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Damit Bayern Heimat bleibt – Flächenfraß jetzt stoppen!

Pressekonferenz: Neuer Gesetzesvorstoß: Damit Bayern Heimat bleibt – Flächenfraß jetzt stoppen!

24. April 2023

Wir verbrauchen zu viel wertvollen Boden. Unser Boden ist unsere Lebensgrundlage. Die fruchtbaren Böden Bayerns sichern unser aller Ernährung. Doch durch den ausufernden und ungezügelten Flächenfraß verlieren wir immer mehr davon. Der Flächenfraß zerstört unsere Natur, unsere gewachsenen Kulturlandschaften und unsere Landwirtschaft – er zerstört die Lebensgrundlage von uns Menschen. Seit 2012 liegt der Flächenverbrauch ungebrochen hoch: Bayern verliert seit Jahren mehr als 10 Hektar Fläche am Tag.

Die Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen sind massiv: Fruchtbare Böden gehen verloren, Landschaft und Naturräume werden zerstört. Dadurch verlieren wir auch immer mehr Tiere und Pflanzen für immer. Unsere Biodiversität verarmt. Als Folge der Klimaüberhitzung werden auch in Bayern künftig große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit immer häufiger vorkommen. Durch die zunehmende Versiegelung kann das Regenwasser nicht mehr versickern und Hochwasserereignisse werden verstärkt. Zusätzlich schränkt die Flächenversiegelung die Funktion des Bodens als Puffer im Wasserhaushalt und Speicher von Grund- und Oberflächenwasser ein. Das alles wirkt sich massiv auf unser Leben aus.

Allein in den Jahren 2018 bis 2021 hat die Bayerische Staatsregierung dabei zugesehen, wie eine Fläche von 4770 Hektar mit Industrie- und Gewerbegebieten betoniert, asphaltiert, überplant oder überbaut wurde. Das entspricht der Fläche von 6681 Fußballfeldern oder in etwa der Fläche des Ammersees (4660 Hektar). Der prozentuale Zuwachs von Industrie- und Gewerbeflächen liegt im selben Zeitraum bei 5,28 Prozent. Durch die Verlagerung von Gewerbegebieten auf die grüne Wiese veröden Ortskerne und die Belastung durch Verkehr steigt. Das hat auch gravierende ökonomische und soziale Folgen. Ein Beispiel: Zuerst kommt die Umgehungstraße, kurz danach folgt der Discounter an der Umgehungstraße. Dann schließen die Bäckerei und die Metzgerei im Ort. Mit jeder Schließung geht eine fußläufige Einkaufsmöglichkeit verloren. Es verschwinden regionale Produkte und ein Stück Wertschöpfung aus der Region. Kleine Handelsstrukturen sterben. Ältere Menschen, die kein eigenes Auto haben und in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, können im schlimmsten Fall nicht mehr allein einkaufen gehen.

Auch Landwirt*innen leiden an dem übermäßigen Flächenverbrauch. Alle drei Tage begräbt die Staatsregierung in Bayern die Nutzfläche eines durchschnittlichen Bauernhofes unter Beton und Asphalt – weil sie den Flächenverbrauch nicht besser reguliert. Wertvolles Grün- und Ackerland geht verloren, gleichzeitig steigen die Pachtpreise und verstärken den Strukturwandel. Dabei gibt es kaum Wichtigeres, als unsere Böden zu erhalten – für unsere Bäuerinnen und Bauern und damit für unsere Ernährungssicherheit. Das ist aktuell, im Zeichen neuer Krisen, wichtiger denn je.

Stellt man die Entwicklung der Einwohnerzahl dem Flächenverbrauch gegenüber, wird mehr als deutlich, dass Bayern zu viel Fläche verbraucht. Zwischen 1980 und 2019 nahmen die Siedlungs- und Verkehrsflächen laut Bayerischem Umweltministerium um mehr als 50 Prozent zu. Die Bevölkerung hingegen wuchs nur um rund 20 Prozent.

Die Antwort der Staatsregierung für dieses gravierende bayerische Problem: Freiwilligkeit und ein Richtwert von 5 Hektar pro Tag, der dem Flächenfraß nichts anhaben kann. Die letzten Jahre zeigen mehr als deutlich auf: Freiwillige Maßnahmen und das Modell einer „Richtgröße“ sind gescheitert. Es braucht verbindliche Maßnahmen, um den Flächenverbrauch in Bayern zu reduzieren.

Die Lösung: Ein verbindliches Flächenziel von 5 Hektar pro Tag;
Zuteilung von Flächenbudgets an die Kommunen

Wir verankern im bayerischen Landesplanungsgesetz ein gestuftes 5-Ha-Ziel. Damit stellen wir sicher, dass der Flächenverbrauch in Bayern schrittweise bis zum Jahr 2028 auf höchstens fünf Hektar am Tag begrenzt wird. Nach Abzug einer Reserve für Härtefälle und für übergeordnete Vorhaben soll das verbleibende, von diesem Gesetz festgelegte Flächenbudget auf die Gemeinden des Freistaates Bayern verteilt werden. Die konkrete Zuweisung an die Gemeinden wird über ein Ziel der Raumordnung im Landesentwicklungsprogramm (LEP) aufgenommen.

Um die Budgets möglichst gerecht zu verteilen und Entwicklungschancen zu berücksichtigen, wird ein degressives Bevölkerungsmodell als Verteilungsschlüssel genutzt. Das bedeutet, dass einwohnerschwächere Gemeinden ein größeres Flächenbudget pro Kopf erhalten (qm pro Einwohner und Jahr) als einwohnerstärkere. So reduzieren wir den Konkurrenzkampf zwischen den Kommunen und sorgen dafür, dass kleinere Kommunen sich gleichermaßen entwickeln können. Damit stärken wir insbesondere den ländlichen Raum.

Den Kommunen wird mit diesem Gesetzentwurf ein Höchstmaß an Flexibilität gewährt. Sie haben folgende Möglichkeiten:

  1. Sie können die ihnen zugeteilten Budgets ansparen.
  2. Sie können durch die Rücknahme bestehender Bebauungspläne und die Sicherstellung von Entsieglungsmaßnahmen ihr eigenes Budget selbst vergrößern.
  3. Sie können in Absprache mit anderen Kommunen Budgets gegenseitig übertragen.
  4. Sie können bei der Staatsregierung einen Härtefall geltend machen und so zusätzliche Budgets erhalten.

Die oberste Landesplanungsbehörde führt ein Flächenregister, in dem alle Vorgänge zentral festgehalten werden.

Rechtsgutachten untermauert Verfassungsmäßigkeit des 5-Hektar-Ziels

„Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt.“ Mit diesem Slogan warben die Grünen und ihre Bündnis-Partner 2018 für ein Volksbegehren zur Einführung einer verbindlichen 5-Hektar-Höchstgrenze für den täglichen Flächenverbrauch in Bayern. Rund 50.000 Menschen unterstützten dieses Volksbegehren. Das Volksbegehren wurde vom bayerischen Verfassungsgerichtshof zwar aus formalen Gründen gestoppt, aber das Instrument einer Flächenverbrauchs-Obergrenze wurde als solches nicht beanstandet. Der Gesetzgeber müsse allerdings klar den Weg zur Flächenverbrauchsgrenze aufzeigen.

Wir als Grünen-Fraktion haben unsere Hausaufgaben gemacht: Bereits zum zweiten Mal in dieser Legislatur legen wir einen Gesetzentwurf vor, der den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. Damit zeigen wir den rechtlichen Weg auf, wie der Flächenverbrauch nachhaltig verringert werden kann und Bayerns Gesicht mit seiner gewachsenen Kulturlandschaft und seinen landwirtschaftlichen Flächen geschützt und erhalten werden kann. Bayern kann mit diesem Gesetzesvorhaben eine Vorreiterrolle einnehmen, denn kein anderes Bundesland hat sich bislang auf den Weg gemacht, den Flächenverbrauch durch eine verbindliche Höchstgrenze nachhaltig zu begrenzen.

Der aktualisierte Gesetzentwurf geht zurück auf eine von der Grünen-Landtagsfraktion in Auftrag gegebene rechtliche Ausarbeitung von Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Jurist, Soziologe, Philosoph und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin. Der von Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt gemeinsam mit Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß aus Leipzig erarbeitete Gesetzentwurf baut auf einen bereits 2019 von der Grünen-Landtagsfraktion vorgelegten Gesetzentwurf auf und fügt diesen unter Berücksichtigung der gerichtlichen Vorgaben in die Instrumente des bestehenden Planungsrechts ein. Der Gesetzentwurf schafft ein Höchstmaß an Rechtssicherheit und Rechtsverbindlichkeit für die Kommunen. Gleichzeitig gibt er ihnen die notwendigen Instrumente an die Hand, ihre Kommune im Dialog mit den Nachbarkommunen nachhaltig und besonnen weiterzuentwickeln. Damit unterscheidet sich das Vorgehen der Grünen-Landtagsfraktion ganz entscheidend vom Ansatz der Staatregierung. Diese lässt die bayerischen Gemeinden völlig allein mit der Frage, wie sie zum Richtwert von fünf Hektar pro Tag beitragen können. Die Folge: Es bleibt bei einem reinen Apell zum Flächensparen - der keinerlei Wirkung entfaltet.

Der Gesetzentwurf ist nun im Gesetzgebungsverfahren. Die Erste Lesung mit Aussprache im Plenum des Bayerischen Landtags findet am 26.04.2023 statt.

Statements:

Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Landtags-Grünen:

„Wir wollen unseren Kindern ein lebenswertes Bayern zurücklassen. Ein Bayern, das durch seine schönen Landschaften und seine artenreiche Natur besticht. Ein Bayern, ohne Narben im Gesicht. Deshalb muss künftig gelten: Denken, bevor der Bagger kommt. Dämmen wir die Betonflut ein und kümmern uns, dass Bayern Heimat bleibt!“

„Unser Gesetzesentwurf ist nun auf Herz und Nieren geprüft. Wir schlagen mit ihm zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir begrenzen den überbordenden Flächenfraß durch eine klare Regelung. Und wir geben den Kommunen die Freiheit selbst zu bestimmen, wie sie ihre Flächen am besten einsetzen wollen. Eigenverantwortung innerhalb eines verlässlich gesteckten Rahmens – danach sehnen sich die Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden seit Langem.“

„Die Söder-Regierung hat auf diesem Feld versagt. Ihr Versprechen, den Flächenfraß in Bayern auf 5 Hektar am Tag zu begrenzen, ist nichts als heiße Luft. Noch immer gehen in Bayern rund 10 Hektar fruchtbarere Boden verloren – jeden Tag! Der bayerische Ministerpräsident schaut seelenruhig dabei zu, wie der Lebensraum von Tieren und Pflanzen zubetoniert wird und Bayerns Bauern immer mehr Ackerland verlieren. Das ist verantwortungslos. Ich will nicht, dass jeden dritten Tag ein Bauernhof verschwindet – wer es mit dem Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft in Bayern ernst meint, der muss zuvorderst die fruchtbaren Böden Bayerns schützen!“

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik:

„Wenn die Konkurrenz verschiedener Flächennutzungsansprüche sich nicht von selbst löst, muss eine gesetzliche Regelung her. Genau das ist die Aufgabe des Staates in der liberalen Demokratie. Der Gesetzentwurf belässt Bauenden und Kommunen möglichst große Spielräume und schützt Lebensgrundlagen und Ackerland für zukünftige Generationen gleichzeitig wirksam. Bloß auf ein freies Spiel der Kräfte zu vertrauen, führt seit Jahrzehnten in Deutschland dazu, dass die natürlichen Grundlagen für Ernährung und Ökosysteme massiv unter Stress geraten.“

Ralf Huber, Bezirkspräsident Oberbayern, Bayerischer Bauernverband:

„Wenn Freiwilligkeit scheitert, ist die Zeit gekommen, den gesetzlichen Weg zu diskutieren. Deshalb befürworte ich den Vorstoß der Grünen. Der Flächenverbrauch ist eines der drängenden Probleme unserer Zeit. Wir müssen ihn dringend eindämmen.“

„Wir spüren als Landwirte die Konkurrenz um Ackerland immer stärker. Steigende Pacht- und Kaufpreise machen uns zu schaffen, wir sind nicht mehr konkurrenzfähig. Dabei sind wir es, die heimische Lebensmittel produzieren und für Ernährungssicherheit sorgen. Ich erwarte mir, dass die Politik das endlich honoriert und dem übermäßigen Verbrauch von fruchtbarem Grund und Boden einen Riegel vorschiebt.“