Finanzen | Haushalt
„Beim Thema Steuergerechtigkeit fehlt der CSU einfach der Biss“
Eine Grünen-Anfrage zeigt: Bayerns Finanzämter prüfen Reiche nur noch selten. Tim Pargent: „Damit lässt die Staatsregierung sehr viel Steuergeld einfach auf der Straße liegen.“
30. Juli 2024
Die Steuererklärungen sogenannter Einkommensmillionär*innen* werden in Bayern nur noch selten geprüft. „Damit lässt die Staatsregierung sehr viel Steuergeld auf der Straße liegen“, sagt Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher der Landtags-Grünen. Seine Schriftliche Anfrage an die Staatsregierung hat ergeben: „Nur jede neunte Person, die 500.000 Euro und mehr im Jahr verdient, wird in Bayern jährlich überprüft.“
Früher war das anders: 2010 beispielsweise wurde noch jede*r vierte Einkommensmillionär*in geprüft (Prüfquote: 25,9 Prozent). Zehn Jahre später, 2020, lag die Prüfquote bei nur noch 11,8 Prozent (jede*r Achte). (2021: 10,2 Prozent; 2022: 9,75 Prozent; 2023: 11,4 Prozent)
Binnen eines Jahrzehnts also zeigt sich bei der Zahl der Überprüfungen ein immenser Rückgang auf durchschnittlich zehn Prozent – und damit auch ein drastischer Rückgang bei den Steuereinnahmen, beanstanden die Landtags-Grünen. Tim Pargent: „Dieses fehlende Geld gehört eigentlich den Menschen in Bayern. Es müsste zwingend in den Staatshaushalt fließen – denn es wird an vielen Stellen tatsächlich dringend gebraucht, denken Sie nur an den Kita-Ausbau oder das Thema Pflege.“
Zur Einordnung: Für das Jahr 2023 gibt die Staatsregierung durchschnittliche Mehrsteuern von rund 86.500 Euro pro geprüftem Steuerpflichtigen (in der Einkommensliga ab 500.000 Euro) an. Somit entfielen auf die Prüfung der 249 Einkommensmillionären Steuereinnahmen von über 20 Millionen Euro. Tim Pargent: „Das klingt im ersten Moment nach viel. Aber würde man das auf alle 3990 Personen in dieser Einkommensliga hochrechnen, dann wären wir hier schon bei einer Zahl von bis zu 181 Millionen Euro, die dem Staatshaushalt in der Theorie zustünde. Überlegen Sie mal, was Sie davon alles finanzieren könnten. Und selbst, wenn man die Prüfquote nur auf 25,9 Prozent anheben würde, wie es 2010 noch der Fall war – dann hätten wir Mehreinnahmen von insgesamt knapp 45 Millionen Euro verzeichnen können. Es sind gewaltige Summen, die die Staatsregierung hier einfach so verschenkt.“
Die Landtags-Grünen weisen zudem darauf hin, dass in den vergangenen Jahren die durchschnittlichen Mehrsteuern pro geprüftem Steuerpflichtigen (in der Einkommensliga ab 500.000 Euro) noch weitaus höher lagen als im letzten Jahr: 2022 waren es rund 165.000 Euro pro geprüftem Steuerpflichtigen; 2021 waren es 161.000 Euro, 2020 waren es sogar 252.000 Euro pro Person.
„Im Kampf um Steuergerechtigkeit fehlt der CSU einfach der Biss. Aber Steuergerechtigkeit ist auch soziale Gerechtigkeit! In dem Moment, in dem die Söder-Regierung diese möglichen Einnahmen einfach herschenkt, fehlt genau dieses Geld für nötige Investitionen in Bayern – ob in die Infrastruktur wie etwa beim öffentlichen Nahverkehr, ob in Kita-Gebühren oder kostenloses Mittagessen in Schulen oder in die Wärmeversorgung in Bayern, Stichwort Geothermie“, mahnt Tim Pargent an.
Als ersten Schritt fordern die Landtags-Grünen erneut eine bessere personelle und technische Ausstattung in der Finanzverwaltung in Bayern. „Es fällt der Staatsregierung jetzt auf die Füße, dass sie nicht für eine ausreichende Zahl an Finanzbeamtinnen und -beamten gesorgt hat. Das darf nicht noch jahrelang so weitergehen“, sagt Tim Pargent. Zudem müsse die jährliche Prüfquote erhöht werden. Der Fokus solle dabei stärker auf den komplexen Fällen liegen.
Hintergrundinfos:
*Der Begriff Einkommensmillionäre stammt noch aus Deutsche-Mark-Zeiten. Gemeint sind heute Personen, die 500.000 Euro und mehr positive Überschusseinkünfte haben – die Summe ist nach oben offen. Nach § 147a der Abgabenordnung muss dieser Personenkreis besondere steuerliche Aufzeichnungspflichten erfüllen. Finanzämter dürfen bei ihnen anlasslose Außenprüfung vornehmen.
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