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Reproduktive Freiheit: Bessere Versorgung von ungewollt Schwangeren
Sechs-Punkte Plan der Landtags-Grünen für das Recht auf
Selbstbestimmung in Bayern und den Zugang zu
Schwangerschaftsabbrüche
22. Juni 2023
Jede Frau soll selbst über ihren Körper entscheiden. Auch, wenn sie schwanger ist. Leider ist die Versorgung von ungewollt Schwangeren in Bayern nicht gut, und wird tendenziell schlechter. Die Frauen in Bayern haben es nicht leicht, Abbrüche vornehmen zu lassen. Die Zahl der durchführenden Stellen wird immer weniger. In Niederbayern gibt es beispielsweise nur noch einen Arzt, der Abbrüche durchführt, und dass nur alle 14 Tage. Betroffene müssen teilweise durch ganz Bayern reisen, um einen Termin für den Abbruch wahrnehmen zu können.
Die bisherige Position der Staatsregierung, die aktuelle Versorgungslage sei ausreichend, deckt weder Bedarf noch Realität ab und ist für Betroffene nicht zumutbar. Trotz der Klarstellung durch die Streichung des §219a Strafgesetzbuch (StGB), dass Betroffenen der freie Zugang zu angemessenen und objektiven Informationen zusteht, bleibt das Thema ein Tabu. Beratungsstellen und Ärzt*innen zugleich beklagen das Fehlen einer transparenten Übersicht der notwendigen Informationen über Anlaufstellen für Betroffene. Es besteht eine Kluft zwischen den gemeldeten Stellen und denjenigen, die Abbrüche tatsächlich durchführen. Die Stigmatisierung sowie Verbreitung von Falschinformationen über Schwangerschaftsabbrüche - zunehmend im digitalen Raum - stellt ein großes Problem dar.
Diese schlechte Versorgungslage wird den betroffenen Frauen nicht gerecht. Dabei gibt es internationale Vorgaben wie das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW), die Bayern und Deutschland zum Schutz der reproduktiven Rechte von Frauen verpflichten. Wir können die Frauen in Bayern nicht weiter allein lassen und müssen endlich dafür sorgen, dass die Versorgung mit objektiven Informationen und sensiblen Ärzt*innen in ihren Regionen garantiert werden.
Für uns GRÜNE ist reproduktive Freiheit und der tatsächliche Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch Voraussetzung für die Geschlechtergerechtigkeit.
Dieser Sechs-Punkte Plan wurde gemeinsam mit Ärzt*innen, Beratungsstellen und Gesundheitsämter aus verschiedenen bayerischen Regionen entwickelt:
1. Verfassungsrechtliche Pflicht umsetzen: den sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen endlich sicherstellen
a. Die Staatsregierung nimmt den Sicherstellungsauftrag aus Art. 13 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) ernst und erlässt eine Regelung, welche die Bedarfsplanung und statistische Erfassung der ambulanten und stationären Bedarfslage vorsieht, sowie einen Schlüssel für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen im Flächenland festlegt. Ärzt*innen, Beratungsstellen, Gesundheitsämter und Betroffene werden im eingebunden.
b. In einer entsprechenden Landesregelung wird der hohe Stellenwert des legalen und sicheren Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen für die reproduktive Gesundheit festgehalten. Diese Regelung soll zusätzlich das Behindern von Schwangerschaftsabbrüchen samt Verbreitung von bewussten Falschinformationen verbieten.
2. Kapazitäten in allen Regionen schaffen: Schwangerschaftsabbrüche in allen Universitätskliniken
a. Universitätskliniken, die staatliche Gelder erhalten, werden verpflichtet, den Schwangerschaftsabbruch anzubieten. Es sollen mindestens zwei Ärzt*innen pro Universitätsklinik beschäftigt werden, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Neben einem Ausbau der Anlaufstellen für Betroffene geht es auch um den Aufbau der notwendigen, regelmäßigen Expertise, damit die Sicherheit von Abbrüchen erhöht wird.
b. Im nächsten Schritt soll geprüft werden, inwiefern gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden ein flächendeckender Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen an kommunalen Krankenhäusern erhöht werden kann.
3. Sensibilisierung und Kompetenzaufbau: Schwangerschaftsabbrüche in der medizinischen Ausbildung verankern
a. Eine stärkere Sensibilisierung und Behandlung des Themas müssen durch einen Zugang zu praktischem Wissen im Studium erfolgen. So soll sichergestellt werden, dass Studierende entsprechende Kompetenzen erwerben. In den Lehrplänen der medizinischen Ausbildung sowie in der fachärztlichen Weiterbildung müssen die relevanten rechtlichen, rechtspolitischen, gesellschaftspolitischen und medizin-ethischen Aspekte neben der medizinischen Dimension von Schwangerschaftsabbrüchen (inklusive Wissen über die unterschiedlichen Methoden, die jeweiligen Vor- und Nachteile, Nebenwirkungen und mögliche Komplikationen) verankert werden.
b. In der der fachärztlichen Weiterbildung sowie Fortbildung soll im Austausch mit Hochschulen und Landesärztekammer geprüft werden, wie die Verankerung des Themas qualitativ verbessert werden kann. Dabei soll auch der Kontakt zu Beratungsstellen festgehalten werden.
4. Besserer Informationsfluss für Betroffene
a. Zentrale Informationsangebote der Staatsregierung und staatlichen Behörden müssen mehrsprachig und in leichter Sprache zur Verfügung stehen.
b. Dolmetscherkosten sollen neben dem Beratungsgespräch auch für den entsprechenden Arzttermin übernommen werden, hierfür soll ein Fonds mit Landesmitteln bereitgestellt werden.
c. Falschinformationen und Stigmatisierung des Themas werden entgegengewirkt, indem staatliche Informationsangebote darüber aufklären, Faktenchecks anbieten und die Medienkompetenz von Bürger*innen steigern. Im Bildungswesen wird die Aufklärung nachgebessert und Sexualkunde sowie -pädagogik im Sinne der reproduktiven Selbstbestimmung sowie biologische, soziale, ethische und zwischenmenschliche Aspekte von Sexualität und Partnerschaft stärker vermittelt. Jährlich findet an allen bayerischen Schulen ein Aktionstag zur Selbstbestimmung statt.
5. Besserer Informationsfluss zwischen Beratungsstellen und Ärzt*innen
a. Um stets den Zugang zu aktuellen und belastbaren Informationen über durchführende Stellen und sonstige wichtige Hinweise für Beratungsstellen und durchführende Ärzt*innen zu sichern, wird ein digitales Informationsportal unter höchsten Datenschutz- und IT-Sicherheitsvorgaben eingerichtet. Auf diesem Portal sind regelmäßig aktualisierte Informationen zu finden, inklusive einer Abbildung wo welche Ärzt*innen und Kliniken Abbrüche durchführen. Zusätzlich schafft das Portal Vernetzungsmöglichkeiten.
b. Weiter wird eine konstruktive Zusammenarbeit gefördert, indem die Staatsregierung regelmäßig Runde Tische mit Vertreter*innen der zuständigen Ministerien, Regierungsbezirken, Ärzt*innen, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, und Beratungsstellen organisiert. Dabei wird eine ausgewogene Beteiligung von städtischen Ballungsräumen sowie ländlichen Regionen eingehalten.
6. Weder Tabu noch zu teuer: Entkriminalisierung und Barrierefreiheit durch Kostensenkungen
Die Entwicklungen auf der Bundesebene begleiten wir konstruktiv. In diesem Rahmen soll auf ein Ende der pauschalen Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und eine Abschaffung des § 218 StGB mit der Einführung einer neuen Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches hingewirkt werden. Zusätzlich braucht es für echte Versorgungssicherheit einen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen als kostenfreie Gesundheitsleistung, samt Übernahme aller anfallenden Kosten. Wir stärken die reproduktive Selbstbestimmung mit kostenlosem Zugang zu Verhütung für alle Altersgruppen sowie den garantierten Zugang zu Beratungsangebote zu Familienplanung, Sexualität und Schwangerschaftskonflikten.