zu bringen.

In der Staatskanzlei liegt auch die Zuständigkeit für die Europapolitik Bayerns. In diesem Bereich halten die Landtags-Grünen es für besonders wichtig, in jungen Menschen die Begeisterung für Europa zu wecken. Um das Kennenlernen anderer Kulturen und eine internationale Verständigung zu ermöglichen, gibt es bereits ein EU-Programm, welches Interrailtickets finanziert. Aufgrund der hohen Nachfrage machten die Landtags-Grünen den Vorschlag, das Programm mit bayerischen Mitteln zu ergänzen.

Ernst der Lage wird nicht erkannt

Im Budget des Umweltministeriums finden sich leider etliche Lücken: So ist etwa der von der Staatsregierung über Jahre mehrfach angekündigte Wassercent wieder nicht enthalten. Claudia Köhler, Sprecherin für Haushalt: „Das ist mittlerweile eine reine PR-Show, die Markus Söder und sein Kabinett hier treiben. Immer wieder kündigt er den Wassercent an – setzt das Vorhaben aber nie um. Der Schutz unseres bayerischen Trinkwassers interessiert ihn offensichtlich nicht.“

Der Wassercent würde Einnahmen (geschätzt rund 120 Mio. Euro pro Jahr) generieren, die direkt in den dringend notwendigen Trinkwasserschutz investiert werden müssten. Er würde gewerbliche Großverbraucher zum Wassersparen motivieren und die Wasserentnahme aus der Natur würde endlich gemessen werden. Dies alles ist dringend notwendig, denn auch in Bayern verschärft sich das Problem Wasserknappheit zunehmend.

Katharina Schulze: „Die Staatsregierung hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt, das zeigt dieser Haushalt leider deutlich. Markus Söder hat bis heute nichts getan, um unser Wasser zu schützen – es gäbe so viele Maßnahmen, die Bayern schnellstens ergreifen müsste und die wir Grüne schon seit Jahren fordern. Eines muss jedem klar sein: Auch bei uns im Freistaat ist Wasser nicht endlos verfügbar.“

Trotz Flutkatastrophe – Söder-Regierung will Etat für Hochwasserschutz nicht erhöhen

Schutzmaßnahmen brauchen wir nicht nur beim Trinkwasser, sondern auch vor Starkregenereignissen und Hochwasser, wie Bayern in diesen Tagen dramatisch vor Augen geführt wird. Die Ausgaben etwa für den Hochwasserschutz stagnieren – trotz Inflation und gestiegener Baukosten! Die Landtags-Grünen fordern deshalb mehr finanzielle Mittel zur Klimaanpassung. Die Staatsregierung will aber den Etat nicht erhöhen. So sind beispielsweise für den enorm wichtigen ökologischen Hochwasserschutz nur mickrige 20 Millionen Euro vorgesehen. Dabei bräuchte es gerade jetzt wieder mehr natürliche Wasserrückhalteflächen in unserer Landschaft – durch Renaturierung von Flüssen, Auen und Mooren. Nur so lässt sich so viel Wasser wie möglich in der Landschaft halten, bevor es in die Bäche, dann in die Dörfer und quer durch Bayern fließt und Schäden anrichtet. Auch sind die Kommunen vermehrt auf fundierte Beratung angewiesen – aber die zuständigen Wasserwirtschaftsämter bekommen kein zusätzliches Personal. Die Staatsregierung hat keine einzige neue Stelle vorgesehen. Dabei sind es die Kommunen, die die Hauptlast der Klimaschäden tragen. Trotz der aktuellen Flutkatastrophe tut die Staatsregierung nichts, um den Hochwasserschutz zu beschleunigen. Was muss eigentlich noch passieren, bis sich Bayerns Regierung bewegt?

Katharina Schulze: „Wie viele dieser Jahrhunderthochwasser, dieser Hitzesommer braucht es noch, bis alle verstanden haben und danach handeln, dass Klimaschutz und Klimafolgen-Anpassung weniger kosten als die vielen Schäden bei weiterem Nichtstun?“

Mit Blick auf die aktuelle Hochwasserkatastrophe im Freistaat, deren tatsächliches Ausmaß noch gar nicht abzusehen ist, haben die Landtags-Grünen außerdem einen weiteren Änderungsantrag zum Haushalt eingebracht mit der Forderung nach schneller und unbürokratischer Hochwasserhilfe für die Betroffenen durch ein 100.Mio.-Euro-Soforthilfeprogramm.

Bayern müsste die Energiewende vorantreiben – doch der politische Wille fehlt

Im Wirtschaftsministerium – mit seiner Zuständigkeit für moderne Wirtschaftsstrukturen und die Energiewende – sieht es derzeit ebenfalls nicht sehr rosig aus für Bayern. Geld wäre eigentlich da. Allein der politische Wille fehlt. Gerade für die Energiewende müsste hier jetzt viel passieren: Beim Windkraftausbau muss Bayern endlich schneller vorankommen. Im ersten Quartal 2024 wurden im Freistaat lediglich drei Windräder gebaut – von 139 Windrädern deutschlandweit. Im Jahr 2023 waren es nur sieben Windräder von 745 bundesweit.

Katharina Schulze: „Anpacken statt großer Worte: Bayern darf nicht länger das Energiesorgenkind Deutschlands bleiben. Wir fordern den Ministerpräsidenten und seinen Stellvertreter auf, ab sofort alles für den Ausbau und die Speicherung regenerativer Energien zu tun.“

Konkret schlagen die Landtags-Grünen eine Koordinationsstelle Windenergie vor, die alle Akteure an einen Tisch bringt und durch Bürokratieabbau Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt. Dafür sollen 10 Mio. Euro im Haushalt eingeplant werden.

Riesen-Potenzial bei der Wärmeversorgung - eigentlich

Auch bei der Geothermie ist die Lage fatal: Zahlreiche Studien zeigen das enorme Potential von bis zu 40 Prozent Wärmeversorgung in Bayern – aber die Staatsregierung kürzt die bisher schon mickrigen Mittel von 7,5 Mio. Euro auf 5 Mio. Euro. Das reicht nicht einmal für eine halbe Geothermie-Bohrung. Dabei waren im Wahlkampf großspurig Bürgschaften für Kommunen angekündigt worden! Ein Wunschtraum – denn wie soll das ohne Haushaltsmittel funktionieren?

Claudia Köhler: „Die Koalition verspricht das Blaue vom Himmel und hält sich dann nicht daran. Aber wir Grüne lassen nicht locker, bis es ein Bürgschaftsprogramm für die Geothermie und realistische Förderungen für die Kommunen gibt. Denn die Staatsregierung riskiert hier sehenden Auges, dass sich nur reiche Kommunen und Investoren Geothermie leisten – und daran verdienen – können.“

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das bestehende 10.000-Häuser-Programm, welches die Staatsregierung beenden will. Die Landtags-Grünen beantragen, diese Förderung weiterzuführen und auszuweiten. Angesichts hoher Kosten für fossile Energie und des Ziels, bis 2040 klimaneutral zu sein, muss die energetische Sanierung von Gebäuden in Bayern ausreichend unterstützt werden. Dafür fordern die Landtags-Grünen eine Aufstockung um 45 Mio. Euro im geplanten Doppelhaushalt.

Wohnungsbau im Schneckentempo

Auch im Haushalt des Ministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr fehlen notwendige zukunftsweisende Investitionen. Die Ausgaben fürs Wohnen beispielsweise überlasten mittlerweile schon jeden dritten Mieterhaushalt in Bayern – darunter junge Leute, Senior*innen und Familien. Und schon jetzt fehlen 200.000 Sozialwohnungen. Es sind im letzten Jahr sogar 305 weniger Sozialwohnungen bewilligt worden als im Jahr 2022.

Claudia Köhler: „Söders sogenannter ‚Wohnbau-Booster‘ ist leider nur ein Tischfeuerwerk. Der Großteil der versprochenen Wohnungen existiert lediglich auf dem Papier. Wohnen kann darin niemand.“ Die Landtags-Grünen fordern ein Sonderinvestitionsprogramm für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau in Höhe von einer Milliarde Euro. Doch auch beim staatlichen Wohnungsbau geht es weiterhin nur im Schneckentempo voran. Ministerpräsident Söder hatte nach dem Verkauf der 32.000 GBW-Wohnungen 10.000 neue Wohnungen angekündigt – davon hat die BayernHeim aber bislang lediglich 267 gebaut.

Öffentlicher Nahverkehr? Fehlanzeige

Beim Thema Mobilität lässt der Haushalt ebenfalls viele Fragen offen. Katharina Schulze: „Es ist nicht erkennbar, dass hier ernsthaft versucht wird, den Öffentlichen Nahverkehr zu verbessern. Der Freistaat hat dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Bayern sicher und zuverlässig zur Arbeit kommen können. Das ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der ländliche Raum wurde hier regelrecht abgehängt.“

Klaffende Lücke bei der Kita-Finanzierung

Im Haushalt des Sozialministeriums geht es um wichtige Bereiche wie Familien, Kindertagesstätten, Jugendarbeit, Gleichstellung, Antidiskriminierung, Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt, sowie die Themen Arbeit und berufliche Bildung. Erhebliche Lücken klaffen hier jedoch bei der Kita-Finanzierung. Immer mehr Kita-Träger drohen deshalb in Schieflage zu geraten: Die Lücke zwischen Kita-Betriebskosten und staatlicher Refinanzierung – dem sogenannten Basiswert – ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Viele Träger sind in der Folge dazu gezwungen, die Kita-Gebühren für Familien zum Teil deutlich zu erhöhen.

Katharina Schulze: „Wir brauchen bei den Kitas eine bessere staatliche Finanzierung. Deren Sach- und Personalkosten sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen, nicht zuletzt durch die Inflation, steigende Miet-, Energie-, und Lebensmittelpreise. Die Söder-Regierung hat den Basiswert aber immer nur minimal angepasst. Sie stiehlt sich aus der Verantwortung und macht sich einen schlanken Fuß. Stattdessen gibt’s schöne Sonntagsreden des Ministerpräsidenten. Das hilft aber den Familien nicht. Markus Söder sollte jetzt alle Register ziehen, um die bayerische Kita-Krise in den Griff zu bekommen. Denn frühkindliche Bildung ist so wichtig für die Entwicklung unserer Kinder. Für die Eltern wiederum sind Kitas elementar für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Staatsregierung kümmert sich bislang zu wenig darum.“

Im Haushalt (im Jahr 2024 sollen 8,4 Mrd. Euro und im Jahr 2025 sollen 8,5 Mrd. Euro zur Verfügung stehen) fehlen auch Mittel für selbständige Teilhabe an Kultur und Gesellschaft.

Gehörlose gehen schon wieder leer aus

Das Gehörlosengeld wurde mehrmals von der Staatregierung angekündigt, aber im Haushalt ist es nicht eingeplant. Claudia Köhler: „Für alle gehörlosen Menschen in Bayern ist das eine große Enttäuschung. Sie haben erhebliche Mehrkosten für alltäglichste Dinge zu stemmen, sei es für Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher beim Elternabend in der Schule, bei Behördengängen und vielem mehr. Es darf nicht vom Geldbeutel abhängen, ob und wie viele gehörlose Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Andere Bundesländer haben das schon längst umgesetzt.“

Für Frauen, die ungewollt schwanger werden, fehlen ausreichend Beratungsstellen. Das zeigt deutlich die aktuelle Elsa-Studie. Auch für LGBTIQ-Personen gibt es gerade im ländlichen Raum keine Beratungsangebote, dabei ist eine Verdopplung der Straftaten gegenüber diesem Personenkreis zu sehen, die Suizidrate ist enorm. Und die Zahl der Fälle von Gewalt an Frauen sind viel zu hoch.

Die Landtags-Grünen fordern deshalb eine Monitoring-Stelle zur Einhaltung der Istanbul-Konvention sowie den Ausbau von Fachstellen für Täterarbeit. Dazu Katharina Schulze: „Allein im vergangenen Jahr sind in Bayern 96 Frauen gewaltsam getötet worden. 96! Bei Gewalt gegen Frauen handelt es sich meist um Taten aus dem Nahumfeld der Opfer, oft sind es deren Ehemänner, Lebensgefährten oder Ex-Partner. Um die Frauen besser zu schützen, brauchen wir eine bessere, umfassendere Präventionsarbeit – und das bedeutet: die zuständigen Fachstellen brauchen mindestens doppelt so viel an Fördergeld, als es die Staatsregierung im Haushalt vorsieht.“

Bei der Bildung fehlen echte Initiativen

Auch im Bereich Bildung zeigt der Haushalt 2024/25 erhebliche Lücken. Katharina Schulze: „Welche Probleme haben wir in den Schulen? Unterrichtsausfall, Sanierungsstau, mangelhafte Digitalisierung, Lehrkräftemangel, kein Geld für Klassenfahrten, schlechte Pisa-Ergebnisse. Und was bekommen die Schulen? Ein Verfassungsviertelstündchen – und auch das nur probeweise.“

Grüner Haushalt auf Social Media: 

Was wäre, wenn wir endlich in Feuerwehrhäuser investieren würden?

Was wäre, wenn wir so viel Geld in Hochwasserschutz investieren, dass wir deutlich weniger Angst vor Hochwasser haben müssten?

Was wäre, wenn man in Bayern endlich wieder einen Platz zum Wohnen finden würde?

Was wäre, wenn wir unsere Kommunen endlich bei der Energieversorgung unterstützen würden?