Rechtsextremismus

Dossier: Fall Gurlitt, "Monuments Men" und die Hintergründe

Raubkunst der Nazis, Gerechtigkeit für die Opfer: Knapp 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur beschäftigt dieser Themenkomplex Deutschland - in der Realität und auf der Leinwand.

24. Februar 2014

Ende Februar lief in unseren Kinos die Produktion "Monuments Men" an: George Clooneys Film erzählt die Geschichte der Monuments, Fine Arts, and Archives Section der US-Army, einer Abteilung zum Schutz von Kunstgütern. Die "Monuments Men" bestanden aus Museumsdirektoren, Kuratoren und Kunsthistorikern. Aufgaben der Einheit: den Verbleib verschleppter Kunstwerke aufklären, diese direkt hinter der vorrückenden Frontlinie sicherstellen und deren Rückführung vorbereiten. Nach dem Krieg ging es den "Monuments Men" um Restitution und Aufbau einer Museumslandschaft.

Im November 2013 erhielt der Film durch den so genannten Schwabinger Kunstfund eine unerwartete Aktualität. Die Monuments Men hatten 1945 125 Werke aus Kunstsammlung Hildebrand Gurlitts sichergestellt und 1950 zurückgegeben. Sie waren ein Teil der Kollektion, die 2012 bei seinem Sohn Cornelius durch die Staatsanwaltschaft Augsburg beschlagnahmt worden war. Seitdem der sensationelle Kunstfund durch einen "Focus"-Artikel ans Licht der Öffentlichkeit kam, wirft die Kunstsammlung selbst – aber vor allem auch das Vorgehen der bayerischen Behörden – von Woche zu Woche neue Fragen auf. Mit diesem Dossier wollen wir deshalb sowohl einen Überblick über den "Fall Gurlitt" liefen, als auch unsere Kritik am bisherigen Handeln der Staatsregierung verdeutlichen.

Geheimniskrämerei, Widersprüchlichkeiten, Fehleinschätzungen, Versäumnisse

F: Robert S. Wistrich: Ein Wochenende in München. Kunstpropaganda und Terror im Dritten Reich. Insel Verlag Leipzig 1996Die Brisanz des Schwabinger Kunstfunds, der weit über Bayern und Deutschland hinaus für Schlagzeilen sorgt, erklärt sich vor allem dadurch, dass er eng verknüpft ist mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte. Schlagwörter wie "Entartete Kunst" oder "Raubkunst" verweisen auf eine Zeit, in der die rassistische Verfolgung von Juden und die Diffamierung moderner Kunst Staatsdoktrin waren. Kunsthändler wie Hildebrand Gurlitt, nutzten diesen Umstand, um sich auf Kosten anderer zu bereichern.

Gerade vor diesem historischen Hintergrund hätte man von der Staatsregierung beim Umgang mit der Kunstsammlung ein höchstmögliches Maß an Sensibilität erwartet. Doch weit gefehlt: statt durch Offenheit und Transparenz zeichnete sich das Handeln der Augsburger Staatsanwaltschaft und der zuständigen Ministerien durch Geheimniskrämerei, Widersprüchlichkeiten, Fehleinschätzungen und Versäumnisse aus.

Obwohl der Anfangsverdacht bis auf den Herbst des Jahres 2011 zurückgeht und die Sammlung von Cornelius Gurlitt bereits im Frühjahr 2012 beschlagnahmt wurde, erfuhr sowohl die Öffentlichkeit, als auch das Parlament  davon erst knapp zwei Jahre später aus der Presse. "Dadurch haben die beraubten Eigentümer bzw. ihre Hinterbliebenen wertvolle Zeit verloren um ihre Ansprüche einzufordern", kritisierte der kulturpolitische Sprecher Sepp Dürr bereits unmittelbar nach der Focus-Enthüllung.

In einem ersten Antrag forderten die Grünen deshalb einen ausführlichen Bericht im Kulturausschuss, einen transparenten Umgang mit der beschlagnahmten Sammlung, eine deutliche Aufstockung der Mittel für die Provenienzforschung sowie ein Rückerstattungsgesetz nach österreichischem Vorbild. Nahezu gleichzeitig gab das Bayerische Justizministerium bekannt, dass gemeinsam mit dem Kultusministerium, dem Bundesfinanzministerium und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur eine "Taskforce" für Provenienzrecherche unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel einsetzt werden solle.

Unsere Forderung: ein wirksames Gesetz nach österreichischem Vorbild

Der kurze Zeit später von Justizminister Bausback und Kultusminister Spaenle vorgelegte Bericht legte dann jedoch sehr deutlich das Versagen der beiden Häuser offen und warf gleichzeitig weitere brisante Fragen auf: Wie konnte es sein, dass die Spitze der beiden Ministerien bis zur Enthüllung des Kunstfunds durch die Presse nichts davon wusste? Wieso wurde trotz der frühzeitigen Erkenntnis,<iframe src="http://www.youtube.com/embed/I_c6iNFypaU" frameborder="0" height="329" align="right" width="400"></iframe> dass es sich bei der Sammlung um einen "historischen Fund von größtem wissenschaftlichen Wert" handelt, nicht schon früher eine "Taskforce" gebildet? Weshalb wurde die Öffentlichkeit nicht über diesen historischen Fund informiert? Und warum suchten die Verantwortlichen nicht das Gespräch mit Cornelius Gurlitt?

Antworten auf diese Fragen blieben die beiden Minister größtenteils bis heute schuldig. Stattdessen legte der Justizminister einen Alibi-Gesetzentwurf vor, der am Kern des Problems vorbeizielt. "Dieser Gesetzentwurf löst Probleme, die überhaupt niemand hat", so die Kritik von Sepp Dürr. Das Gesetz soll erreichen, dass sich niemand mehr auf Verjährung bei ‚böswillig‘ erworbenen Güter berufen könne. "Aber NS-Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie die Juden-Verfolgung, oder auch der Versuch, die moderne Kunst auszulöschen, sind ohnehin nicht mit ,normalen' Verbrechen vergleichbar und nach unserem Empfinden weder ‚vergangen‘ noch ‚verjährt‘."

Ziel der Landtagsgrünen ist deshalb ein Kunstrückgabegesetz, wie es 1998 von Österreich beschlossen und 2009 nach Vorschlägen namhafter Provenienzforscher novelliert wurde. Hier wird vor allem auch die aktive Rolle des Staates bei der Feststellung der ursprünglichen Eigentümer betont. Sepp Dürr: „Wichtig ist dabei, dass ein solches Gesetz auch für Private und den Kunsthandel gelten muss.“

Daneben setzt sich Sepp Dürr in Form von Berichtsanträgen und Anfragen an die Staatsregierung weiterhin dafür ein, dass endlich Antworten auf die vielen noch immer offenen Fragen gegeben werden. Ein Fazit kann man allerdings schon jetzt ziehen: Das stümperhafte und unsensible Vorgehen der Staatsregierung hat das internationale Ansehen des Freistaats massiv beschädigt. Und das ausgerechnet, während dieses sensible Thema durch "Monuments Men" im Fokus der Weltöffentlichkeit liegt...


Alle Grünen parlamentarischen Initiativen zum Fall Gurlitt inkl. Antworten der Staatsregierung als zip-Datei