Pflege neu denken
Wir Landtags-Grünen fordern ein Umdenken im Berufsfeld der professionellen Pflege. Auf einer Pressekonferenz haben wir nun unser Antragspaket vorgestellt, für eine zielgerichtete und zukunftsfähige Strukturreform der Pflege in Bayern.
18. Dezember 2019
Das Berufsbild der Pflege befindet sich schon lange im Wandel. Es ist ein Manko, dass Bayern über keine universitäre Fakultät für Pflegewissenschaft verfügt. Die Anforderungen in der pflegerischen Versorgung steigen und wandeln sich, – ob von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen –, und brauchen einen neuen Zugang in der Auseinandersetzung mit Problemen und Lösungsfindung. Versorgungsprozesse in den Bereichen der Prävention, Kuration, Rehabilitation, Palliation und Pflege verändern sich kontinuierlich. Der demografische Wandel lässt sich nicht mehr wegdiskutieren, die Anzahl an Pflegebedürftigen steigt, der technische Fortschritt und die rasante Entwicklung in der Digitalisierung nehmen enormen Einfluss auf neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten, damit auf den Versorgungsprozess und machen auch vor der Pflege nicht halt.
Die professionelle Pflege ist derzeit in vielerlei Hinsicht unattraktiv:
- sie leidet unter dem Image des Assistenzberufes
- professionelle Pflege wird schlecht bezahlt
- die Arbeitsbedingungen sind prekär
- die Abbrecher*innenquote in der Ausbildung ist hoch
- professionell Pflegende verweilen aufgrund der Belastungen nur kurz im Beruf
- Fachfremde Tätigkeiten
- die Ausübung des Berufes wird reduziert auf Nächstenliebe
- Sehr niedrige Organisationsquote innerhalb des Berufsstandes (aktuell ca. 7 Prozent)
- gesellschaftliche Anerkennung fehlt auch mangels politischer Weichenstellungen und Wertschätzung
Die Söder-Regierung sieht in den pflegenden Angehörigen die Bastion gegen den Pflegenotstand der Zukunft. Der demografische Wandel und damit einhergehende Herausforderungen sind bei der Söder-Regierung scheinbar noch nicht angekommen. Statt einen Imagewandeln konsequent voranzutreiben, redet sich die Söder-Regierung aus der Diskussion um Fachkräftemangel mit schwachen Projekten wie die Herzwerker Kampagne raus. Neben der Wissenschaft ist für eine anerkannte Profession auch eine eigene Berufsvertretung wichtig. Eine Pflegekammer, als echte unabhängige Vertretung der Pflegeberufe in Bayern, lehnt die Söder-Regierung ab.
Schulen mussten viel zu lange auf die neuen Rahmenlehrpläne für die neue Pflegeausbildung warten, Haushaltsmittel für bestehende und mit der neuen Pflegeausbildung kommenden Studiengänge für die Pflege, hat die Söder-Regierung nicht ausreichend eingestellt.
Unser Grünes Antragspaket:
Wir müssen dringend anfangen, Pflege neu zu denken. Wir wollen den Akteur*innen, die in allen Bereichen des Gesundheitswesens 365 Tage im Jahr, 24/7 Großartiges leisten, nicht immer nur mit Dank begegnen. Wir brauchen zielgerichtete, zukunftsfähige Strukturreformen, die als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Unser Antragspaket soll der Grundstein sein, den Beruf der Pflege zukünftig zu gestalten und damit viele Menschen für den Pflegeberuf interessieren und gewinnen.
- Wir wollen neue Verantwortungsstrukturen in der Pflege etablieren
- Wir wollen die Attraktivität und das Image grundlegend zu verbessern
- Wir wollen neue moderne Rahmenbedingungen
- Wir wollen dem historisch geprägten traditionellem Bild der Pflege mit teils immer noch vorhandenen starren, veralteten Hierarchien in Einrichtungen und den Identitätsproblemen innerhalb der Pflege durch fehlende politische oder berufliche Lobby entgegenwirken.
1. Eine universitäre Fakultät für Pflegewissenschaften in Bayern
- Mit unserem Antragspaket zur Etablierung von Pflegewissenschaft an einer bayerischen Universität wollen wir die Weichen stellen, um die Grundlagenforschung in der Pflege voranzutreiben. Dabei sehen wir die Forschung als essenziell an.
- Wir wollen die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses fordern und fördern, beispielsweise durch Nutzung des Promotionsrechts an den Universitäten
- Wir wollen die internationale Vernetzung der Universitäten nutzen
- Wir wollen den Aufbau eines Portfolios an Lehrangeboten
- Wir wollen die Steigerung der Qualität der Ausbildung mit Hilfe der erworbenen wissenschaftlichen Erkenntnisse
- Wir wollen die Anerkennung des systemrelevanten Berufs der Pflege als Profession, um damit auf Augenhöhe mit anderen medizinischen Berufen agieren zu können
2. Ein Sofortprogramm zur Schaffung von 1000 Studienplätzen in der Pflegewissenschaft
- Die „konzertierte Aktion Pflege“ fordert einen zehnprozentigen Anstieg der Absolvent*innen der Pflegeausbildung. Für Bayern bedeutet das ganz konkret einen Anstieg von 9000 auf 9900 Ausbildungsabsolvent*innen. Gleichzeitig empfiehlt der Wissenschaftsrat einen Akademisierungsanteil von zehn bis 20 Prozent und damit einen Anstieg der Akademisierungsquote auf mindestens 10 Prozent. Ergebnisse vieler internationaler Studien belegen den Zusammenhang von Qualifikation und Pflegequalität –und zwar in der Patientenversorgung, nicht in der Verwaltung. Wir fordern deshalb 1000 Studienplätze in der Pflegewissenschaft (Studienabbrüche nicht eingerechnet: es liegen keine validen Zahlen vor)
3. Förderprogramm für Studierende der Pflegewissenschaft etablieren
- Wir wollen mit einem Förderprogramm als Anschubfinanzierung die Möglichkeit eröffnen, zusätzlich zu den drei Jahren Ausbildung zur Pflegefachfrau-/mann, eine akademische Laufbahn beispielsweise in der Forschung einzuschlagen
- Wir wollen damit gleichzeitig die berufliche Sackgasse in der Pflege beenden
- Wir wollen mit unserem Förderprogramm die Anzahl der Bewerber*innen erhöhen
4. Stabsstellen der angewandten Pflegewissenschaften in allen Bayerischen Lehrkrankenhäusern
- Diese Schnittstelle soll ein Sprachrohr zwischen Theorie und Praxis darstellen. Es soll darum gehen, Handlungsfelder zu Pflegewissenschaft und Praxisentwicklung, Evidenced based Nursing, interdisziplinäre Zusammenarbeit und auch die Vernetzung nach außen aufzugreifen.