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Landschaft schützen - Wildwuchs beim Kiesabbau stoppen
Gutachten zeigt: Es ist rechtswidrig, wie der Bedarf für den Abbau von Sand und Kies in Bayern ermittelt wird
13. Januar 2023
Vielerorts in Bayern wehren sich Bürgerinitiativen und Kommunen gegen den Kies- und Sandabbau in ihren Heimatorten*. Jetzt belegt ein Gutachten, das die Landtags-Grünen in Auftrag gegeben haben, dass die bisherige Praxis der Ermittlung des Bedarfs beim Kies- und Sandabbau in Bayern nicht den rechtlichen Anforderungen genügt. Sie ist rechtswidrig.
Das führe zu einem regelrechten "Wildwuchs" beim Kies- und Sandabbau, kritisiert Christian Zwanziger, Sprecher für Landesentwicklung der Landtags-Grünen. Er sagt: "Die Söder-Regierung hat keine Ahnung, wie hoch die tatsächlichen Bedarfe für Sand und Kies sind. Auch der Einsatz von Alternativen wird offenbar kaum geprüft. Aus Gründen des Klimaschutzes ist das inakzeptabel. Das ist eine Bankrotterklärung für die Politik dieser Regierung."
Auf Landesebene regelt u.a. das Landesentwicklungsprogramm (LEP) den Abbau von Sand und Kies. Wie der Bedarf genau zu ermitteln ist, geht daraus aber nicht hervor. Das bleibt der regionalen bzw. kommunalen Ebene überlassen. Und das führt zu einem massiven Problem. Die Gutachter*innen haben exemplarisch vier der 18 Regionalen Planungsverbände in Bayern untersucht (Main-Rhön, Donau-Iller, München und Südostoberbayern). Zusätzlich wurden einzelne Flächennutzungspläne von Kommunen geprüft (Sand a.M., Burgau, Fürstenfeldbruck, Seeon-Seebruck).
Die Gutachter*innen kommen zu dem Schluss: "Die Bedarfsermittlung beruht im Wesentlichen auf den von staatlicher Seite nicht geprüften Angaben des Bayerischen Industrieverbandes Steine und Erden e.V.. Eine eigenständige staatliche Bedarfsermittlung erfolgt nicht. Die Bedarfsermittlung dient dem ausschließlichen Zweck, die Wünsche der Abbauunternehmen zu erfüllen und durch großzügige Gebietsausweisung sicherzustellen, dass der ermittelte Bedarf in jedem Fall gedeckt werden kann."
Zusammengefasst heißt das: Ermittelt wird der Bedarf nach den Angaben der Industrie. Die Söder-Regierung verzichtet darauf, diese Angaben zu prüfen oder selbst Zahlen zu ermitteln.
Die Folge ist ein unkontrollierter, unökologischer Rohstoffabbau. Christian Zwanziger: "Es kann nicht sein, dass in Bayern jede Planungsregion oder gar jede Gemeinde ihre eigene Methode zur Bedarfsermittlung erfinden muss. Das ist Aufgabe der Staatsregierung! Sie muss für den Rohstoffabbau in Bayern endlich Verantwortung übernehmen und regionale Planungsverbände und Kommunen entlasten. Der Freistaat muss selbst Zahlen zum Bedarf und Abbau von Sand und Kies ermitteln und zur Verfügung stellen. Nur so wird die Rohstoffpolitik endlich auf solide Füße gestellt."
Die Landschaft in Bayern muss besser geschützt werden, macht Christian Zwanziger klar: "Wir Grüne fordern den Abbau von Sand und Kies in Bayern besser zu lenken. Der Wildwuchs von Kiesgruben muss ein Ende haben. Ein wirkungsvolles Instrument dafür sind Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung, für die wir uns im Bayerischen Landtag bereits eingesetzt haben. Das ermöglicht es weiterhin Rohstoffe abzubauen – allerdings in klar begrenzten Gebieten."
Die Gutachter*innen sehen insbesondere Nachbesserungsbedarf am Landesentwicklungsprogramm: Dort müssten klare Vorgaben gemacht werden, wie der Bedarf zu ermitteln ist oder die Staatsregierung ermittelt den Bedarf unter Berücksichtigung möglicher Alternativen selbst. Weitere Empfehlungen der Gutachter*innen sind, u.a.: eine Pflicht zum Führen einer Abbaustatistik für Rohstoff-Unternehmen und eine Rohstoffabgabe auf den Abbau von Sand und Kies.
Christian Zwanziger sagt: "Das vorliegende Gutachten bestätigt unserer Kritik am Landesentwicklungsprogramm und der aktuellen Teilfortschreibung: Nicht nur bei der Bedarfsplanung für den Abbau von Sand und Kies fehlt es an politischer Steuerung und einem klaren Plan für ein zukunftsfestes Bayern. Für mich belegt das Gutachten erneut, warum es einen Neustart in der Landesplanung in Bayern braucht. Angesichts der ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ist politischer Gestaltungswille gefragt. Das gilt auch in anderen Bereichen des LEP, wie Flächensparen, Klimaschutz, Mobilitätswende oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien."
Die Forderungen der Landtags-Grünen:
- Die Söder-Regierung muss selbst Zahlen zu Bedarf und Abbau von Sand und Kies ermitteln. Außerdem müssen Alternativen, beispielsweise Rohstoffrecycling, geprüft werden und Eingang in die Bedarfsermittlung finden.
- Um die Bedarfsplanung für Sand- und Kiesabbau in Bayern auf rechtmäßige Füße zu stellen, muss beim Landesentwicklungsprogramm (LEP) nachgebessert werden: Wir wollen die Bedarfsplanung klar und transparent im LEP regeln, statt die politische Verantwortung auf die regionale und kommunale Ebene abzuwälzen. Die in dem Gutachten festgestellten Mängel untermauern auch hier unsere Forderung nach einem Neustart in der Landesplanung.
- Zusätzlich fordern wir Grüne den Abbau besser zu lenken. Etwa durch Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung (Bsp. Baden-Württemberg). So bleibt das Privileg für den Rohstoffabbau erhalten. Allerdings nur in den ausgewiesenen Gebieten und nicht darüber hinaus.
Eine Zusammenfassung des Rechtsgutachtens ist hier zu finden.
Weitere Dokumente:
Schriftliche Anfrage zum Kiesbedarf und Kiesabbau in Bayern.
Antrag "Kies- und Sandabbau lenken, Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung etablieren"
Das „Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit der Ermittlung des Kies- und Sandbedarfs im Freistaat Bayern“ wurde im Auftrag der Grünen Landtagsfraktion von der Kanzlei Philipp-Gerlach & Teßmer erstellt.
*Einige Beispiele für Regionen, Gemeinden, Orte in Bayern, in denen es Probleme und Konflikte rund um den Sand- und Kiesabbau gibt: Das Douglaswäldchens zwischen Planegg und Gräfelfing, die Gemeinden Sauerlach, Zorneding, Irschenberg und Grafenrheinfeld, der Landkreis Traunstein, Dießfurt und Schwandorf in der Oberpfalz, die Mainauen in Oberfranken, Altdorf in Mittelfranken, Vilshofen in Niederbayern und in Schwaben Rieden am Forggensee und die Gemeinden Haldenwang und Dietmannsried.