Mobilität
Internes Dossier des Finanzministeriums über Event-Arena am Flughafen München
Geheimniskrämerei und Hinterzimmerdenken der Söder-Regierung
21. September 2020
Auf dem Gelände des Flughafens München soll eine große Event-Arena mit Platz für bis zu 20.000 Menschen entstehen. Weitere Details sind bisher nicht bekannt. Die Vorstellung des Bauprojekts im Planungsausschuss der Stadt Freising fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Um einen Einblick in Planungsstand und Verfahren zu bekommen und gegenüber der interessierten Öffentlichkeit Transparenz herzustellen, hat Johannes Becher, Betreuungsabgeordneter der vom Flughafen München betroffenen Landkreise Freising und Erding, eine umfassende Anfrage an die Staatsregierung gestellt.
Die Antwort des CSU-Finanzministeriums war von geringem Informationsgehalt und ließ zahlreiche Fragen unbeantwortet. Mit der Antwort wurde – wohl versehentlich – allerdings auch eine Anlage versandt, die interessante Einblicke in die Art und Weise der Bearbeitung Schriftlicher Anfragen, in das Politikverständnis und den Stil der Bayerischen Staatsregierung gewährt. Von Seiten des Finanzministeriums wurde fünf Tage nach Zugang der Dokumente darum gebeten, das Dossier vertraulich zu behandeln und sogar vollständig zu vernichten. Johannes Becher hält die im Dossier ausgeführten Informationen im Hinblick auf die erwartbaren Auswirkungen für die Flughafenregion, das Recht der Öffentlichkeit auf eine transparente Politik sowie das Recht der Abgeordneten auf umfassende Information für so bedeutsam, dass er dieser Bitte nicht nachkommt.
Baurecht:
Baurechtlich liegt der angedachte Standort der Eventhalle im Vorranggebiet Flughafen. Die Baugenehmigung stellt laut Dossier „einen wesentlichen Problempunkt dar“. Da der Investor ein Baurecht mittels Bebauungsplans als „sehr zeitkritisch“ beurteilt, werden nun die Staatsregierung und die FMG kreativ, wie über eine luftrechtliche Planfeststellung Baurecht für diese Halle geschaffen werden kann. Das bestehende Baurecht des Flughafens soll dementsprechend genutzt werden, um die üblichen Prozesse zu umgehen. Zwingend erforderlich sei ein „positive Vorabstimmung mit der Planfeststellungsbehörde“. Anschließend daran werden verschiedene Optionen andiskutiert, um die baurechtlichen Sonderrechte des Flughafens für eine Baugenehmigung der Eventhalle auszunutzen. Die grüne Landtagsfraktion fordert ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren. Wenn der Flughafen Flächen besitzt, die er derzeit und auch in Zukunft selbst nicht benötigt, gehören diese dementsprechend aus dem Vorranggebiet Flughafen herausgenommen. Dies ermöglicht dann die Durchführung eines ordnungsgemäßen Bauplanungsverfahrens, sofern die Stadt Freising ein solches anstreben möchte – ganz ohne Hintertür und ohne Sonderrechte.
Nachdem bereits im Zuge der Planung des Lab Campus die Flughafenaffinität der Gewerbeansiedlung teilweise nicht nachvollziehbar war, ist die im Dossier beschriebene „Beförderung evtl. Überlegungen das Vorranggebiet Flughafen ganz aufzugeben“ nachvollziehbar. Aus unserer Sicht ist der Flughafen München mit seiner derzeitigen Größe bereits mehr als voll ausgebaut.
Konkurrenzpotenzial:
Laut Dossier ist die Halle für bis zu 20.000 Personen mit etwa 40 flexibel kombinierbaren Veranstaltungssälen und Räumen geplant. Somit dürfte die Größe von der XXL-Konzerthalle bis zum kleinen Tagungsraum reichen. Daraus ergibt sich laut Einschätzung des Finanzministeriums eine „erhebliche Konkurrenzsituation“ zur Münchner Olympiahalle sowie eine „direkte und harte Konkurrenz“ zum ICM der Messe München GmbH und damit erwartbar negative Folgewirkungen für deren Gesellschafter der öffentlichen Hand: Freistaat und Stadt München. Durch die zahlreichen Säle und flexiblen Verkleinerungsmöglichkeiten der Eventhalle ergibt sich zudem aus unserer Sicht eine erhebliche Konkurrenz zu sämtlichen Veranstaltungshallen im näheren und weiteren Umkreis.
Zusätzliche Bauvorhaben:
Weiterhin gibt das Dossier Aufschluss über ein bisher nicht öffentlich bekanntes zusätzliches Bauvorhaben auf dem betreffenden Grundstück. So soll neben der Halle und dem Parkhaus auch ein Hotel entstehen. Dieses Hotel ist in einer Größenordnung angedacht, die laut Dossier die Befürchtung mit sich bringt, in Konkurrenz zum bereits auf dem Flughafengelände bestehenden Hilton-Hotel zu treten und dessen Ausbau unrentabel zu machen. In Bezug sowohl auf das Hotel als auch das Parkhaus befürchtet das Finanzministerium „negative Wechselwirkungen mit dem originären FMG-Geschäft“. Hier entstünden demnach weitere Nachteile für die öffentliche Hand. Ein neues Hotel steht selbstverständlich auch in Konkurrenz zu weiteren Hotels in der Region.
Politische Gegner*innen:
Laut Dossier zeigen sich insbesondere „Freisinger Grüne sowie zum Teil Presse dem Projekt kritisch gegenüber“. Weiter sei „aufgrund zu erwartender genereller Vorbehalte/Widerstände im Flughafenumland sorgfältig abzuwägen, ob Unterstützung des Projektes mit Blick auf damit mittelbar belastete eigene Flughafenausbauprojekte sinnvoll“ ist. Die FMG rechnet laut Dossier zudem mit Widerstand von Naturschutzverbänden und sonstigen Projektgegnern. Diese Ausführungen zeigen deutlich, dass die Frage, ob die Halle für das Gemeinwohl zwingend sinnvoll und erforderlich ist, zurücktritt hinter taktischen Abwägungen, wie die FMG und ihre geplanten Ausbauprojekte im Umland ankommen.
Persönliche Verbindungen:
Bemerkenswert erscheint, dass auf Seite 3 des Dossiers folgendes vermerkt wird: „Investor [unterstützt durch MdL Sauter]“. Herr MdL Sauter ist Direktabgeordneter aus dem Landkreis Günzburg und ehemaliges langjähriges Mitglied der Bayerischen Staatsregierung. Dieser Vermerk wirft eine ganze Reihe von Fragen auf: Welche Bedeutung für den weiteren Verlauf des Bauvorhabens hat die Unterstützung durch MdL Sauter, wenn dies sogar in diesem internen Dossier der Staatsregierung genannt wird? Kann der Investor eine positive Beeinflussung der Prozesse erwarten, wenn er durch MdL Sauter unterstützt wird? Ist Herr Sauter hier in seiner Funktion als Abgeordneter des Bayerischen Landtags oder im Rahmen einer Nebentätigkeit aktiv? Im Dossier zumindest wird er explizit als MdL und nicht als Rechtsanwalt betitelt. Wird MdL Sauter für die Unterstützung bezahlt?
Die Glaubwürdigkeit von Politik lebt aus Sicht der Grünen-Landtagsfraktion maßgeblich von Transparenz. Ministerpräsident Markus Söder hatte zu seinem Antritt erklärt, einen neuen, offeneren Politikstil pflegen zu wollen. Das genannte Dossier zeigt dagegen, dass Hinterzimmerdenken und das Verschleiern oder gar Vorenthalten von Informationen gegenüber dem Parlament nach wie vor zum Alltagsgeschäft der CSU gehören. In öffentlichen Debatten wird das Parlament oft und gerne als Herzkammer der Demokratie bezeichnet. Das hier dargestellte Beispiel zeigt aber, dass der Umgang der Bayerischen Staatsregierung mit dem Bayerischen Landtag im Gesamten und seinen Abgeordneten im Einzelnen nicht immer den demokratischen Ansprüchen entspricht. Wer Informationen in so umfassender Weise, wie mit diesem Dossier geschehen, sammelt, sie aber selbst auf Nachfrage durch den offiziellen parlamentarischen Weg der Schriftlichen Anfrage zurückhält bzw. nur ausversehen preisgibt, muss sich zurecht der Kritik des Parlaments und der Öffentlichkeit aussetzen. Wir fordern hierzu eine Stellungnahme des Finanzministeriums und des Ministerpräsidenten.
Bewertung des geplanten Bauvorhabens durch Johannes Becher
Grundlage für die Bewertung eines Bauvorhabens ist es, umfassende Transparenz über das Bauvorhaben herzustellen, um eine detaillierte Auseinandersetzung und fundierte Meinungsbildung überhaupt erst zu ermöglichen. Auf Basis der jetzt bekannt gewordenen Informationen sieht Johannes Becher das Bauvorhaben als Betreuungsabgeordneter der Flughafen-Landkreise Freising und Erding aus mehreren Gründen kritisch.
- Standort: Sowohl ökonomisch als auch ökologisch sind diverse negative Auswirkungen durch den Bau der Eventhalle zu erwarten. Die Konkurrenz zu den bestehenden Veranstaltungshallen im Umkreis ist absehbar und teilweise eklatant. Ohne einen Nutzungsplan für die bestehenden Hallen und eine Bedarfsanalyse für eine weitere Eventhalle in dieser Größenordnung ist das Bauvorhaben grundsätzlich infrage zu stellen. Zusätzlich würde mit dem Bau erneut eine immense Flächenversiegelung vorgenommen. Nicht ohne Grund befürchtet die FMG im Dossier eine „negative öffentliche Wahrnehmung durch zusätzlichen Flächenverzehr und hohes Bauvolumen“. Unsere Argumente gegen den Bau einer dritten Startbahn gelten auch hier: Das Erdinger Moos ist ein riesiger CO2-Speicher und gehört - wo es noch möglich ist - vernässt statt versiegelt.
- Verkehrsaufkommen: Die Eventhalle würde laut Dossier zu einer „deutlichen Mehrbelastung der Infrastruktur und des Personennahverkehrs“ in der Region führen. Zudem rechnet die Staatsregierung mit „Synergiepotenzialen“ durch „zusätzliches Passagieraufkommen (Veranstaltungstourismus)“. Die Region ist durch das bestehende (Luft-)Verkehrsaufkommen bereits extrem belastet. Die Situation darf nicht durch ein nicht zwingend erforderliches Mega-Bauvorhaben