Integration
Corona-Krise: Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften nicht allein lassen
Gülseren Demirel: Keine zwei-Klassen-Gesellschaft beim Infektionsschutz
09. Juni 2020
„Die Corona-Krise offenbart die Schwächen und blinden Flecken des bayerischen Unterbringungssystems für Geflüchtete – die allerdings nicht erst seitdem bekannt sind“, erklärt die Sprecherin für Asyl, Migration und Flucht, Gülseren Demirel, bei einem Besuch in der Anker-Einrichtung in Manching. Dort sprach sie mit Regierungspräsidentin Els über die Corona-Krise in den Flüchtlingsunterkünften und speziell über die Infektionsschutzmaßnahmen in Manching. Obwohl sich Geflüchtete dreimal so häufig mit Covid-19 infizieren wie der Rest der Bevölkerung in Bayern, „sieht die Söder-Regierung bisher keinen Bedarf, die Schutzmaßnahmen in den Flüchtlingsunterkünften zu erhöhen.“ Dabei haben sich von den 90.000 Flüchtlingen schon 1140 infiziert und der Schnitt von 1,2% in den Unterkünften liegt damit deutlich höher als die 0,4% Infizierten der bayerischen Gesamtbevölkerung. Gülseren Demirel: „Die Geflüchteten können sich auf engstem Raum ohne Hilfe nicht ausreichend vor der Krankheit schützen. Wir dürfen sie nicht allein lassen.“
Sammelunterkünfte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sind besonders gefährdet, zu Hotspots für Corona-Infektionen zu werden. Das ist das Ergebnis einer Studie der Universität Bielefeld. Wird in einer Unterkunft eine Corona-Infektion festgestellt, ergibt sich für alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner ein Ansteckungsrisiko von 17 Prozent. Laut Studie sei zudem an den meisten betroffenen Einrichtungen eine Kollektivquarantäne eingeleitet worden. Das bedeutet: Kontakt- und Ausgangssperren für alle – auch ohne positives Testergebnis oder Kontakt zu den positiv Getesteten. „Die Studie sieht eine Kollektivquarantäne als ethisch und rechtlich bedenklich an und diese habe auch keinen belegten Nutzen für die umliegende Bevölkerung“, so Gülseren Demirel. „Das ist eine psychosoziale Belastung, die nicht sein muss.“
Gülseren Demirel fordert, Risikogruppen endlich aus den Massenunterkünften ausziehen zu lassen und die Belegung zu entzerren. „Eine zwei-Klassen-Gesellschaft darf es bei Infektionsschutz nicht geben.“
Fortschritte gibt es bei den Clustertests auf asymptomatische Personen in den Gemeinschaftsunterkünften. Laut Regierung von Oberbayern werden diese in allen Unterkünften in Oberbayern durchgeführt und die Quarantäne soll nicht mehr kollektiv ausgesprochen, sondern in kleinen Einheiten passieren. Gülseren Demirel: „Das ist ein kleiner Schritt, der lange überfällig war. Das muss jetzt auch in den anderen Anker-Einrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften geschehen.“
Zum Download: Die Studie "SARS‐CoV‐2 in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete" der Universität Bielefeld