Gesundheit und Pflege

Ombudsstelle für Umwelterkrankte

Eine unabhängige Ombudsstelle für Umwelterkrankte forderten die Landtags-Grünen diese Woche im Gesundheitsausschuss. Sie soll eine Anlaufstelle für die Anliegen der Betroffenen und Angehörigen sein. Uns treibt die Sorge um die Zunahme vieler Krankheiten wie Krebs, Allergien, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Eine Ursache liegt im täglichen Umgang der Menschen mit Produkten, Werkstoffen und Konsumgütern, die aus einer Vielzahl chemischer Substanzen bestehen.

12. Mai 2017

In vielen Fällen ist gänzlich unbekannt, welche Chemikalien in welchen Produkten enthalten sind. Schädliche Chemikalien können sich in natürlichen Stoffkreisläufen anreichern und belasten am Ende der Nahrungskette Tier und Mensch. Die große Wissenslücke über die Wirkungen chemischer Stoffe auf Mensch und Umwelt bedeutet gleichzeitig Unkenntnis möglicher Gesundheitsgefährdungen. Zahlreiche Studien belegen eine toxische Wirkung bestimmter Chemikalien. „Gerade aber Niedrigdosen sind hinsichtlich ihrer toxischen Auswirkungen und Kombinationswirkungen nicht erfasst. Eine Ignoranz dieses Gefahrenpotentials ist mit dem Anspruch eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes nicht vereinbart.“ erklärt Rosi Steinberger, Sprecherin für Verbraucherschutz. Wir brauchen wirksame Präventionsstrategien und intensive Forschung in diesem Bereich.

Bis heute fehlt den Umwelterkrankungen in Deutschland die allgemeine wissenschaftliche und rechtliche Anerkennung. Die Situation für die umweltkranken Menschen ist erschreckend: Menschen mit der Diagnose MCS (Multiple Chemical Sensitivity), CFS (Chronic Fatigue Syndrom), SBS oder anderen Umwelterkrankungen (z.B. Amalgamintoxikation) werden in unserer Gesellschaft in aller Regel nicht ernst genommen. Diese Problematik wurde zuletzt auch in den Medien deutlich, als beim Einsatz der Sprengstoffdetektoren am Flughafen München Geräte des Typs „Itemiser“ gesundheitliche Auswirkungen bei ArbeitnehmerInnen ausgelöst haben. Es wird geschätzt, dass derzeit über 7 Mio. chemische Verbindungen existieren und dass jedes Jahr mehr als 25.000 neue Stoffe dazukommen. Über 50.000 davon befinden sich im täglichen Gebrauch. Solche krankheitsauslösenden Stoffe wie z. B. Holzschutzmitel, Autoabgase, Pestizide, Insektizide, Düngemittel, chemische Rückstände und Schwermetallionen aus dem Trinkwasser oder aus Amalgamfüllungen sowie Zusatzstoffe aus der Nahrung wie Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Bindemittel, Aromastoffe können deutliche Abweichungen im zellulären Energiestoffwechsel und in der körperlichen Immunreaktion, bis hin zu einer Blockade hervorrufen. Daher ist die Identifizierung, ein entsprechender Abbau und die Ausleitung dieser krankheitsauslösenden Stoffe von entscheidender Bedeutung für die stoffwechselund immunologische Entlastung bei chronischen Umwelterkrankungen wie Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Chronic Fatigue Syndrom (CFS) und Fibromyalgie.


Ulli Leiner, gesundheitspolitischer Sprecher betont: „Die gegenwärtige Situation der Betroffenen in Deutschland zeigt leider grundlegende Defizite bei der Anerkennung von Umwelterkrankungen auf." Aufgrund mangelnder diagnostisch-therapeutischer Erfahrungen und Erforschung von Umwelterkrankungen werden diese PatientInnen leider öfters psychiatrisiert und wandern über Jahre von einer Therapiestätte zur anderen, bis nach Jahren die Diagnose einer Umwelterkrankung gestellt wird. Während bis zur richtigen Diagnose die Erkrankung voranschreitet, weil sie letztlich gar nicht geeignet behandelt wurde, beginnt mit der Diagnose der Umwelterkrankung der Kampf um die Anerkennung der Erkrankung durch die sozialen Sicherungssysteme. „Die Realität ist leider so, dass den Betroffenen ihre Anerkennung und die staatliche Unterstützung fehlt, obwohl theoretisch ihre Ansprüche, die den umwelterkrankten Betroffenen gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und den Verursachern zustehen, unstrittig sein sollten“, kritisiert Leiner.
Anspruch auf Schadensersatz gegenüber den Verursachern, soweit diese bekannt sind, oder auf Bestrafung der verantwortlichen Täter durch das Strafrechtssystem können so gut wie gar nicht rechtlich durchgesetzt werden. Die zahlreichen Prozesse im Bereich des zivilen Schadensersatzrechts und vor Sozial- und Verwaltungsgerichten scheitern immer wieder an denselben Gründen: Einzelprozesse sind für den Betroffenen zu teuer und zu risikoreich, es fehlt an qualifizierten GutachterInnen, Beweise sind vernichtet; Ansprüche sind verjährt; Schadensersatzansprüche aus Deliktsrecht verlangen einen Nachweis des Verschuldens, welcher in der Regel für den Betroffenen alleine schwer zu führen ist. Nicht zuletzt sind die Umwelterkrankungen in der deutschen medizinischen Forschung nicht anerkannt, da es an wissenschaftlicher Erforschung mangelt.


„Eine Ombudsfrau oder ein Ombudsmann würde als eine unparteiische Schiedsperson nicht nur zwischen den Betroffenen vermitteln, sondern auch helfen, den Umwelterkrankungen mehr Gewicht zu geben und schließlich mehr Aufmerksamkeit für diesen wichtigen Bereich zu schaffen. Das wäre eine gute Sache,“ sagt Rosi Steinberger.