Kommunale Fragen

Kostengünstiger und nachhaltiger Wohnungsbau: Die Quadratur des Kreises?

Wohnen zu jedem Preis? Immer mehr Auflagen, höhere Baulandpreise und wachsende Ansprüche treiben die Kosten für den Wohnungsbau derzeit immer weiter in die Höhe.

30. Oktober 2015

Unser zweites Fachgespräch aus der Reihe Bauen, Wohnen, Grüner Leben, die der wohnungspolitische Sprecher Jürgen Mistol initiiert, befasste sich deshalb mit der Diskrepanz, einerseits in den Ballungsräumen mehr günstigen Wohnraum schaffen zu wollen, der andererseits zugleich ökologische - vor allem energiesparende - und soziale Standards erfüllen soll. Zusammen mit Expert*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft diskutierte die Grüne Landtagsfraktion, ob und wie sich dieser Zielkonflikt lösen lässt.

Der energiepolitische Sprecher, Martin Stümpfig, betonte eingangs, die günstigste Art zu bauen, seien langfristig Passivhäuser. Die geringen Mehrkosten von rund 4-8 % würden sich auf den gesamten Lebenszyklus gerechnet schnell amortisieren und einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. „Gebäudedämmung ist somit die beste Absicherung gegen Altersarmut. Abstriche bei der Energieeinsparverordnung (EnEV) oder Absenken der Standards sind deshalb keine Option.“

Dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim bezahlbaren Wohnen eine große Lücke klafft, verdeutlichte der Verbandsdirektor der bayerischen Wohnungswirtschaft, Xaver Kroner, in seinem Vortrag. Anhand von ausführlichem Zahlenmaterial dokumentierte er, dass trotz Wiederanstieg der Wohnraumförderung und historisch niedrigem Zinsniveau kaum geförderte Mietwohnungen gebaut  werden würden. Gleichzeitig sinke der Bestand der Sozialwohnungen immer weiter ab. Kaltmieten unter 10 €/m² Wohnfläche seien nach derzeitigem Standard kaum mehr realisierbar. Dies sei vor allem auf die gestiegenen Qualitätsansprüche an die Energieeffizienz, das barrierefreie bzw. barrierereduzierte Bauen, Auflagen zu Stellplätzen sowie das kostenintensive innerstädtische Bauen zurückzuführen. Neben einer Verschiebung der nächsten Stufe der EnEV spricht er sich deshalb für eine generelle Überprüfung sämtlicher Standards in Hinsicht auf Kostensenkungspotenziale aus. Dass zudem die Normausschüsse ein geschlossener Zirkel der Bau-Lobby seien, sei dabei ein weiterer Hemmschuh.

<h2>Kontroverse Diskussion mit hoffnungsvollem Fazit</h2>

Um den Wohnungsbau den Herausforderungen des demografischen Wandels, den gesellschaftlichen und energetischen Entwicklungen anzupassen, entwickelt die Abteilung „Experimenteller Wohnungsbau“ der Obersten Baubehörde Wohnkonzepte, die soziale, ökonomische und ökologische Kriterien verbinden. Ministerialrätin Karin Sandeck zeigte an einer Reihe von Praxisbeispielen, wie geförderter Wohnungsbau nicht nur nachhaltig und architektonisch wertvoll sondern zugleich auch kostengünstig sein kann. Dahinter stehe unter anderem auch die Absicht, die für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Mittel wirtschaftlich und effizient einzusetzen. Die Erfahrungen aus den Modellvorhaben hätten dabei bestätigt, dass sich Baukosten dabei sehr wohl im Rahmen der zulässigen Kostenobergrenze belaufen können.

Qualität vor Quantität. Wohnen muss teurer werden. So lautet die provokante These von Prof. Dr. Jocher, Architektur-Professor an der Universität Stuttgart. Er sprach sich für eine grundsätzliche Trennung von Bau- und Mietkosten aus. Verglichen mit den allgemeinen Lebenshaltungskosten und auch den Löhnen und Gehältern in Deutschland seien die Bauwerkskosten in den vergangenen Jahrzehnten nur langsam gestiegen. Sie liegen trotz der hohen Energiestandards und Lärmschutzanforderungen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Faktoren, um Kosten zu senken, sehe  er vor allem in der Reduzierung der Wohnfläche, zumal diese pro Person und Jahr noch immer ansteige. Eine Aufweichung der Standards hingegen lehne er ab. Stattdessen müsse sich Wohnen dem Wandel der Lebensverhältnisse anpassen.

Nach der anschließenden teilweise kontroversen Diskussion mit Expert*innen und Publikum zog der wohnungspolitische Sprecher Jürgen Mistol dennoch ein hoffnungsvolles Fazit: „Es gibt zwar keine Patentlösung für die drängenden wohnungspolitischen Fragen. Vielmehr braucht es eine konzertierte Aktion aller politischen Ebenen und wohnungspolitischen Akteure, um dem sozialen Wohnungsbau neues Leben einzuhauchen. Dafür muss der Instrumentenkasten zur Wohnraumförderung neu ausgestattet werden. Dazu gehört auch, die bestehenden Normen und Fördersysteme auf den Prüfstand zu stellen. Schließlich ist der akute Wohnraummangel Ergebnis falscher politischer Weichenstellungen in den vergangenen Jahren.“