Inneres | Recht
„PAG-Urteil ist Erfolg für uns Grüne und Niederlage für Markus Söder!“

13. März 2025
"Drohende Gefahr" nur bei Terrorismusabwehr
„Das ist ein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger in Bayern, denn dieses Urteil stärkt ihre Grundrechte und schiebt der bürgerrechtsfeindlichen Politik der CSU einen Riegel vor. Das ist auch ein großer Erfolg für uns Grüne und eine Niederlage für Markus Söder, denn von Beginn an war ein Schwerpunkt unserer Kritik, dass die „drohende Gefahr“ als Eingriffsschwelle aus der Terrorismusabwehr im allgemeinen Polizeirecht nichts zu suchen hat“,
erklärt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit seinem heutigen Urteil klargestellt, dass die Generalklausel des Art. 11a des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und mit ihr die Eingriffsschwelle der „drohenden Gefahr“ nur unter strengen einschränkenden Voraussetzungen mit der Verfassung vereinbar ist und sehr eng verfassungskonform ausgelegt werden muss.
Florian Siekmann, Sprecher für Inneres der Landtags-Grünen, sagt:
„Die CSU hat einen groben politischen Fehler gemacht. Jetzt steht fest, dass sie mit ihrem Versuch, schwerste Grundrechtseingriffe auf Basis der „drohenden Gefahr“ zu ermöglichen, gescheitert ist. Auf die drohende Gefahr aus der Generalklausel darf sich nur noch in einem sehr schmalen Anwendungsbereich berufen werden, nämlich im Wesentlichen nur bei terroristischen oder vergleichbaren Angriffen. Außerdem wird die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger durch die Entscheidung deutlich stärker geschützt, da Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung nicht tiefgehend erfolgen dürfen. Wir brauchen jetzt eine bürgerrechtskonforme Neufassung der Generalklausel, das schafft Klarheit für die Menschen in Bayern und ist für die Polizei besser handhabbar – daran muss die Staatsregierung sofort arbeiten.“
Die CSU-geführte Staatsregierung hat die Eingriffsbefugnisse der Polizei seit 2017 massiv ausgeweitet. Die 1. und 2. PAG-Novelle ermöglichen etwa das Überwachen von Telefon, E-Mails und Online-Durchsuchungen bei lediglich „drohender Gefahr“. Vor rund sieben Jahren sind mehr als 30.000 Bürgerinnen und Bürger in ganz Bayern gegen das CSU-Polizeiaufgabengesetz auf die Straße gegangen. Die Landtags-Grünen und zahlreiche andere Organisationen und Vertreter*innen der Wissenschaft klagten gegen das PAG.
Florian Siekmann: „Die Diskussion um das Polizeiaufgabengesetz geht weiter. Entschieden wurde bisher nur über einen Teil unserer Klage, es sind noch weitere grundrechtsverletzende Regelungen zu verhandeln. Offen sind weiterhin die übergriffigen Artikel zu Postsicherstellung, Durchsuchung von Datenträgern, Online-Durchsuchung sowie Wohnraumüberwachung. Nicht zu vergessen sind auch beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch Klagen gegen das PAG anhängig.
Für uns Grüne ist klar: Nur eine gute Ausstattung unserer Polizei und verfassungsfeste Rechtsgrundlagen bringen mehr Sicherheit für die Menschen in Bayern – nicht die Beschneidung ihrer Rechte.“
Hinweis:
Die Landtags-Grünen sind Antragstellerin zweier Meinungsverschiedenheiten gegen das PAG I und PAG II:
Bei diesen Klagen wurden Teile der Verfahren abgetrennt. Die mündliche Verhandlung beschäftigte sich daher vorerst nur mit der Frage, ob die Eingriffsbefugnis der „drohenden Gefahr“ in ihrer derzeitigen Ausgestaltung, Art. 11a PAG, verfassungskonform ist. Weitere Kritikpunkte, wie z.B. die verdeckte Postsicherstellung, werden in einem späteren, noch nicht bekannten Termin behandelt werden.
Hintergrund:
Die Landtags-Grünen klagen seit dem 27. März 2018 (1. Novelle) und dem 6. Juni 2018 (2. Novelle) gegen die beiden Novellen des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Durch die Novellen können fast alle polizeilichen Maßnahmen nun schon bei lediglich „drohender Gefahr“ angewendet werden. Das ist eine Verlagerung der Eingriffsbefugnis der Polizei ins Gefahrenvorfeld, die das Bundesverfassungsgericht bislang nur zur Terrorismusabwehr anerkennt. Zudem verfügt die Polizei in keinem anderen Bundesland über die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger so lange in Vorbeugehaft zu nehmen. Der ausufernde Präventivgewahrsam, also eine Haft ohne Straftat und Urteil, wurde mit der Argumentation eingeführt, man brauche das Mittel gegen die Gefahr durch islamistische Gefährder*innen. Angewendet wurde er aber längst auch in anderen Fällen, etwa im ersten Corona-Lockdown oder gegenüber Demonstrierenden gegen die Klimakrise.