Inneres | Recht

Jahrelanger Kampf für besseres PAG

29. Januar 2025

Mündliche Verhandlung zur PAG-Klage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof

„Wir Grüne kämpfen seit mehr als sieben Jahren für ein bürgerfreundliches Polizeiaufgabengesetz. In seiner aktuellen Fassung ist es der reinste Albtraum für die Rechte der bayerischen Bürgerinnen und Bürger“, erklärt Jürgen Mistol, parlamentarischer Geschäftsführer der Landtags-Grünen und Mitglied des Fraktionsvorstands. „Darin bestätigt uns auch die geballte Kritik zahlreicher Expertinnen und Experten und aus der Zivilgesellschaft. Gemeinsam mit den vielen anderen Klägerinnen und Klägern begrüßen wir, dass das Verfahren nun endlich einer Entscheidung zugeführt wird.“

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof führt am heutigen Mittwoch, 29. Januar, ab 10.30 Uhr, erstmals eine mündliche Verhandlung zu einer der Grünen-Klagen* gegen das Polizeiaufgabengesetz (PAG) durch. Zentral wird dabei die Frage sein, ob die Eingriffsbefugnis der sogenannten „drohenden Gefahr“ in ihrer derzeitigen Ausgestaltung verfassungskonform ist.

Seit 2017 hat die CSU-geführte Staatsregierung die Eingriffsbefugnisse der Polizei massiv ausgeweitet. Die 1. und 2. PAG-Novelle ermöglichen etwa das Überwachen von Telefon, E-Mails und Online-Durchsuchungen bei lediglich „drohender Gefahr“. Die Kritik war gewaltig. Mehr als 30.000 Bürgerinnen und Bürger sind vor sieben Jahren in ganz Bayern gegen das CSU-Polizeiaufgabengesetz auf die Straße gegangen. Die Landtags-Grünen und zahlreiche andere Organisationen und Vertreter*innen der Wissenschaft klagten gegen das PAG. Nach diesem umfassenden Protest der Öffentlichkeit korrigierte die Söder-Regierung einige Punkte, folgte aber nicht einmal allen Empfehlungen der zuvor eingesetzten PAG-Kommission.  

Jürgen Mistol: „Die Menschen in Bayern sind zurecht schockiert über dieses Gesetz. Es ist ein Eingriff in die Bürgerrechte der gesamten Bevölkerung, den wir bisher nur aus der Terrorismusabwehr kannten. Das geht zu weit. Darum haben wir Grüne uns auch von Anfang an klar gegen die extremen Verschärfungen, wie den zunächst zeitlich unbegrenzten Präventivgewahrsam, gestellt. Trotz einiger Korrekturen, die unserem gemeinsamen Protest zu verdanken sind, bleibt das PAG auch in seiner jetzigen Form verfassungswidrig. Mehr Sicherheit erreichen wir nicht durch eine Beschneidung der Bürgerrechte, sondern durch eine gute Ausstattung unserer Polizei und verfassungsfeste Rechtsgrundlagen. Das stärkt uns auch als Gesellschaft. Wir erwarten nun gespannt das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.“ 

 

* Hinweis: Es sind zwei Meinungsverschiedenheiten gegen das PAG I und PAG II anhängig:

Bei diesen Klagen wurden Teile der Verfahren abgetrennt. Die mündliche Verhandlung beschäftigt sich daher nur vorerst nur mit der Frage, ob die Eingriffsbefugnis der „drohenden Gefahr“ in ihrer derzeitigen Ausgestaltung, Art. 11a PAG, verfassungskonform ist. Weitere Kritikpunkte, wie z.B. die verdeckte Postsicherstellung, werden in einem späteren, noch nicht bekannten Termin behandelt werden.

Hintergrund: Die Landtags-Grünen klagen seit dem 27. März 2018 (1. Novelle) und dem 6. Juni 2018 (2. Novelle) gegen die beiden Novellen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Durch die Novellen können fast alle polizeilichen Maßnahmen nun schon bei lediglich „drohender Gefahr“ angewendet werden. Das ist eine Verlagerung der Eingriffsbefugnis der Polizei ins Gefahrenvorfeld, die das Bundesverfassungsgericht bislang nur zur Terrorismusabwehr anerkennt. Zudem verfügt die Polizei in keinem anderen Bundesland über die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger so lange in Vorbeugehaft zu nehmen. Der ausufernde Präventivgewahrsam, also eine Haft ohne Straftat und Urteil, wurde mit der Argumentation eingeführt, man brauche das Mittel gegen die Gefahr durch islamistische Gefährder*innen. Angewendet wurde er aber längst auch in anderen Fällen, etwa im ersten Corona-Lockdown oder gegenüber Demonstrierenden gegen die Klimakrise.