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Schutz und Respekt für das kommunalpolitische Ehrenamt
Die Grünen haben diese Woche klar gemacht, wie wir Kommunalpolitikerinnen und -politiker in Bayern besser unterstützen und schützen können.
23. Januar 2020
Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker werden in zunehmendem Maße belästigt, beleidigt, bedroht oder sogar körperlich angegriffen. Betroffen sind Menschen, die sich oft ehrenamtlich oder gegen eine geringe Aufwandsentschädigung für ihren Ort einsetzen. Die Grünen Landtagsfraktion hat diese Woche klar gemacht, wie wir Kommunalpolitikerinnen und -politiker in Bayern besser unterstützen und schützen können.
Bedrohungen sind trauriger Alltag für die auf der kommunalen Ebene Engagierten und die Mitarbeitenden in den Kommunalverwaltungen. Einschüchterungen und Hassbotschaften finden dabei nicht nur in der Anonymität der sozialen Medien im Internet statt, sondern sie erreichen auch die Amtsstuben und dringen bis in das Privatleben von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen vor. Und wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 auf erschütternde Weise vor Augen geführt hat, kann dieser Hass auch in tödliche Gewalt münden.
Laut einer Umfrage des Magazins KOMMUNAL haben 40 Prozent aller Rathäuser bundesweit mit Stalking, Beschimpfungen und Drohungen zu kämpfen. Auch in Bayern gibt die Entwicklung Anlass zur Sorge. Das zeigte die Expertenanhörung, die auf unseren Antrag hin letzten Herbst im Bayerischen Landtag stattfand. Wesentliche Feststellungen der Sachverständigen waren u.a., dass von einem sehr großen Dunkelfeld an Straftaten auszugehen, insbesondere was Bedrohungen und Hass im Internet gegenüber kommunalen Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern angeht, da viele Straftaten nicht angezeigt werden. Die betroffenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, so die Sachverständigen, fühlen sich oft im Stich gelassen, denn es fehlen Hilfs- und Beratungsangebote. Der Hass kommt oft von rechts, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft und ist nicht immer strafrechtlich relevant. Und Frauen in der Kommunalpolitik sind besonders betroffen, sie werden häufig sexistisch und frauenfeindlich angegriffen.
Die Folge: Es besteht die große Gefahr, dass der Anteil derer, die sich kommunalpolitisch engagieren, zurückgeht. Insbesondere Frauen werden abgeschreckt und ziehen sich zurück, obwohl sie heute schon unterrepräsentiert in kommunalen Ämtern und Spitzenpositionen sind. Damit gerät unsere Demokratie in Gefahr!
Wir Landtagsgrüne fordern deshalb in unserem Antrag:
- Betroffene nicht alleine lassen, Beratungsangebote schaffen: In Zusammenarbeit mit den Kommunalen Spitzenverbänden soll die Staatsregierung ein Konzept für eine zentrale Anlaufstelle für Beratung und Prävention entwickeln, die kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger sowie Mitarbeitende der Kommunalverwaltungen, die angegriffen, bedroht und anderweitig angefeindet werden, bei der Wahrnehmung ihrer Rechte unterstützt, sie im Bedrohungsfall berät, Fortbildungs- und Informationsangebote bereithält und den Austausch zwischen den Betroffenen fördert. Die Anlaufstelle entwickelt auch Beratungs- und Hilfsangebote für betroffene Frauen, die sich kommunalpolitisch engagieren.
- Ausstattung der Bayerischen Polizei überprüfen und an die Bedrohungslage anpassen: Damit Straftaten gegen kommunale Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger sowie Mitarbeitende der Kommunalverwaltungen konsequenter als bisher verfolgt werden können, braucht es eine bessere technische und personelle Ausstattung bei der Polizei. Die Staatsregierung soll dem Landtag darlegen, woran es hier fehlt und wie die Polizei fit gemacht werden kann.
- Dunkelfeld erhellen: Wir brauchen eine wissenschaftliche Studie um das Dunkelfeld von Straftaten gegenüber kommunalen Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern sowie Mitarbeitenden der Kommunalverwaltung aufzuhellen. Diese Dunkelfeldstudie muss die Staatsregierung in Auftrag geben.
- Lücken im Strafrecht endlich schließen: Im Strafgesetzbuch ist § 188 StGB dahingehend zu ändern, dass künftig auch Kommunalpolitikerinnen und -politiker vor üblen Nachreden und Verleumdungen, insbesondere über soziale Medien und das Internet geschützt werden.
- Straftaten vor Gericht konsequent ahnden: Hassdelikte sollten auch von der Justiz entschlossener als bisher verfolgt werden. Die Staatsregierung soll dem Landtag berichten, welche Konsequenzen sie im Bereich der Justiz zieht und wo die personelle und technische Ausstattung der Staatsanwaltschaften und Gerichte verbessert werden muss.
- Mehr politische Bildung an den Schulen: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss gelernt werden. Die politische Bildung ist deshalb an allen Schularten zu stärken und mit den schulischen Angeboten der Medienbildung/digitalen Bildung zu verzahnen. Ziel der Maßnahme ist der Erwerb von Demokratie- und Medienkompetenz durch alle Schülerinnen und Schüler im Freistaat.
- Aufklären, informieren, für mehr kommunalpolitisches Engagement und Respekt vorm kommunalen Ehrenamt werben: Gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit ist eine Aufklärungs- und Informationskampagne zum Wert des kommunalpolitischen Engagements durchzuführen. Die Kampagne soll dazu motivieren, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden. Es soll Wissen über das Funktionieren von Kommunalpolitik vermittelt werden. Die Kampagne soll auch Anstand und Respekt im Umgang und mehr Anerkennung für die ehrenamtliche kommunalpolitische Betätigung fördern. Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit soll dazu auch den stärkeren Austausch mit anderen Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung suchen.
Unser Antrag, den wir Anfang dieser Woche erfolgreich der Presse vorgestellt hatten, stand diesen Mittwoch auf der Tagesordnung des Innenausschusses. Auch CSU und FW mussten sich deshalb bei dem Thema bewegen und haben sehr kurzfristig ihrerseits Vorschläge gemacht. Nach der hochspannenden Expertenanhörung im letzten November zeigen diese Anträge, wie wichtig und relevant das Thema ist, das wir Grüne auf die Agenda des Landtages gesetzt haben, sagt Johannes Becher, Sprecher für kommunale Fragen. Zwar waren sich die demokratischen Fraktionen einig über das Ziel, den besseren Schutz der Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Aber es bestanden doch Unstimmigkeiten beim Weg. Doch auch wenn unser Antrag von CSU und FW letztendlich abgelehnt wurde, hat der Innenausschuss diese Woche Maßnahmen beschlossen, die wir Grüne vorgeschlagen hatten: Erstens muss die CSU-FW-Regierung mehr Informationen zur Bedrohungslage bereitstellen. Zweitens sollen Kommunalpolitikerinnen und -politiker mehr Schutz durch das Strafrecht erhalten. Und drittens soll die politische Bildung und die Prävention verstärkt werden. Damit war die Woche ein Schritt in die richtige Richtung, um das kommunalpolitische Engagement zu beschützen und zu fördern.
Hier gehts zur Dokumentation der Pressekonferenz vom 20.01.2020.