Kommunale Fragen

Straßenausbaubeiträge: Der eine zahlt, der andere nicht

<p><strong>Experten*innenanhörung bestätigt Reformbedarf des Kommunalen Abgabengesetzes. </strong>Die Praxis bei der Erhebung von Straßenausbeiträgen gemäß Art. 5 Kommunales Abgabengesetz (KAG) erhitzt derzeit die Gemüter im Freistaat. In der Bürgerschaft regt sich bereits seit längerer Zeit Widerstand gegen die Heranziehung in Form von einmaligen Beiträgen, was die steigende Zahl an Beschwerden an den Bayerischen Landtag belegt.

17. Juli 2015

„Die Situation wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen und uns um die Ohren fliegen, wenn die aktuelle Regelung nicht endlich auf den Prüfstand gestellt wird“, befürchtet der kommunalpolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion Jürgen Mistol.

Unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit fand deshalb aufgrund einer interfraktionellen Initiative eine Expertenanhörung im Bayerischen Landtag statt. Das Innenministerium prognostiziert für das kommunale Straßennetz aufgrund des Alters und Zustands einen jährlichen Investitionsbedarf von 500 Mio. Euro. Eine ersatzlose Abschaffung der Straßenausbaubeiträge würde deshalb gerade finanz- und strukturschwache Gemeinden besonders hart treffen. Wohingegen eine Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln nur über eine Erhöhung der Steuern zu Lasten der Allgemeinheit führen würde. Die Forderung, die Grundsteuer zu erhöhen, wird aufgrund des unterschiedlichen Steueraufkommens im Freistaat und fehlender Zweckbindung von kommunalen Vertreter*innen als ungeeignet erachtet. Zudem könnten Grundsteuern im Gegensatz zu Straßenausbaubeiträgen vom Eigentümer als Nebenkosten auf Mieter*innen abgewälzt werden. 

Drückt die Rechtsaufsicht regelmäßig zwei Augen zu?

Nachdem das Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr wiederkehrende Straßenausbaubeiträge bei konkret-individueller Zurechnung eines Sondervorteils als zulässig erklärt hat, stand diese Form der Beitragserhebung im Mittelpunkt der Anhörung. Durch solche Anspar-Modelle - wie sie in Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen und Thüringen Anwendung finden - werden die alljährlichen Investitionsaufwendungen für Straßen auf alle Eigentümer einer Gemeinde oder eines bestimmten Gemeindegebiets umgelegt. Ein Vertreter des rheinland-pfälzischen Städte- und Gemeindetages bestätigte, dass sich wiederkehrende Beiträge einer großen Akzeptanz erfreuen, zumal die jährlichen Beiträge eine Pro-Kopf-Belastung im niedrigen dreistelligen Bereich nicht übersteigen und sich der Verwaltungsaufwand im Laufe der Zeit im Vergleich zum Einmalbetrag sogar verringert. „Damit würden die Kommunen für ihr Straßennetz ein kontinuierliches Finanzierungsinstrument in die Hände bekommen. Außerdem würden alle Eigentümer solidarisch an den Kosten der Straßenerneuerung beteiligt und damit ein angemessener Kompromiss zwischen den Anliegen der Beitragsschuldner und den Kommunen erreicht“, kommentiert Mistol diese Form der Beitragserhebung.

Für Unmut sorgt bei vielen Kritikern der Straßenausbaubeiträge die mangelnde Information und Beteiligung der Bürger*innen im Vorfeld der Planungen und der Durchführung von Straßenausbaumaßnahmen. Auch wir Grüne halten im Sinne einer demokratischen und bürgerfreundlichen Verwaltung die Einführung einer Informationspflicht  für erforderlich wie sie in den entsprechenden Kommunalgesetzen anderen Bundesländern bereits vorgesehen und praktiziert werden. „Man kann heute nicht einfach mehr über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg solche finanziell und existentiell weitreichenden Entscheidungen treffen.“

Für Unverständnis sorgt bei Jürgen Mistol auch, dass lediglich 72 % der bayerischen Kommunen Straßenausbaubeiträge erheben, wobei von dieser „Sollvorschrift“ eigentlich nur in gut begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Dabei tun sich erhebliche regionale Unterschiede auf. Während nämlich in Unterfranken 97,1 % der Gemeinden über eine Ausbaubeitragssatzung verfügen, ist dies in Niederbayern gerademal in 39,1 % der Gemeinden der Fall. „Da liegt der Verdacht nahe, dass die zuständige Rechtsaufsicht regelmäßig zwei Augen zudrückt. Wenn die Ausnahme zur Regel wird, wird der eigentliche Zweck unterlaufen und verliert logischerweise an Akzeptanz“, kritisiert Mistol. Hier braucht es eine einheitliche Regelung für alle Kommunen, die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit schafft.
Die Anhörung hat gezeigt, dass ein Festhalten am Status-Quo nicht länger vertretbar ist.

Die Grüne Landtagsfraktion wird sich deshalb im Nachgang zur Veranstaltung weiterhin vertieft mit den Expertisen der Fachleute befassen und eine gerechte und sozialverträgliche Reform des Kommunalen Abgabengesetzes anstreben.