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Dokumentation des Fachgesprächs zu "Strabs und Strebs"
Wie geht es weiter nach der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge?
23. Mai 2019
Die Straßenausbaubeiträge (Strabs) und die Beiträge für Straßenerschließungen (Strebs) bewegen derzeit viele Menschen und Kommunen in Bayern. Kurz vor der Landtagswahl haben CSU und FW die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge beschlossen. Bei den Straßenerschließungen gilt für die Abrechnung von Straßen, mit deren technischer Herstellung vor über 25 Jahren begonnen wurde (Altfälle), ein Übergangszeitraum bis Ende März 2021. Beides führt zu Rechtsunsicherheit und weckt Sorgen aber auch Erwartungshaltungen bei Bürger*innen, Bürgermeister*innen und Kommunalverwaltungen. Das bestätigen auch die zahlreichen Eingaben, die an den Landtag herangetragen werden. Im Rahmen eines Fachgesprächs haben wir uns am 17.5.2019 mit Expert*innen von Verbänden und Verwaltung sowie mit Vertreter*innen der Kommunalpolitik aber auch mit Bürger*innen zu aktuellen Fragen rund um das Thema Strabs und Strebs ausgetauscht.
Für das Podium konnten wir folgende Gäste gewinnen:
- Claudia Drescher, Leiterin des Referats „Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht“ beim Bayerischen Gemeindetag
- Sigi Hagl, Stadträtin aus Landshut und Landesvorsitzende der bayerischen Grünen
- Wolfgang Kuhn, Präsident des Eigenheimerverbands Bayern e.V.
- Thomas Rottenwallner, Sachgebietsleiter im Amt für Finanzen der Stadt Landshut
Nach der Begrüßung der Teilnehmer*innen durch Johannes Becher, MdL und Sprecher der Fraktion für kommunale Fragen, gab es zunächst eine kurze Einführung zu dem Thema durch Dr. Martin Runge, MdL und Vorsitzender des Innenausschusses im Bayerischen Landtag. Martin Runge ließ die von den Freien Wählern und der CSU betriebene Abschaffung der Strabs Revue passieren. Dabei wies er auf die Widersprüche bei den Regelungen hin, welche die CSU-FW-Regierung in den letzten Monaten auf den Weg gebracht haben, um die Folgen der Strabs-Abschaffung zu bewältigen. Die unzähligen Petitionen, die seitdem beim Landtag aufgelaufen sind, zeigen, dass in Bayern eine Menge Unmut herrscht. Die Kommunen wüssten nicht, ob ohne die Strabs künftig das Geld für die Straßen reicht. Der Stichtag für die Abschaffung der Strabs zum 1.1.2018 wird von vielen Menschen als ungerecht empfunden. Und viele Bürger*innen, die von der rückwirkenden Abschaffung der Strabs nicht profitieren und vor dem 1.1.2018 bekannt gegebene Beträge bezahlen müssen, machen Härtefalle geltend.
Thomas Rottenwallner gab als Kenner des bayerischen Beitragsrechts in seinem Impulsreferat einen seiner persönlichen Meinung entsprechenden Abriss über die drängendsten rechtlichen Fragen zu den Strabs und den Strebs. Dabei wies er auf eine Vielzahl seiner Meinung nach verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Inhalte der gesetzlichen Regelungen hin, die auf Initiative von CSU und FW zustande gekommen sind, insbesondere die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Unverständnis zeigte er auch für die inhaltliche Unbestimmtheit und für die soziale Unausgewogenheit des Härtefallfonds. Thomas Rottenwallner geht davon aus, dass es auf Grund des von CSU und FW beschlossenen Systems der Straßenausbaupauschalen, das den Einnahmeausfall bei den Kommunen kompensieren soll, zu ungerechten Verteilungsasymmetrien im Freistaat kommen wird. Das liegt vor allem an dem untauglichen Kriterium der „Siedlungsfläche“, das wesentlich über die künftige Verteilung der Pauschalen an die Kommunen im Rahmen des Finanzausgleichs entscheidet. Für die notwendige Prioritätensetzung bei der Abrechnung der Straßenerschließungskosten für Altanlagen bis 2021 wären objektive Kriterien nötig. Thomas Rottenwallner schloss damit, dass die neue Rechtslage für die Gemeinden zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führt. Nicht besser, sondern schlechter wird es, weil die Staatsregierung es den Kommunen jetzt freistellen möchte, ob die bis 2021 für Strebs-Altfälle zu erhebenden Beiträge im Voraus erlassen werden. Das erhöht letztendlich den Druck auf die Städte und Gemeinden, die auf die Abrechnung der Beiträge dringend angewiesen sind. Er sieht deshalb den Freistaat in der Verantwortung. Er darf zum einen die Gemeinden nicht im Stich lassen und muss zum anderen den Bürger*innen Vertrauensschutz garantieren.
Laut Claudia Drescher vom Bayerischen Gemeindetag erfolgte die Abschaffung der Strabs im Vorfeld der Landtagswahl 2018 allzu überstürzt. Die Kommunen müssten sich nun mit zahlreichen Problemen als Folge der Übergangsregelungen herumschlagen. Insbesondere die Stichtagsregelung 1.1.2018, welche auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Bescheide abstellt, führe zu Verwerfungen und Ungerechtigkeiten zwischen Anlieger*innen derselben Straße, aber auch zwischen den Gemeinden. So zögen finanzschwache Kommunen, die vor dem Stichtag Vorauszahlungen auf Ausbaubeiträge erhoben haben bzw. erheben mussten, den Unmut der Zahlungspflichtigen auf sich, während finanzstarke Gemeinden, die keine Vorauszahlungen zur Vorfinanzierung laufender Maßnahmen brauchten, nun einen Ausgleich der Beitragsausfälle durch den Freistaat erhalten. Zudem bekommen ab 2020 auch Kommunen, die vor 2018 die Strabs offensichtlich nicht brauchten, künftig die von CSU und FW beschlossenen Straßenausbaupauschalen. Der Gemeindetag appelliert an die Staatsregierung, den Kommunen nicht noch mehr Einnahmequellen zu nehmen, weshalb auch der Erschließungsbeitrag (Strebs) erhalten werden muss. Zahlreiche kommunale Aufgaben – nicht nur die Herstellung und Sanierung von Straßen - müssen auch zukünftig finanziert werden können.
Wie sich die Strabs-Abschaffung vor Ort in den Kommunen auswirkt und unter welchem Druck die Stadt- und Gemeinderät*innen stehen, das schilderte Sigi Hagl. Sie berichtete von Bürgerversammlungen mit mehreren hundert aufgebrachten Bürger*innen. Die CSU-FW-Regierung bringt mit ihrer Politik die Kommunen nicht nur in Finanz-, sondern auch in akute Erklärungsnöte. Denn einerseits brauchen die Städte und Gemeinden Geld für den Straßenausbau und die Ersterschließungen. Andererseits heißt es bei den Bürger*innen v.a. mit Blick auf die noch bis 2021 mögliche Abrechnung für die Ersterschließung von alten Straßen, die Gemeinde zocke die Einwohner*innen willkürlich ab. Das alles wirft ein schlechtes Licht auf die Kommunen. Und die dafür verantwortliche Staatsregierung schaut dabei zu. Sigi Hagl fordert deshalb vom Freistaat einen vollständigen finanziellen Ausgleich für nicht mehr vorhandene Einnahmen der Kommunen.
Als Präsident des Eigenheimerverbands Bayern, der sich schon lange gegen die Strabs engagiert hat, bricht Wolfgang Kuhn eine Lanze für die Eigenheimbesitzer*innen. Ein Ruin der Kommunen war und ist natürlich nicht das Ziel. Aber er machte klar, dass sich sein Verband um die Menschen kümmere, und um die geht es beim Thema Strabs und Strebs. Viele Eigenheimer*innen hätten die Strabs-Bescheide oft als ungerecht und als Belastung empfunden. Denn vor 2018 wurden nicht überall in Bayern Ausbaubeiträge erhoben. Und er verwies auf die teils erheblichen finanziellen Belastungen, die auf Hausbesitzer*innen durch die Strabs zukamen. Der Eigenheimerverband zeigt sich aber auch nicht glücklich mit der bisherigen Regelung zum Härtefallfonds. Eine Reihe im Entwurf genannter Beträge (z.B. Einkommensgrenzen, Mindesthöhe der gezahlten Beiträge) seien wenig fundiert und sicher auch nicht abschließend diskutiert.
In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum ging es um verschiedenste Aspekte. Auch die geltenden Ausbaustandards waren Thema (Genügt mancherorts nicht auch eine Kiesstraße?). Und kritisiert wurde vor allem der aktuelle Erschließungs- bzw. Abrechnungsdruck bei alten, noch nicht abgerechneten Straßen, der seit dem Wegfall der Strabs auf den Kommunen lastet und den letztendlich die Bürger*innen zu spüren bekommen.
Immer wieder ging es um die Frage, wie und von wem unsere Straßen künftig bezahlt werden sollen. Ohne die Beiträge wird es für die Gemeinden schwerer sein, die Straßen angemessen zu unterhalten, und sie nicht nur notdürftig zu flicken, so Claudia Drescher vom Gemeindetag. Sigi Hagl warnte vor einem Systembruch, den CSU und FW möglicherweise angestoßen haben: Werden künftig weitere Beiträge in Frage gestellt und gefordert werden, dass die Allgemeinheit sie übernimmt? Einigkeit herrschte, dass weitere Finanzquellen der Kommunen nicht wegfallen dürfen. Denn so würden die Städte und Gemeinden noch stärker finanziell am Tropf des Freistaates hängen. Das wäre eine Gefahr für die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltungshoheit der Gemeinden.
Johannes Becher, unser Sprecher für Kommunales, machte klar, dass die CSU-FW-Regierung ihren Job nicht richtig gemacht hat. Wer die Abschaffung der Strabs wollte, muss jetzt auch für einen finanziellen Ausgleich sorgen. Dafür ist der Freistaat in der Verantwortung. Und bei den Ersterschließungen werden wir an den Strebs grundsätzlich festhalten. Wir Grüne lassen Kommunen und Bürger*innen nicht im Stich.
Hier geht es zur Präsentation von Thomas Rottenwallner.