Inneres | Recht
Katharina Schulze: „Diskussion um Polizeiaufgabengesetz ist noch lange nicht vorbei!“
14. Juni 2023
Mehr als 30.000 Bürgerinnen und Bürger sind 2018 in ganz Bayern gegen das CSU-Polizeiaufgabengesetz auf die Straße gegangen. Die Landtags-Grünen und zahlreiche andere klagten gegen das PAG. Nun hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof das erste Urteil zu einer der Klagen, jener des ‚Bund für Geistesfreiheit‘, gefällt. In entscheidenden Punkten fiel keine Entscheidung, da die vorliegende Klage hier nicht die Schwelle der Zulässigkeit genommen hat.
Dazu erklärt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen: „Mit diesem Urteil ist die Diskussion um das Polizeiaufgabengesetz noch lange nicht vorbei! Heute hat das Gericht zur Frage, ob die ‚drohende Gefahr‘ als Eingriffsbefugnis im allgemeinen Polizeirecht verfassungskonform ist, keine Entscheidung getroffen. Das wird ein zentraler Punkt bei der Verhandlung der weiteren offenen Klagen sein. Mit dem Polizeiaufgabengesetz hat die CSU die Menschen in Bayern tief verunsichert und in Sorge um ihre ganz grundlegenden, verfassungsmäßigen Rechte gestürzt. Diese Sorge bleibt bestehen.“
Katharina Schulze macht klar: „Hier wurde nur ein Verfahren von vielen behandelt, jedes hat gänzlich unterschiedliche Argumentationslinien. Eine Vorentscheidung für unsere eigenen Klagen stellt dieses Urteil eindeutig nicht dar. Die offenen Sachfragen sind weiterhin zu debattieren. Wir freuen uns auf die mündliche Verhandlung unserer Klagen und sind auf den Austausch gespannt. Nicht zu vergessen sind auch die beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anhängigen Klagen gegen das PAG.“
Seit 2017 hat die CSU-Staatsregierung die Eingriffsbefugnisse der Polizei massiv ausgeweitet. Die 1. und 2. PAG-Novelle ermöglichen etwa das Überwachen von Telefon, E-Mails und Online-Durchsuchungen bei lediglich „drohender Gefahr“. Nach massivem Protest der Öffentlichkeit korrigierte die Söder-Regierung einige Punkte, folgte aber nicht einmal allen Empfehlungen der zuvor eingesetzten PAG-Kommission.
Dazu Katharina Schulze: „Seit fünf Jahren kämpfen wir Grüne für ein bürgerfreundliches Polizeiaufgabengesetz. Wir wollen, dass alle Menschen in Bayern frei und sicher leben können. Die gewaltige Kritik der Zivilgesellschaft und zahlreicher Expertinnen und Experten bestätigt uns hier. Doch an der CSU perlt das bisher einfach ab. Sie hat Reformen groß angekündigt und dann enttäuscht. Das derzeitige Polizeiaufgabengesetz ist ein bürgerrechtlicher Albtraum, der so nicht stehen bleiben darf!“
Hintergrund:
Die Landtags-Grünen klagen seit dem 27. März 2018 (1. Novelle) und dem 6. Juni 2018 (2. Novelle) gegen die beiden Novellen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Durch die Novellen können fast alle polizeilichen Maßnahmen nun schon bei lediglich „drohender Gefahr“ angewendet werden. Das ist eine Verlagerung der Eingriffsbefugnis der Polizei ins Gefahrenvorfeld, die das Bundesverfassungsgericht bislang nur zur Terrorismusabwehr anerkennt. Zudem verfügt die Polizei in keinem anderen Bundesland über die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger so lange in Vorbeugehaft zu nehmen. Der ausufernde Präventivgewahrsam, also eine Haft ohne Straftat und Urteil, wurde mit der Argumentation eingeführt, man brauche das Mittel gegen die Gefahr durch islamistische Gefährder*innen. Angewendet wird er aber längst auch in anderen Fällen, etwa im ersten Corona-Lockdown oder gegenüber Demonstrierenden gegen die Klimakrise.