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HIV Prävention in Bayern - Zahlen steigen, Staatsregierung muss aktiv werden!

Anfrage der Landtags-Grünen

19. Juli 2024

Aus den Antworten auf eine Anfrage der Landtags-Grünen geht hervor:

Die Ansteckungszahlen bei HIV steigen wieder, auch unter heterosexuellen Menschen. Auch andere sexuell übertragbare Krankheiten breiten sich wieder stärker aus. Doch statt für mehr Aufklärung und Information in der breiten Öffentlichkeit zu sorgen, sieht die Staatsregierung keinen Anlass zu handeln.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Anfrage:

  • Die HIV Neudiagnosen steigen seit 2021 – auch wenn 2020 und 2021 aufgrund der Corona-Pandemie deutlich weniger Testungen stattgefunden haben und ein gewisser Nachholeffekt wahrscheinlich ist, bleibt eine deutlich steigende Tendenz erkennbar. Zum Vergleich: 2015 bis 2018 fielen die Zahlen. 
  • Heterosexuelle Kontakte haben inzwischen Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) als größten Übertragungsweg abgelöst (seit 2022 ist dies erstmals erkennbar. Die Einführung der PreP, „Prä-Expositions-Prophylaxe“, als Medikament war 2019) 
  • Rund 12.200 Menschen in Bayern leben mit HIV – davon rund 1.000 vermutlich, ohne es zu wissen.
  • Die Zahl an HIV-Schwerpunktpraxen stagniert, die Zahl der Ärzte mit entsprechender Qualifikation sinkt sogar. Die Praxen sind darüber hinaus auch noch sehr ungleich verteilt. Ganz Ost-Bayern hat nur zwei, je eine in Regensburg und Landshut. Oberfranken hat gar keine. 11 von 28 Praxen sind in München.
  • Die Zahl der PreP-Nutzer*innen steigt kontinuierlich (seit 2019 verdreifacht, seit 2020 verdoppelt) und liegt 2023 bei gut 6.100.
  • Der Schutz vor einer HIV-Übertragung durch PreP steht nicht überall zur Verfügung. Die Zahl der PreP-Praxen und qualifizierten Ärzte steigt zwar, aber die ländlichen Gebiete sind nach wie vor sehr unterversorgt. Nur 9 von 45 Praxen sind nicht in Großstädten. Oberfranken hat nach wie vor gar keine Praxis.
  • Die regionale Verteilung des Infektionsgeschehens bei HIV und STDs ist erwartbar in großen Städten höher – hier finden aber auch deutlich mehr Testungen statt aufgrund der niedrigschwelligen Strukturen.
  • Beim Thema Aufklärung und Prävention verweist die Staatsregierung auf zeitlich begrenzte Aktionen (HIV-Testwochen, Präventionskampagne „Mit Sicherheit besser“) und auf die psychosozialen AIDS-Beratungsstellen in den Bezirken. Dass diese Strukturen die breite Öffentlichkeit nicht erreichen, dürfte unstrittig sein. Die Staatsregierung tut quasi nichts gegen das verbreitete Un- bzw. Nichtwissen über HIV und AIDS.
  • Die Daten sind nicht vollständig: Zahlen zu Gonorrhoe und Chlamydien fehlen (aufgrund von „Entwicklungen in der Meldesoftware“). Für einen Teil der bedenklichen Entwicklung ist die Staatsregierung augenscheinlich blind. 
  • Die Syphilis-Infektionen nehmen zu. Von gut 1.000 pro Jahr vor Corona liegen wir jetzt bei über 1.400 – über 95 Prozent der Betroffenen sind Männer. Der größte Teil entfällt auf MSM (1.000), aber auch bei Heterosexuellen steigen die Inzidenzen.
  • Hepatitis B steigt kontinuierlich seit 2014, obwohl es eine empfohlene Standard-Impfung gibt – im Vergleich zu 2016 ist das eine Vervierfachung!

Die Landtags-Grünen fordern:

  • Mehr kostenlose und auch anonyme Testangebote für HIV und STDs – gerade in der Fläche
  • Verpflichtende Fortbildungsmodule für Hausärzte zu HIV und STDs, weil sie die niedrigschwelligste Anlauf- und Teststelle für die Bevölkerung sind
  • Wahrnehmbare Kampagnen des Gesundheitsministeriums, die dem verbreiteten Un- und Nichtwissen über HIV und STDs entgegentreten und sämtliche Schutzmöglichkeiten aufzeigen
  • Mehr Förderung und Zusammenarbeit mit den Aidshilfen in Bayern, um Beratungs- und Aufklärungsangebote ausbauen zu können

Florian Siekmann, Sprecher für queeres Leben, sagt:

„HIV ist kein reines „Schwulenproblem“ mehr, sondern verbreitet sich mittlerweile sogar stärker unter Heterosexuellen. Das Wissen über die unterschiedlichen Möglichkeiten sich zu schützen und über die steigenden Zahlen ist gerade in der heterosexuellen Welt noch nicht wirklich angekommen. Wir fordern die Staatsregierung auf diesem verbreiteten Un- und Nichtwissen entschieden entgegenzutreten und zusammen mit den Aidshilfen und HIV-Initiativen in Bayern endlich wahrnehmbare Kampagnen und Informationen aufzulegen, die die breite Gesellschaft erreichen. Die bestehenden Angebote sind dabei eindeutig zu wenig!“

„Auch bei den sexuell übertragbaren Krankheiten steigen die Zahlen in den letzten beiden Jahren massiv – auch hier nicht nur unter MSM. Die Staatsregierung kennt aber z.B. zu Tripper und Chlamydien gar keine Zahlen und ist für einen Teil dieser bedenklichen Entwicklung blind. Wir brauchen hier dringend mehr Testangebote, mehr Bewusstsein für die Gefahren einer Infektion in der sexuell aktiven Bevölkerung. Gerade die Hausärzte müssen für die Themen HIV und STDs stärker geschult werden, denn viele der sexuellen übertragbaren Krankheiten verlaufen lange symptomlos und werden unentdeckt später umso schwerer zu behandeln.“