Integration und Migration

Abschiebungen nach Afghanistan sofort stoppen!

Afghanistan ist nicht sicher, das war die übereinstimmende Meinung beim Informationsgespräch der Landtagsgrünen. Knapp 100 Gäste folgten der Einladung der asylpolitischen Sprecherin Christine Kamm und der integrationspolitischen Sprecherin Margarete Bause.

09. März 2017

„Die massiven Ängste und Unsicherheit der Flüchtlinge vor einer Rückkehr nach Afghanistan zeigt, wie absurd und menschenverachtend die Lageeinschätzung der Bundesregierung ist, in der manche Gebiete in Afghanistan als sicher deklariert werden,“ kritisiert Christine Kamm. „Die CSU-Regierung betreibt die Sammelabschiebungen nach Afghanistan an vorderster Stelle. Ihr Ziel ist der Beifall vom rechten Rand. Doch Kirchen und Wirtschaft sind auf unserer Seite“, stellt Bause fest. Die Betroffenen sind Flüchtlinge, die sich schon seit Jahren in Bayern aufgehalten haben und in Schule, Ausbildung und Arbeit waren. Mitbetroffen sind die Helferinnen und Helfer, die Betriebe, die Flüchtlinge in ihren Betrieb integriert haben, und die Mitschülerinnen und Mitschüler. „Unterricht wie früher ist kaum noch möglich“, so eine Lehrerin.

Bewegend und eindrucksvoll schilderte Hassan Ali Djan seine persönliche Geschichte und die aktuelle Situation in Afghanistan. Als Flüchtling kam er vor 12 Jahren nach einer gefährlichen Flucht nach Bayern. Mit großem Fleiß und Einsatz und mit der Unterstützung von hilfsbereiten Menschen ist ihm die Integration und die Einbürgerung gelungen. Das Rücknahme-Abkommen zwischen der afghanischen Regierung und Deutschland sowie der  EU bezeichnete er als zynischen Deal auf Kosten der Menschen.

Nur unzureichende Unterstützung für Abgeschobene vor Ort
Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion war nach der dritten Sammelabschiebung am 22.2.2017 für mehrere Tage in Afghanistan. Es wurde ihm nicht gestattet, mit den Abgeschobenen mitzufliegen. Die Sicherheitslage sei desaströs. Während sich der gebürtige Iraner, der die Landessprache spricht und die Bräuche und Sitten kennt bei vorherigen Besuchen mit einiger Vorsicht durch das Land bewegen konnte, sei dies nun kaum mehr möglich. So habe er sogar auf dem Botschaftsgelände übernachten müssen. In seinen Gesprächen mit Abgeschobenen und Hilfsorganisationen wurde deutlich, dass es kaum Hilfe für die Rückkehrer gibt. Wer nicht auf Freunde oder Verwandte zurückgreifen kann, bleibt auf sich allein gestellt – in einem Land, in dem viele der Betroffenen seit Jahren nicht mehr waren. Es bestünden keinerlei Strukturen für die hunderttausenden Menschen, die aus Pakistan und vielen anderen Ländern zur Ausreise gezwungen werden. Mit den Sammelabschiebungen aus Deutschland würde Afghanistan zusätzlich weiter destabilisiert.
Nouripour bezeichnete das Rücknahme-Abkommen als ein Angstinstrument, das nicht nur für die Flüchtlinge in Deutschland fatale Folgen habe sondern auch das Bild, das Deutschland in Afghanistan hatte, aushöhlt. Deutschland stehe in den Augen vieler Afghanen nicht mehr für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Wie es einem Abgeschobenen aktuell in Afghanistan ergeht, beschrieb Albert Ginthör, der als Mitglied im Orchester des Gärtnerplatztheater den Künstler Ahmad Shakib Pouya bei seiner Ausreise nach Kabul begleitet hat. Er sprach von deprimierenden Erfahrungen und einem ersten Erfolg: denn Pouya solle in Kürze ein Künstlervisum erhalten und wieder nach München zurückkommen können. Ginthör selber berichtete, dass ihm mehrfach gesagt wurde, wie gefährlich Kabul momentan für ihn sei. Die Summen, die radikale Islamisten für entführte Europäer und Europäerinnen zahlen, seien 300.000 bis 400.000 Euro hoch.

Abschiebungen von Flüchtlingen, die sich integrieren, sind  wirtschaftsfeindlich
Flüchtlinge in Bayern Schutz vor Verfolgung und Krieg zu gewähren ist wichtig, reicht aber nicht. Wir müssen ihnen auch Perspektiven bieten. Diese entstehen vor allem durch Ausbildung und Arbeit. Davon ist IHK für München und Oberbayern nach Aussage von Hubert Schöffmann, dem bildungspolitische Sprecher der IHK in Oberbayern/München, fest überzeugt. Die Wirtschaft engagiert sich in diesem Sinne bereits sehr umfangreich. Viele Unternehmen bieten Praktika an, bilden Flüchtlinge aus oder stellen sie als Fachkräfte oder Helferinnen und Helfer an. Damit tragen sie auch maßgeblich zu deren Integration bei. Integration durch Arbeit und Ausbildung stellt  uns vor viele Herausforderungen und funktioniert nicht immer reibungslos. Und doch bringt sie unterm Strich nicht nur die Flüchtlinge, sondern auch die Unternehmen voran: Die Firmen finden neue engagierte und motivierte MitarbeiterInnen, lernen vieles über andere Kulturen und damit auch über sich selbst.

Das neue Bundesintegrationsgesetz hatte das Ziel, ausbildungswilligen Betrieben die nötige Rechts- und  Planungssicherheit zu geben, indem es das von den bayerischen Industrie- und Handelskammern als auch  den Handwerkskammern vorgeschlagene 3-plus-2-Modell übernommen hat. Diese Regelung würde jedoch nach wie vor von der CSU-Regierung in Bayern unterlaufen. Schöffmann forderte darüber hinaus ein Einwanderungsgesetz und die Möglichkeit eines Spurwechsels von der Asylbegehrung zur Arbeitsmigration.

Abschiebungspolitik nicht hinnehmen
Aus dem Publikum  wurde berichtet, wo sich überall vor Ort Widerstand organisiere, getragen von den verschiedensten  gesellschaftlichen Gruppierungen wie Handwerksbetrieben, Lehrkräften, kirchlichen Organisationen und natürlich all den engagierten Helferkreisen. Wir wollen und noch besser vernetzen, Informationen austauschen, und alles tun, um eine diese zivilgesellschaftlichen Bündnisse zu stärken und den öffentlichen Druck zu erhöhen. Wir bleiben dran!