Inneres | Recht
Fall Glaubitz: CSU-Ministerium hält Klage mit absurd hohem Streitwert für vertretbar
Gülseren Demirel spricht von „völlig überzogener politischen Disziplinierungsmaßnahme gegen einen ehrenamtlichen Kommunalpolitiker“
22. Januar 2019
„Entweder ist das eiskaltes, auf Einschüchterung zielendes politisches Kalkül oder unfassbare Wurschtigkeit!“ Brüskiert zeigt sich Gülseren Demirel, integrationspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, von der Antwort des CSU-Innenministeriums auf ihre umfangreiche schriftliche Anfrage (Anhang) zum Fall des ehrenamtlichen Erdinger Kreisrats Stephan Glaubitz (Grüne). Der sieht sich mit einer Unterlassungsklage des Freistaats Bayern auf Veranlassung des Erdinger Landrats Bayerstorfer konfrontiert, in der die Rücknahme verschiedener Aussagen zur Erteilung von Arbeitserlaubnissen für Asylbewerber durch die Ausländerbehörde am Landratsamt Erding gefordert wird.
Der Fall, in dem das Landesamt für Finanzen als Kläger auftritt, wird am 5. Februar um 13.30 Uhr vor dem Landgericht Landshut verhandelt. Gülseren Demirel spricht wie Glaubitz-Anwalt Jerzy Montag von einem „bayernweit einmaligen Vorgang politischer Disziplinierung eines ehrenamtlichen Kreisrats“ und fordert von der schwarz-orangen Landesregierung, den mit einem absurd hohen Streitwert von 91.561,07 Euro angesetzten Prozess fallen zu lassen.
„Die Ansetzung des Streitwerts ist in höchstem Maß unanständig und dient ganz offensichtlich ausschließlich der Einschüchterung des Beklagten“, kritisiert Gülseren Demirel nach Durchsicht der Antworten auf ihre Anfrage. Da die Gerichte in der Regel die angesetzten Streitwerte übernähmen, sieht sich Kreisrat Glaubitz einem Prozesskostenrisiko von bis zu 45.000 Euro ausgesetzt. Angesichts der Gerichtskostenfreiheit für den klagenden Freistaat Bayern, der offensichtlich mit dem Klageanwalt vereinbarten Abrechnung nach Zeitaufwand (Antwort 3.2.) und dem implizit angeführten Ziel, diese Klage vor einem Landgericht verhandeln zu lassen (Antwort 3.1.) wäre jeder Streit knapp über einem Betrag von 5.000 Euro (darunter ist ein Amtsgericht zuständig) ausreichend gewesen.
„Erschreckend ist, dass das CSU-Innenministerium die extrem harte Gangart des Klageanwalts gutheißt und keinen Anlass sieht, hier regulierend einzuschreiten“, so Gülseren Demirel. „Demaskierend“ findet die Grünen-Integrationspolitikerin zudem zwei Detailantworten die Inhalte der Klage betreffend. So soll der ehrenamtliche Kreisrat Glaubitz nach dem Willen der Klagepartei zum einen erklären, dass die Ausländerbehörde am Landratsamt Erding die ministeriellen Weisungen zur Erteilung von Arbeitserlaubnissen vollumfänglich befolgt. Allerdings will das CSU-Innenministerium diese nicht öffentlich machen, denn hier handle es sich um „behördeninterne Vollzugshinweise …, die nicht auf Außenwirkung gerichtet sind“ (Antwort 4.1.). Zum anderen soll Glaubitz seine Kritik an der geringen Anzahl erteilter Arbeitserlaubnisse zurücknehmen. Die Herausgabe konkreter Zahlen verweigert das CSU-Innenministerium allerdings mit dem Hinweis auf einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand (Antwort 5.1.).
Gülseren Demirel sieht den gesamten Vorgang als „völlig überzogene politische Disziplinierungsmaßnahme gegen einen ehrenamtlichen Kommunalpolitiker. Diese fällt zudem noch in die Zeit, in der Parteien Kandidatinnen und Kandidaten für die bayerische Kommunalwahl 2020 suchen. Mit dem sturen Festhalten an dieser politischen Klage erweist die schwarz-orange Landesregierung unserer Demokratie deshalb einen Bärendienst.“
Bereits vor Weihnachten 2018 hatten die Grünen-Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann in einem offenen Brief an CSU-Ministerpräsident Markus Söder die Rücknahme der Klage gefordert. Eine Antwort auf dieses Schreiben steht bis heute aus.