Gleichstellung | Queer | Frauen
Die Hälfte der Macht den Frauen
Grüner Gesetzentwurf für mehr Frauen im Bayerischen Landtag
03. März 2023
Die Hälfte unserer Gesellschaft ist weiblich. Dennoch sind Frauen in Bayern in Wirtschaft, Verwaltung und Politik nach wie vor nur zu einem weit geringeren Teil als Männer an der Macht beteiligt. Das heißt, dass an den Orten, wo wichtige und auswirkungsreiche Entscheidungen getroffen werden – zum Beispiel die Verteilung von öffentlichen Geldern und Ressourcen – die weibliche Perspektive und Mitbestimmung fehlt. Derzeit sind lediglich 27 Prozent der gewählten Abgeordneten des Bayerischen Landtags Frauen. Nach der Wahl 2013 waren es ca. 28 Prozent. Der Frauenanteil im Landesparlament ist damit zum zweiten Mal in Folge gesunken. Wir GRÜNE können das nicht hinnehmen! Deshalb legen wir ein „Hälfte-der-Macht-Gesetz“ vor, das durch Änderungen im Wahlrecht einen hälftigen Frauenanteil im Bayerischen Parlament sicherstellen soll. Wir GRÜNE sorgen so für mehr Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in der Politik und setzen uns für Bayerns Frauen ein. Unser Vorstoß im Parlament wird von einem von unserer Landtagsfraktion in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. Dr. Silke R. Laskowski, Rechtsprofessorin an der Universität Kassel und Mitglied der Wahlrechtskommission des Bundestags, untermauert und bekräftigt.
Unser Gesetzentwurf orientiert sich zum einen hinsichtlich der Wahl der Direktabgeordneten an Regelungen, wie sie beispielsweise in Frankreich gelten. Außerdem setzt er auf eine geschlechterparitätische Mandatszuteilung für Mandate, die über Wahlkreislisten in den Bayerischen Landtag verteilt werden. Konkret werden in jedem Stimmkreis zwei Abgeordnete – ein Stimmkreis-Duo – direkt in den Landtag gewählt. Um die Anzahl an Abgeordneten stabil zu halten, werden immer zwei Stimmkreise zu einem zusammengefasst (künftig gibt es 44 statt 91 Stimmkreise). Dieses Duo besteht aus einer Frau und einem Mann. Die Wähler*innen haben daher künftig 2 Erststimmen. Es können innerhalb eines Stimmkreises auch zwei Kandidierende unterschiedlicher Parteien gewählt werden. So wird die Zahl der Direktmandate für Frauen angehoben und die Wahlfreiheit der Wähler*innen gesteigert.
Nach Auszählung der bei einer Landtagswahl abgegebenen Stimmen werden alle weiteren Sitze im Landtag, die einer Partei vor allem über die Zweitstimme (Listenmandate) zustehen, geschlechterparitätisch verteilt. Dazu werden die Sitze abwechselnd auf die Kandidatin mit der jeweils höchsten Stimmzahl und dann auf den Kandidaten mit der jeweils höchsten Stimmzahl verteilt. So soll sichergestellt werden, dass nicht nur über die Erststimme, sondern auch über die Wahlkreislisten ein höherer Anteil Frauen in den Landtag gewählt wird. Um intergeschlechtlichen Personen Rechnung zu tragen, werden stets auch Personen, die sich als inter* identifizieren, für alle Kandidaturen zugelassen. Das heißt, Personen mit der Geschlechtsbezeichnung "divers" oder ohne Geschlechtseintrag können wählen, für welchen Teil des Stimmkreisduos sie kandidieren. Auch bei der paritätischen Mandatszuteilung der Listenmandate werden sie berücksichtigt.
Aus unserer Sicht muss Parität auch in der Bayerischen Staatsregierung hergestellt werden – aktuell sind aus insgesamt 18 Kabinettsmitglieder nur 5 weiblich (27,8 Prozent). Somit wird per Verfassungsänderung festgelegt, dass die Hälfte der Mitglieder der Staatsregierung weiblich sein muss. Diese Zahlen der weiblichen Repräsentanz im Bayerischen Parlament und in der Staatsregierung unterstreichen die Notwendigkeit für ein „Hälfte-der-Macht-Gesetz“, das die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der bayerischen Landespolitik fördert und institutionell absichert.
Für uns GRÜNE ist klar: Frauen machen die Hälfte der Gesellschaft aus und es ist endlich an der Zeit, dass sie entsprechend ihres Bevölkerungsanteils an den politischen Entscheidungen beteiligt werden. Seit Jahren sehen wir, dass Freiwilligkeit alleine nicht ausreicht. Die Hälfte der Macht ist schnell gesagt – da sind wir GRÜNE nicht allein in unserer Forderung. Es reicht aber nicht, einfach Ziele auszugeben. Politik ist dafür verantwortlich den über 6 Millionen Frauen in Bayern am Ende die Hälfte der Macht zuzusichern.
Die 1. Lesung im Plenum fand am Donnerstag, den 02. März 2023, statt. Eine rege und teils hoch emotionale Debatte folgte. Von den anderen Fraktionen kamen Argumente, dass Abgeordnete das ganze Volk vertreten und somit Männer die Anliegen von Frauen genauso gut vertreten können. Wesentlich sei ja nicht das Geschlecht einer Person, sondern deren Qualifikationen. Die CSU argumentiert, dass ein Anspruch auf eine geschlechterproportionale Verteilung des Landtags sich nicht vom Demokratieprinzip entnehmen lässt. Das ist genau das Problem: Für die CSU stellt die fehlende Frauenbeteiligung kein Problem der demokratischen Teilhabe dar. Sie stellt sich damit zufrieden, dass diese Imbalance herrscht, weil ihre überwiegend mehrheitlich männlich besetzte Fraktion komfortabel sitzt. Dabei ignoriert sie die strukturellen Nachteile für Frauen in der politischen Laufbahn. Wir ordnen ihre vorgeschobenen Gegenargumente als Versuch ein, von dem Thema und von dem eigentlichen Ziel der Gleichstellung abzulenken.
Dabei ist Geschlechterparität im Landtag kein Selbstzweck. Paritätisch besetzte Parlamente und Gremien haben nachgewiesenermaßen die Belange aller Menschen im Blick. Sie treffen bessere und nachhaltigere Entscheidungen. Beispiele finden sich in Themenbereichen wie der Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Verkehrspolitik (nicht nur aus der Sicht von Autofahrer*innen, sondern aller Verkehrsteilnehmer*innen), Prostitutionsgesetzgebung, Schutz von Frauen vor Gewalt und soziale Absicherung, Situation Alleinerziehender, Pflege, Arbeitsschutzgesetze. Auch verlangen Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung, dass der Staat "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt" (Art. 118 Abs. 2 S. 2 Bayerische Verfassung). Das gilt auch für die Teilhabe an unserer Demokratie und für das Wahlrecht.
Die Regierungsfraktionen haben ihre Ablehnung bereits angekündigt. Sie haben bislang keinen einzigen Gegenvorschlag eingebracht, wie mehr Frauen in die Parlamente kommen. Stattdessen kommen sie mit einer kunstlosen Theorie ums Eck: Mehr Frauen wären im Landtag, wenn einfach mehr Frauen die weiblichen Kandidatinnen wählen würde. Solche unseriösen und realitätsfremden Ideen sind dem von der Bayerischen Verfassung sowie von unserem Grundgesetz vorgegebene Auftrag, Hürden zur Gleichstellung der Geschlechter aktiv abzubauen, nicht würdig.
Der rege Widerstand – der in erster Linie von männlichen Abgeordneten kam – zeigte einmal wieder, wie wichtig das Thema ist. Wenige Themen polarisieren so sehr wie Gleichstellungsdebatten. Das ist einerseits traurig, ermutigt uns aber auch, weiter auf unserem feministischen Kurs zu bleiben und eine der einzigen Fraktionen im Landtag zu sein, die sich lautstark, mit Überzeugung und Integrität für echte Gleichberechtigung einsetzen.