Kommunale Fragen

Asyl- und Flüchtlingspolitik: Gute Ideen bündeln!

<p><strong>In Bayerns Landkreisen gibt es keine einheitliche Asyl- und Flüchtlingspolitik.</strong> Das erschwert die Arbeit vor Ort. Je nach Landkreis und kommunalpolitischem Willen ist der Umgang mit Flüchtlingen, Helferkreisen, Unterbringungen, Leerständen und Informationen sehr unterschiedlich. Umso wichtiger ist der Austausch über den Status quo in den einzelnen Regionen. Über 70 Grüne KommunalpolitikerInnen und andere Aktive kamen auf Einladung der Landtagsgrünen in den Bayerischen Landtag und berichteten von positiven wie negativen Erfahrungen in ihren Städten und Kommunen.

30. Oktober 2015

Eingeladen hatten Margarete Bause, Claudia Stamm, Christine Kamm und Uwe Kekeritz (MdB).

Die Landtagsgrünen und GRIBS wollen jetzt die guten Ideen und „Best-Practice-Projekte“ aus den Regionen sammeln und zugänglich machen. Um Engpässe in der Unterbringung besser zu bewältigen, regte Christine Kamm außerdem an, ein Leerstandskataster für private Gebäude zu erstellen. Das staatliche Leerstandskataster hatte Markus Söder trotz mehrmaliger Anfrage der Landtagsgrünen nicht veröffentlicht. „Herr Söder weiß offensichtlich nicht, welche Liegenschaften in Bayern leer stehen“, kritisierte  Margarete Bause. Sie wird auch weiterhin ein staatliches Leerstandskataster anfordern. In Bezug auf die Aktualisierung des Asylgesetzes kritisierte Christine Kamm, dass erneut Sachleistungen eingeführt werden sollen. „Wenn allerdings nachgewiesen werden kann, dass dies ein zu hoher bürokratischer Aufwand ist, dürfen weiterhin Geldleistungen erbracht werden“, berichtete Kamm. Sie bittet um Rückmeldung aus den Kommunen, unter welchen Bedingungen dies gelingt. Als positiv stuft sie die Einführung von Gesundheitskarten in anderen Bundesländern ein. „Mir bleiben allerdings Zweifel, ob das in Bayern realisiert wird, denn unser Dringlichkeitsantrag ist abgelehnt worden“, sagte Kamm. Zu den Themen „Sprache lernen“, „Schule und Kitas“ und „Unterkünfte“ kamen aus den Regionen folgende Rückmeldungen:

Sprache lernen

In den meisten Landkreisen besteht Bedarf an mehr Sprachkursen und mehr LehrerInnen. Darüber hinaus sind auch Alphabetisierungskurse nötig. Zurzeit erhalten Flüchtlinge, deren Asylantrag noch ungeklärt ist, nur dann Sprachförderung aus Bundesmitteln, wenn sie aus dem Iran, Irak, Syrien oder Eritrea stammen. In vielen Landkreisen versuchen Ehrenamtliche die Lücken zu schließen. Nachteil:  Die Kurse der Ehrenamtlichen sind nicht zertifiziert und werden nicht im Asylverfahren anerkannt. Claudia Stamm sagte zu, dass die Grünen im Nachtragshaushalt einen höheren Landesanteil für die VHS-Kurse fordern werden.

  • Best practice in Kaufering: Die Gemeinde finanziert zwei VHS-Kurse pro Flüchtling.
  • Best practice in Kaufering: Neunt- und ZehntklässlerInnen einer Montisorri-Schule unterrichten erfolgreich drei Mal in der Woche junge Menschen aus Eritrea.
  • Best Practice in Kaufering: Firmen und Unternehmen, die in der Nähe einer Flüchtlingsunterkunft liegen, ermöglichen es ihren MitarbeiterInnen Sprachkurse für Flüchtlinge anzubieten.
  • Best Practice in Oberbayern: Die Grüne Jugend hat eine  App zur Koordinierung der Arbeit von Ehrenamtlichen entwickelt.
  • Best Practice in Geretsried: Wenn grundlegende Deutschkenntnisse vorhanden sind, lernen die Flüchtlinge zusätzlich am PC.

Kitas und Schulen

In den meisten  Landkreisen fehlt es an Lehrerkräften, Erzieherinnen oder SozialpädagogInnen. „Aktuell wurden 1.080 neue Lehrerstellen geschaffen, aber sie kommen viel zu spät“, berichtete Claudia Stamm. Denn die zusätzlichen Lehrerstellen sollen erst im Schuljahr 2016/2017 besetzt werden und sind auf zwei Jahre befristet. Die Grünen wollen beantragen, dass die Stellen sofort besetzt werden und ziehen eine Massenpetition mit dem Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) in Erwägung.

  • Best Practice München: Das Nachholen des Quali beim Kreisjugendring ist möglich

Unterkünfte: Änderung des Bayerischen Aufnahmegesetzes

Eine zentrale Grüne Forderung ist eine  Aufnahmequote für Flüchtlinge von mindestens 1,5 % der Einwohner einer Kommune. „Zurzeit entscheidet der kommunalpolitische Wille darüber, welche Unterkünfte langfristig kommen und wie sinnvoll Leerstände und freie Flächen genutzt werden“, betonte Christine Kamm in der Diskussion um Wohnraum für Flüchtlinge. Um sinnvolle Lösungen zu finden, sei ein Leerstandsregister sowohl für staatliche als auch für private Liegenschaften nötig. Sie berichtete über positive Erfahrungen mit Holzbauständer-Verfahren. Hier könnten auf freien Flächen innerhalb von wenigen Wochen solide Bauten erstellt werden, die später beispielsweise im sozialen Wohnungsbau genutzt werden könnten. Turnhallen und Traglufthallen dürften nur im Notfall und für eine Übergangszeit genutzt werden. Für die Vermietung leerstehender Kasernen schlug Kamm ein Mischkonzept vor. „Außerdem müssen wir das Bayerische Aufnahmegesetz ändern, damit Flüchtlinge auch in Privathaushalten untergebracht werden dürfen“, sagte Kamm. 
Best Practice Ebersberg: Die motivierte Landkreisverwaltung hat mit großem Einsatz Einzelverträge für 42 kleinere Standorte mit Einzelbetreuung geschaffen.

  • Best-Practice Putzbrunn: Eine Gemeinschaftsunterkunft in Holzbauweise für ca. 60 BewohnerInnen konnte trotz anfänglicher massiver Widerstände aus der Bevölkerung realisiert werden und erfreut sich gegenwärtig einer hohen Akzeptanz.

Transparenz entkräftet Widerstände gegen Flüchtlingsunterkünfte

In  kleinen Gemeinden sind Leerstände größtenteils zwar bekannt, aber die Bereitschaft für eine Vermietung ist gering, weil Widerstand aus der Nachbarschaft kommt. Privaten Vermietern werden zudem Gewinnsucht und überhöhte Mieten unterstellt. Gegen Miet-Neid hilft Transparenz. Laut Christine Kamm orientiert sich die Miete an den ortsüblichen Tarifen.
Gegen Widerstände aus der Bevölkerung bezüglich des Standortes helfen vor allem viele und rechtzeitige Informations-Veranstaltungen unter Einbeziehung aller Multiplikatoren, wie Gemeinderäte, Kirchenvertreter, Vereine, Initiativen wie „Unsere Stadt ist bunt“ oder Ausstellungen zum Thema. Das Gemeindeblatt der Kommune kann als Sprachrohr für Aufklärung und Information über die Flüchtlinge genutzt werden.

Die Anwesenden sehen derzeit einen Konflikt zwischen dem Grünen Ziel, die Flächenversiegelung zu verhindern oder zu reduzieren, und der Notwendigkeit, für zusätzliche Unterkünfte Fläche umzuwidmen.