Landwirtschaft und Ernährung

Agrartour: Gisela Sengl und Markus Ganserer im Bierland Franken

Heimat. Genuss. Kultur: Die "Agrartour" der grünen Landtagsfraktion wird in den nächsten Wochen und Monaten durch ganz Bayern mit Betriebsbesuchen und Veranstaltungen in Wirtshäusern vertreten sein. Gisela Sengl, die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, informiert sich vor Ort gemeinsam mit grünen KollegInnen, wie regionale Wirtschaftskreisläufe und nachhaltige ökologische Landwirtschaft funktionieren kann.

06. Juli 2015

In Mittelfranken begleitete sie Ihr Kollege Markus Ganserer aus Nürnberg, der für die Grünen Mitglied in der Enquete-Komission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" ist. Das Genuss- und Nahrungsmittel Bier stand im Mittelpunkt dieses ersten Tages der bayernweiten Agrartour. Sengl und Ganserer besuchten in diesem Rahmen einen Hopfenbauern sowie die Nürnberger Hausbrauerei Altstadthof.

Nur noch wenige Hopfenbauern sind übrig geblieben

Bereits 1987 stellten die Eltern von Markus Eckert den bäuerlichen Betrieb nach Biolandkriterien um. Schnell kristallisierte sich der Hopfenanbau als Hauptkultur heraus; seit 1998 bewirtschaftet der Betrieb auch Obstplantagen mit derzeit 13 Hektar. Sowohl diese als auch die 28 Hektar Hopfenanbau sind allesamt mit Tröpfchenbewässerung ausgestattet, ein Umstand, der der Spezialkultur bei der aktuellen Hitzewelle sehr zu Gute kommt.

Einen Großteil der Produktion verkauft Eckert an regionale Abnehmer. Selbstverständlich sei dies jedoch nicht: „Die Händler müssen erst einmal begreifen, wie wichtig lokale Produzenten sind“, so Eckert. Die internationale Konkurrenz hat unter anderem dazu geführt, dass in der ehemaligen Hopfenregion der Hopfenanbau stark zurück gegangen ist.

Nur noch wenige Hopfenbauern sind übrig geblieben; einer davon ist Eckert, der seinen Beruf über alles liebt. „Aber die Politik muss mehr Anreize schaffen, damit junge Leute Landwirte werden oder bleiben wollen“, forderte er. Auch Sengl sieht den Staat in der Pflicht, mehr für den Erhalt der ländlichen Räume zu tun: „Die Entwicklung regionaler Strukturen muss wesentlich besser finanziell unterstützt werden. Der Staat muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen“, so ihre Forderung.

Bier: bitte regional und handwerklich!

Die erste Bio-Brauerei Bayerns überhaupt, seit 1984, ist die Hausbrauerei Altstadthof. Sie gehörte damals noch zu Neumarkter Lammsbräu, dem Bio-Pionier in der Brauereiszene. Braumeister Reinhard Engel übernahm 1997 die kleine Brauerei von seinem einstigen Arbeitgeber. Neben dem typischen Rotbier produziert die Brauerei noch einige andere Biersorten, derzeit besonders beliebt das Sommerbier, mit der fruchtigen Hopfensorte „Mandarina Bavaria“ vom Eckert-Hof. „95% der 1500 Hektoliter, die wir pro Jahr produzieren, werden bei uns im Haus verkauft“, so Engel. Durch die Altstadt-Lage seien die Kapazitäten begrenzt; die Haltbarkeit von „nur“ drei Monaten und die Notwendigkeit einer Kühlkette spreche außerdem für die Direktvermarktung.

„Bier ist ja ursprünglich ein Frischeprodukt, keine Konserve“, so Engel. Im Reinheitsgebot von 1516 stehe zwar nicht, dass Bier nur Bio-Produkte enthalten dürfe. „Das war einfach so“, so Sengl. „Die konventionellen Brauereien setzen heutzutage leider viele Zusatzstoffe, Stabilisatoren und ähnliches ein, die mit dem Reinheitsgebot nichts zu tun haben“. Gerade Hopfen habe sich zu einer Intensivkultur entwickelt, die massiv mit chemischen Düngern und Spritzmitteln aller Art behandelt wird, so Engel.  „Für mich fängt das Reinheitsgebot aber schon auf dem Acker an.“
Der Ansatz der Hausbrauerei sei es deshalb, nur Bio-Hopfen, und zwar nur aus der Region, zu beziehen. „Hier gibt es aber nur noch zwei Hopfenbauern“, so Engel. Bio-Hopfen koste zudem das Dreifache von konventionellem Hopfen, was sich natürlich auf die Preisstruktur der kleinen Brauerei niederschlägt: die 1-Liter-Bügelflasche Rotbier kostet 4,60 Euro. Ein Preis, den auf Nachhaltigkeit und einzigartigen Geschmack setzende Kunden aber gern bezahlen. „Die Leute interessiert dabei aber am meisten, dass das Bier regional und handwerklich hergestellt wurde – Bio ist für den Verbraucher eher untergeordnet“, berichtet Engel. Unter anderem auch deshalb gibt es derzeit noch wenige Bio-Brauereien in Bayern: von den 650 beschäftigen sich gerade einmal 12 mit ökologischer Produktion.
Engel sieht die aktuelle Crafted-Beer-Bewegung als Gewinn für kleine Brauereien. „Beim Thema Verbraucherschutz in Sachen Deklaration von Lebensmitteln könnte aber noch viel getan werden“, findet er.

„Heimat. Genuss. Kultur.“ – das galt auch für die Abendveranstaltung im Wichtel-Hof in Wildenbergen. Die schöne Umgebung und gutes Bio-Essen im Biergarten bei lauem Sommerwind haben für Wohlbefinden im Sinne von Heimat und Genuss gesorgt. Die Kultur war mit dem  Frauentrio „Drei im Weggla“ unter der Leitung von Andrea Grillenberger mit den fränkischen Stücken „Roschdler Klarinettenwalzer“ oder dem Stück „Wo ist denn es Gergla?“ hervorragend vertreten.

"Industrielle Landwirtschaft kommt uns teuer zu stehen"

„Heimat wird von jedem anders verstanden. Jede/r hat seine eigene Definition“, so Ganserer. Für ihn sei Heimat eng mit Geschichte und Emotionen verknüpft. Wenn die Menschen im Landkreis Roth auf die Barrikaden gehen wegen der geplanten B31neu, dann bedeute dies auch, sich gegen Natur- und Umweltzerstörung seiner lieb gewordenen Heimat zu wehren.
In Mittelfranken gingen jedes Jahr 900 ha Fläche verloren – eine Fläche so groß wie der Brombachsee. Dieser Flächenverbrauch und Flächenversiegelung ist eine Bedrohung für landwirtschaftliche Betriebe, denen der Boden unter den Füßen weggezogen werde. Anstatt diesen unverantwortlichen Flächenverbrauch zu stoppen, habe der „Heimatzerstörungsminister“ Söder mit der Aufweichung des Landesentwicklungsplanes weiteren Gewerbegebieten Vorschub geleistet.
Oft sei der Glaube verbreitet, wenn es nur genügend Gewerbegebiete gäbe, dann wäre die Abwanderung der Menschen aus den ländlichen Regionen aufzuhalten. Dem widerspricht deutlich, dass Landkreise mit einer niedrigen Arbeitslosenquote von nur 2,8% trotzdem massiv an Einwohnern nach derzeitigen Vorhersagen verlieren werden. Ein Gegenmittel dazu wäre laut Ganserer die Förderung von regionalen Wirtschaftskreisläufen und Wertschöpfungsketten.

„Dabei ist wichtig: Regional muss auch Bio sein“, bekräftigte Gisela Sengl. Denn auch regionale konventionelle Landwirte setzten Pestizide ein, was für Artenschwund und Rückständen im Trinkwasser sorge. „Industrielle Landwirtschaft kommt uns allen teuer zu stehen, weil Umweltschäden nicht eingerechnet werden“, so Sengl.

Um Heimat und Kultur zu erhalten, sei jeder gefragt. „Die rein industrielle Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung bedeutet nicht nur bei uns den Verlust von Heimat, Genuss und Kultur, sondern weltweit. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, dem etwas entgegenzusetzen“, so Sengl.

In vielen Gegenden Bayerns gäbe es so gut wie keine Verarbeitungsstrukturen mehr. Die Zahl an Mühlen, Schlachthöfe, Molkereien sei in den letzten Jahrzehnten massiv gesunken. Sorge bereite ihr die sinkende Zahl an handwerklich arbeitenden Bäckern oder Metzgern. Heimat identifiziere sich  auch durch regionaltypische, frisch zubereitete Speisen. „ Mit gefrorenen Teiglingen ist dies schwer zu erreichen“, so Sengl.