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Letzte Hoffnung Petition

Braucht Bayern ein besseres Petitionsrecht?

06. Juli 2020

Braucht Bayern eine*n unabhängige*n Bürgerbeauftragte*n und ein besseres Petitionsrecht? Das war die Frage, die wir am 16.06.2020 in unserem Online-Expertengespräch diskutiert haben.

Auf dem Podium:
•    Bea Böhlen, Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg und Ansprechpartnerin in Sachen Landespolizei
•    Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter, ehemaliger Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing
•    Barbara Schleicher-Rothmund, Bürgerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz und Beauftragte für die Landespolizei

Ob Schülerbeförderung mit dem Schulbus, drohende Abschiebung oder Ärger mit der Polizei – wer sich von Behörden in Bayern nicht gerecht behandelt fühlt, kann sich direkt an die Abgeordneten des Bayerischen Landtags richten. So steht es in der Bayerischen Verfassung. Das bayerische Petitionsrecht gilt zwar traditionell als bürgernah. Aber wird Bayern wirklich dem Bedarf nach einem modernen, transparenten und bürgerfreundlichen Umgang mit Beschwerden der Bürger*innen über Problemen mit der Verwaltung gerecht?

Das Bayerische Petitionsgesetz wurde zuletzt im Jahr 2006 geändert. Seitdem hat sich einiges verändert. Online-Petitionen auf privaten Internetportalen wie „openPetition“ und „change.org“ finden regen Zulauf. Im Bundestag können Petitionen von jedermann mitunterzeichnet und online diskutiert werden. Zudem haben etliche Bundesländer das Amt einer*s unabhängige*n Bürgerbeauftragten geschaffen. Eine solche Ombudsperson hat bei Problemen zwischen Bürger*innen und Verwaltung immer ein offenes Ohr und vermittelt.

Dagegen sind moderne Formen des Ombudswesens in Bayern weitgehend unbekannt. Und das Recht auf Petition gegenüber dem Landtag wird in Bayern nach wie vor als eine Art Gnadenrecht gehandhabt. Trotzdem setzen die Bürger*innen oft große Hoffnung in Petitionen, die sie an den Bayerischen Landtag stellen. Und allzu oft werden diese Hoffnungen unnötig enttäuscht. Grund dafür sind Schwächen im aktuellen Petitionssystem, die Toni Schuberl, rechtpolitischer Sprecher der Fraktion, zu Beginn der Veranstaltung skizzierte. Dazu zählt beispielsweise die geringe Vorbereitungszeit, die den Abgeordneten, die über das Anliegen entscheiden, eingeräumt wird. Außerdem ist der Landtag in jedem Fall auf eine Stellungnahme der Staatsregierung und ihrer Ministerien als Entscheidungsgrundlage angewiesen, selbst wenn es um das Handeln untergeordneter Behörden geht. Die Abgeordneten können nicht direkt auf die Behörden zugehen.

Stephanie Schuhknecht, die grüne Vorsitzende des Petitionsausschusses im Bayerischen Landtag ergänzte, dass es den Petent*innen sehr wichtig ist, mit ihrem Anliegen zu Wort zu kommen und gehört zu werden. Auch wenn sie und ihre Kolleg*innen im Landtag versuchen, dem gerecht zu werden, kann das aber schon angesichts des engen Zeitplans im Landtagsbetrieb von vornherein nur in einem sehr eingeschränktem Maße gelingen.

Dass sich Fragen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über das Handeln der Verwaltung auch anders klären lassen, zeigen Beispiele aus anderen Bundesländern. Im Rahmen unserer Veranstaltung hatten wir die beiden Bürgerbeauftragten aus Baden-Württemberg und aus Rheinland-Pfalz zu Gast, die von ihrer Arbeit berichteten

Barbara Schleicher-Rothmund bekleidet seit dem Jahr 2018 das Amt der Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz. Sie stellte die Aufgaben und Arbeitsweise ihrer unabhängigen Behörde vor, die 1974 als bundesweit erste ihrer Art geschaffen wurde. Als Bürgerbeauftragte nimmt sie landesweit sämtlich Eingaben und Beschwerden entgegen. Soweit es sich um Beschwerden über Verwaltungsbehörden handelt, werden viele der Probleme von der Bürgerbeauftragten erfolgreich mediatorisch gelöst. Dazu darf sich die Bürgerbeauftragte direkt an jede Behörde in Rheinland-Pfalz wenden. Und sie bietet Sprechstunden im ganzen Land an. Das alles führt dazu, dass die Bürgerbeauftragte in Rheinland-Pfalz eine hohe Akzeptanz und Reputation genießt.

Bea Böhlen, die Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg berichtete von ihrer Tätigkeit. Sie wies darauf hin, dass das Amt eine unabhängigen Bürgerbeauftragten einen Mehrwert nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für die Verwaltung selbst hat. Probleme der Bürger*innen werden einvernehmlich gelöst und Missverständnisse können aufgeklärt werden. Ebenso wie in Rheinland-Pfalz ist die Bürgerbeauftragte in Baden-Württemberg zugleich unabhängige Ansprechpartnerin in Sachen Landespolizei. Alle Bürger*innen aber auch alle Polizeibedienstete können sich mit Beschwerden vertrauensvoll an sie wenden.

Professor Oberreuter, ehemaliger Direkter der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, ordnete diese Entwicklungen aus politikwissenschaftlicher Sicht ein. Für ihn machen die Beispiele aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz deutlich, dass Petitionen und die Arbeit unabhängiger Bürgerbeauftragter Vertrauen bei den Bürger*innen schaffen. Denn im Mittelpunkt steht hier immer der Einzelne und seine Anliegen, um das sich gekümmert wird. Dafür ist ein Bedarf in der Bevölkerung vorhanden. Von zentraler Bedeutung ist dabei aber, dass der Bürgerbeauftragte auch unabhängig von der Stelle ist, über die sich die Menschen beschweren. Zwar hat auch der Bayerische Ministerpräsident einen Bürgerbeauftragten ernannt. Aber diese bayerische Konstruktion hat ihre Schwächen. Denn dieser Bürgerbeauftragte ist hierzulande derzeit eben nicht unabhängig, sondern wird von der Exekutive berufen und entlassen. Dafür sollte aber besser der Landtag zuständig sein. Das Gleichgewicht der Gewalten wird dadurch nicht gestört. Vor allem wäre eine Legitimation des oder der Bürgerbeauftragten von zwei Dritteln des Landtages viel wert. So würde der oder die Bürgerbeauftragte in Bayern dann vielleicht auch deutlich sichtbarer und bekannter werden, als es bisher der Fall ist.

Diskutiert haben wir mit unseren Expert*innen auch Themen wie die Abgrenzung zu privaten Petitionsplattformen und sonstige Reformideen im Bereich des Petitionsrechts.

Wir Grüne wollen die Grundrechte der Menschen in Bayern besser schützen und setzen uns deshalb für eine wirkungsvollere Bearbeitung von Bürgeranliegen ein. Das Gespräch mit den Expertinnen und Experten bestärkt uns darin, dass Bayern einiges besser machen kann und von anderen Bundesländern lernen sollte. Wir Landtagsgrüne wollen das beste, modernste und bürgerfreundlichste Petitionsrecht in Deutschland. Und wir wollen eine unabhängige, gut ausgestattete Bürger*innenbeauftragte berufen, die Probleme mit der Verwaltung schon im Vorfeld lösen kann. Auch die Schaffung eines unabhängigen Polizeibeauftragten, wie wir sie schon in der letzten Legislaturperiode gefordert hatten (Link zum Antrag), ist wichtig und trifft einen Nerv. Das zeigt nicht zuletzt die aktuelle Debatte, welche die Black-Lives-Matter-Bewegung angestoßen hat. Durch all diese Reformideen wird künftig eine Petition gegenüber dem Landtag vielleicht nicht mehr der Bürger*innen letzte Hoffnung sein.