Kultur und Heimat

Provenienzforschung muss gestärkt werden

Minister Spaenle nahm im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst auf Veranlassung der Landtags-Grünen, Stellung zu Vorwürfen der Süddeutschen Zeitung, bayerische Behörden und insbesondere die Staatsgemäldesammlungen hätten von den amerikanischen Alliierten 1945 beschlagnahmte Kunstwerke, die Nazi-Größen nach 1933 mehrheitlich jüdischen Sammlern und Kunsthändlern abgepresst und geraubt hatten, in den 50er und 60er Jahren wieder an sie zurückgegeben bzw. –verkauft.

14. Oktober 2016

Den ursprünglichen Eigentümern bzw. ihren Erben hingegen hätten sich Staatsgemäldesammlung und Kunstministerium bis heute nicht kooperativ gezeigt und wenig Engagement bei der Suche nach NS-Raubkunst erkennen lassen.

Spaenle spielte die Anschuldigungen in seinem Bericht herunter: Die Rückgaben an die Familien der Nazi-Funktionäre wie der Tochter des Reichstatthalters von Wien und Reichsjugendführers Baldur von Schirach und den Angehörigen von Hermann Göring seien erfolgt, weil sie angeblich nachweisen konnten, dass die Kunstgegenstände sich rechtmäßig in ihrem Eigentum befanden, die Verkäufe seien zum damaligen Schätzpreis abgewickelt worden, was nachweislich nicht stimmt. Zur Rechtfertigung der unterbliebenen Provenienzrecherchen zitiert er den damaligen Generaldirektor der Staatsgemäldesammlungen Eberhard Hanfstaengl, die Unterlagen seien ja schon von den Amerikanern ausgewertet worden. Spaenle erwähnte nicht, dass diese Bayern zu weiteren Nachforschungen verpflichtet hatten und auch nicht, dass bis Mitte der 60er Jahre nur Personen zu Direktoren der Staatsgemäldesammlungen berufen wurden, die in der NS-Zeit schon in leitender Funktion in Museen tätig waren und in der Nachkriegszeit kein Interesse an den Ansprüchen der Opfer zeigten.

„Es ist blamabel, wie sehr Spaenle die Machenschaften der damals Verantwortlichen in Regierung und staatlichen Einrichtungen verharmlost und bagatellisiert“, kritisierte der kulturpolitische Sprecher, Sepp Dürr, in der Diskussion die Äußerungen des Ministers. Spaenle gehe jedes kritische Bewusstsein zu den Vorgängen ab, sagte Dürr.
Auch heute zeige die Regierung wenig Eifer an der Wiedergutmachung des Unrechts, obwohl sie in der Bringschuld stehe. „Wir haben sie in den letzten Jahren mehrmals zu mehr Anstrengungen in der Provenienzforschung aufgefordert, doch geschehen ist wenig“, so Dürr.

In der Tat ist die Bilanz dürftig: Von den 890 Kunstgegenständen, die aus dem Besitz der NSDAP und hoher NS-Funktionäre an die Staatsgemäldesammlungen übergeben wurden, sind seit 2012 nicht einmal die Hälfte untersucht worden. Und obwohl bei 239 Werken Raubkunstverdacht besteht, wurde bisher erst ein Werk restituiert. Insgesamt wurden laut der Antwort auf eine Anfrage der Landtags-Grünen von 2014 von den staatlichen Museen bisher gerade einmal 22 Kunstgegenstände zurückgegeben. In den zwei Jahren seither ist keines dazugekommen.

In dieses Bild passt die intransparente Haltung der Staatsgemäldesammlungen gegenüber den Staatsarchiven. Sie weigern sich, Akten - wie das Gesetz vorschreibt - nach 30 Jahren ihnen zu überstellen, weil sie sie für die eigenen Provenienzrecherchen benötigen. Warum sie nicht kopiert oder digitalisiert werden und an die Archive abgegeben werden, wo sie für die Antragsteller oder ihre Vertreter einsehbar wären, konnte Spaenle nicht beantworten.

Dürr: „Wenn Spaenle seine Ankündigung, der Aufklärung verfolgungsbedingten Entzugs von Raubkunst in der NS-Zeit höchste Priorität einzuräumen, ernst nimmt, muss er endlich der Provenienzforschung mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, ansonsten macht er sich lächerlich. Wir werden ihn an seine Worte erinnern“.

Raubkunst:  Versäumnisse  aufklären – Opfer unterstützen - Provenienzforschung stärken

Schriftliche Anfrage: Provenienzforschung an staatlichen Museen

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