Verbraucherschutz | Tierschutz
Mehr Tierwohl und Transparenz
Nutztierschlachtung und -verarbeitung |
Neuausrichtung der konventionellen Schweinehaltung in Bayern
27. Juli 2020
Mehr Tierwohl und Transparenz
Beim Schlachten und Verarbeiten von Nutztieren in Bayern müssen die Belange des Tierwohls und der Respekt vor anderen Lebewesen einen höheren Stellenwert erhalten. An den Schlachthöfen zeigt sich, wie die Tiere vorher gehalten wurden. So lassen sich bei der Schlachttierkontrolle oft erhebliche Haltungsschäden nachweisen. Die Erhebung und fachgerechte Nutzung der Daten birgt ein hohes Potenzial zur Verbesserung der Haltung und des Tierwohls in Bayern. Landwirte und Tierärzte sind maßgeblich für Gesundheit und Wohlbefinden der Nutztiere sowie die Qualität tierischer Produkte verantwortlich. Von beiden Seiten wird schon heute eine Reihe von Daten erhoben. Es mangelt jedoch am Gleichklang in der Erhebung und an der zentralen Datenzusammenführung. Einen schärferen Blick unter Tierwohlaspekten braucht es auch auf Tierkörperbeseitigungsanlagen. Tiere, die dort angeliefert werden, sind in den Herkunftsbetrieben teils aus unbekannten Gründen verendet. Mit einer verpflichtenden Erfassung der Befunde könnten „Problembetriebe“ identifiziert und die Lebensmittelaufsicht gezielt eingesetzt werden. Auch bei der Betäubung von Schlachttieren gibt es viele ungenutzte Erkenntnisse und Forschungsergebnisse, deren Einfluss in die betriebliche Praxis gezielt gefördert werden muss. Zuletzt braucht es ein vertrauenswürdiges Siegel, das den Verbraucherinnen und Verbrauchern klare Auskunft über Herkunft und Tierhaltung gibt.
Die schwarz-orange Landesregierung ist gefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Tierwohl in Bayern auf höchstes Niveau zu setzen. Folgende Maßnahmen müssen daher dringend umgesetzt werden:
I. Einrichtung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank
Die Einrichtung einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank wird seit langem von Experten gefordert und wäre ein sehr effizientes Instrument für die Überwachung von Tierwohlindikatoren. In einer zentralen Tiergesundheitsdatenbank laufen Daten zusammen, die zum Großteil bereits erhoben werden. Dazu gehören Daten aus der amtlichen Fleischbeschau, der Schlachttier- und Fleischuntersuchung, Lebensmittel- und Tierschutzkontrollen, Tierarzneimittelabgaben und Mortalitätsraten, Leistungsdaten, Sektionsbefunde aus Tierbeseitigungsanstalten. Hierbei ist eine Harmonisierung bei der Erfassung der Daten geboten. Hierzu sollen in Zusammenarbeit mit LGL, StMELF, StMUV und der BAG für Fleischhygiene und Tierschutz passende Weiterbildungen für Veterinäre erarbeitet werden. Ebenso ist eine Harmonisierung mit den Tiergesundheitsdatenbanken der anderen Bundesländer erstrebenswert. Die erhobenen Daten müssen darüber hinaus in anonymer Form für die systematische Auswertung durch Dritte (z.B. Forschungsinstituten) nutzbar gemacht werden, sodass Tierschutzindikatoren gezielt ausgewertet und verbessert werden können.
II. Blick auf die Tierkörperbeseitigung schärfen – Verdichtete Informationen am „Flaschenhals“ der Nutztierhaltung erkennen und nutzen
In Tierkörperbeseitigungsanstalten werden verendete oder notgetötete Tiere entsorgt. An diesen Tieren werden defizitäre Haltungsbedingungen besonders deutlich sichtbar. Durch eine standardisierte Überwachung von Tierkörperbeseitigungsanlagen könnten Problembetriebe besser identifiziert und Tierskandalen vorgebeugt werden. In Tierkörperbeseitigungsanlagen müssen daher standardmäßige Einzeltierkontrollen von angelieferten Tieren eingeführt werden, ähnlich der amtlichen Fleischbeschau. Die erhobenen Daten müssen für die Lebensmittel- und Tierschutzüberwachung nutzbar gemacht werden. Auch in Verarbeitungsbetrieben tierischer Nebenprodukte sind stichpunktartige Kontrollen einzuführen.
III. Forschung zu alternativen Betäubungsverfahren im Schlachtprozess von Schweinen weiterführen und Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Praxis unterstützen
Über 3,5 Millionen Schweine werden in Bayern jährlich geschlachtet. Die Betäubung erfolgt in großen Schlachtbetrieben meist mit CO2-Gas. Es gibt bereits Forschungen zum Einsatz von Edelgasen, die sich als tierschonendere Betäubung eigenen als die bisher gängigen Methoden. Forschungen wie diese sind weiter aktiv zu betreiben und in der Praxis zu unterstützen, sodass der Schlachtprozess tierschonender gestaltet werden kann.
IV. Staatliche Tierwohlkriterien in das GQ Bayern Siegel einbinden
Um den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine transparente Entscheidung unter Tierwohlaspekten an der Ladentheke zu ermöglichen, muss das Siegel „Geprüfte Qualität Bayern“ um Tierwohlindikatoren ergänzt werden. Derzeit ist das Siegel hauptsächlich eine Herkunftskennzeichnung. Hinzukommen müssen Qualitätskriterien der Tierhaltung, um heimischen Landwirten neue Vermarktungswege zu eröffnen. Das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) verwaltet das Siegel und ist aufgefordert, die Indikatoren des Bundes-Tierwohlkennzeichens der Stufe 2 in das GQ Bayern Siegel zu integrieren. Die Schweine kämen so in den Genuss deutlich besserer Haltungsbedingungen.
Dem Lebewesen Schwein gerecht werden
Schweine sind eine der meistgehaltenen Nutztierarten in Bayern. Jährlich werden über 3,5 Millionen Schweine im Freistaat geschlachtet. Die Haltungsbedingungen in der konventionellen Schweinehaltung sind oft nicht tiergerecht. Vor allem die Haltung auf Vollbetonspaltenböden führt bei 90 Prozent der Schweine zu schmerzhaften Gelenks- und Schleimbeutelentzündungen. Der Preisdruck in der konventionellen Schweinemast wird wegen des internationalen Wettbewerbs zunehmend höher, es werden immer mehr Schweine in immer weniger, größeren Betrieben gehalten. Dies führt häufig zu mangelhaften Haltungsbedingungen. Die Zukunft der konventionellen Schweinehaltung in Bayern muss im Sinne der Tiere gestaltet werden. Ihr Recht auf ein tierwürdiges Leben darf nicht dem gnadenlosen Wettbewerb auf dem Weltmarkt geopfert werden.
Die schwarz-orange Landesregierung ist gefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das Tierwohl von konventionell gehaltenen Schweinen zu verbessern. Eine Neuausrichtung der konventionellen Schweinehaltung ist dringend erforderlich, um eine zukünftig tragfähige Landwirtschaft zu ermöglichen. Folgende Maßnahmen müssen schnellstmöglich umgesetzt werden:
I. Einrichtung einer zentralen Datenbank zur Erfassung von Schweineställen
Die Daten für Genehmigungen und den Bau von Schweineställen sowie die bayernweiten Betriebsaufgaben bei der Schweinezucht und -haltung werden bislang nur dezentral erfasst. Benötigt wird eine zentrale Erfassung für Schweineställe in Bayern, damit die Staatsregierung ihren regulatorischen Aufgaben nachkommen kann. Vor allem angesichts der Gefahr eines Ausbruches der Afrikanischen Schweinepest (ASP) ist es dringend erforderlich, Stallsysteme und insbesondere Außenklimaställe zentral zu erfassen. Nur so wird eine flächendeckende Bekämpfung und passende Beratung der Tierhaltungsbetriebe im Vorfeld und beim Eintreten eines ASP-Ausbruchs ermöglicht. Auch hinsichtlich der Weiterentwicklung der bayerischen Tierhaltung ist die Datenbank eine unverzichtbare Basis, um Fördermöglichkeiten zu eruieren und Entwicklungspotenziale zu erkennen.
II. Schweineställe tiergerecht genehmigen und bauen
Die Zukunft der Schweinehaltung lässt sich u.a. durch die Änderung der Tierschutz-Nutztierverordnung auf Bundesebene gestalten. Daher ist es erforderlich, diese abzuändern. Künftig sollen Genehmigungen nur noch für eingestreute Ställe ohne Beton-Vollspalten und mit verschiedenen Funktionsbereichen möglich sein. Tierwohlgerechter Stallumbau muss erleichtert werden und bei Neugenehmigungen von Ställen soll zukünftig standardmäßig geprüft werden, ob ohne hohen baulichen Aufwand ein Umbau zu höheren Standards der Tierhaltung möglich wäre.
III. Zukunftsplan Schweinehaltung und Beratungsinitiative für Tierhaltungsbetriebe
Angesichts vieler bevorstehenden Veränderungen in der Schweinehaltung und großer Verunsicherung bei den Erzeugern, brauchen wir ein Zielbild für die Schweinehaltung in Bayern. Dieses ist zu formulieren, durch Förderung von Haltungsbetrieben und den Aufbau von Vermarktungswegen zu verfolgen und die landwirtschaftliche Beratung ist danach auszurichten. Das Zielbild beinhaltet aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse wie:
- die Trennung der Funktionsbereiche,
- ständigen Zugang zu Beschäftigungsmaterial und Raufutter
- das Ende nicht-kurativer Eingriffe und Alternativen zum Vollspaltenboden.
Das Zielbild muss außerdem in die landwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung, in die Agrarforschung und an den staatseigenen Behörden integriert werden. Durch eine Verständigung auf einen Zukunftsplan mit entsprechenden Maßnahmen kann endlich Planungssicherheit für Erzeugerbetriebe, Verarbeitung und Handel geschaffen werden.