Naturschutz im Wald – auf dem Holzweg?

Integration, Segregation oder Differenzierung? Diese drei Schlagworte wurden bei unserer Veranstaltung oft und gern benutzt. Denn nichts wird derzeit im Forstbereich kontroverser diskutiert als die Frage, welches Konzept die Ansprüche des Naturschutzes an die Waldbewirtschaftung am erfolgreichsten umsetzt.

24. April 2015

Die beiden Gastgeber, Markus Ganserer und Dr. Christian Magerl, konnten so auch über 100 interessierte Teilnehmer im gut gefüllten Konferenzraum des Landtags begrüßen. Während am Vormittag Dr. Claus Bässler (Nationalpark Bayerischer Wald), Dr. Christine Margraf (Bund Naturschutz), Dr. Norbert Schäffer (1. Vorsitzender LBV) und Prof. Dr. Reinhard Mosandl (TUM) mit Referaten und jeweils anschließender Diskussion verschiedene Standpunkte aus Forschung und Praxis zu dem Thema darlegten, wurde am Nachmittag in einer Podiumsdiskussion mit Sepp Spann (1. Vorsitzender Waldbesitzerverband Bayern), Dr. Franz Leibl (Leiter Nationalpark Bayerischer Wald), Gudula Lermer (1. Vorsitzende Bayer. Forstverein) und Prof. Dr. Manfred Niekisch (Goethe-Universität Frankfurt, Sachverständigenrat für Umweltfragen) über die Fragen des Waldnaturschutzes diskutiert. Obwohl das Ziel, die heimische Artenvielfalt in den bayerischen Wäldern zu erhalten und mit der Bewirtschaftung noch zu fördern, wohl von sämtlichen Teilnehmern der Veranstaltung geteilt wurde, gab es bei der Frage nach dem „Wie“ verschiedene Meinungen.

Während für Prof. Mosandl der „Bayerische Weg“ durch „Schützen und Nutzen“ auf gesamter Waldfläche ausreichend ist, um die Biodiversität in den bayerischen Wäldern zu erhalten, und dies sogar ein Weltmodell für die Bewirtschaftung von Wäldern ist, kann für Dr. Schäffer die gesamte biologische Vielfalt nicht ausschließlich in genutzten Wäldern erhalten werden. Dies verband der Vorsitzende des LBV mit Forderungen an den Waldnaturschutz, die nachhaltige Bewirtschaftung durch eine entsprechende Zertifizierung zu gewährleisten, die aus Sicht der biologischen Vielfalt wichtigsten Flächen durch Nutzungsverzicht zu schützen, Naturwaldreservate streng zu schützen und die FFH-Managementpläne konsequent umzusetzen.

Schutzgebiete: so groß wie möglich

Sehr wichtig für den Waldnaturschutz ist für Dr. Schäffer zudem die Errichtung eines großflächigen Buchenwald-Wildnisgebietes (z.B. im Steigerwald). Dr. Christine Margraf sprach mit der Umsetzung von Natura 2000 im Wald einen wichtigen Aspekt im Waldnaturschutz an. Hier gebe es in Bayern laut Christine Margraf noch erhebliche Mängel. So führte sie an, dass noch zu oft gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen werde, z.B. durch Intensivierung der Nutzung und den Einsatz von Giften (z.B. gegen Schwammspinner). Hier müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden, um Natura 2000 zu einem zentralen Instrument zur Sicherung der Biodiversität in unseren Wäldern zu machen. Hier führte Margraf beispielhaft die Einführung von besseren Förderprogrammen und Natura-2000 Prämien für Waldbesitzer, eine dauerhafte Bereitstellung von Mitteln und Personal für den Vollzug der Vorgaben und eine vertrauensvollere Zusammenarbeit von Forst- und Naturschutzbehörden sowie Waldbesitzern und Naturschutzverbänden an.

Dr. Claus Bässler diskutierte in seinem Vortrag den Integrativen und Segregativen Ansatz anhand eines Drei-Säulen-Modells, in dem die Wälder je nach ihrer naturschutzfachlichen Qualität unterschiedlich bewertetet werden sollen. So besteht die Säule I aus Resten von naturschutzfachlich wertvollen Wäldern in Mitteleuropa, die Säule II aus Mischwäldern mit mittlerer ökonomischer und mittlerer ökologischer Qualität, währen die Säule III aus Nadelforsten mit hoher ökonomischer und geringer ökologischer Qualität gebildet wird. Diese Unterschiede in der naturschutzfachlichen Qualität müssten nach Bässler auch Unterschiede in der Bewirtschaftung der jeweiligen Bestände nach sich ziehen. Claus Bässler brachte die Diskussion mit folgendem Zitat aus einem Fachartikel von Tscharntke et al aus dem Jahr 2002 in Ecological Research auf den Punkt: „Wissenschaftlich gibt es keine Debatte mehr über den generellen Vorteil großer Reservate. In vielen anthropogen überprägten Landschaften gibt es aber nur noch kleine oder mittelgroße Flächen, die als Reservate ausgewiesen werden können. Das Argument von Soule & Simberloff (1986), dass Schutzgebiete so groß wie möglich sein sollten, ist wissenschaftlich unwiderlegbar. In der fragmentierten Kulturlandschaft Mitteleuropas lässt sich die Gesamtartenvielfalt aber nicht mit einem einseitigen Fokus nur auf Großschutzgebiete erzielen.“

Nachdem in der Mittagspause die Vorträge vom Vormittag in Einzelgesprächen diskutiert wurden, geschah dies am Nachmittag im Rahmen einer Podiumsdiskussion, wobei - durchaus bei Einigkeit in einzelnen Fragen, etwa der Forderung von Sepp Spann nach besserer Ausstattung der staatlichen Förderprogramme für Maßnahmen im Waldnaturschutz - die Vorsitzende des Bayerischen Forstvereins, Gudula Lermer, eine Uneinigkeit in der großen Frage der richtigen Bewirtschaftung im Sinne eines besseren Waldnaturschutzes feststellte. Wobei sie wie die anderen Teilnehmer auch als Fazit zog, dass man zwar noch keine abschließende Lösung habe, dafür aber wieder ein gutes Stück weitergekommen sei.