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Zu wenig Hilfe für ungewollt Schwangere
09. Dezember 2024
CSU und FW blockieren telemedizinische ärztliche Begleitung
CSU- und Freie Wähler-Fraktionen blockieren einen sinnvollen und zeitgemäßen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, die zu Hause durchgeführt werden könnten. Das Gesetz der Staatsregierung zur „Änderung des Gesundheitsdienstgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften“, das morgen im Plenum beraten wird, hätte in seinem ersten Entwurf einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu Hause ermöglicht – mit ärztlicher Verordnung und telemedizinischer ärztlicher Begleitung.
Aber: Die Landtags-Fraktionen von CSU- und Freie Wähler haben dies durch einen Änderungsantrag torpediert und verhindert.
Die Folge: Nach dem Willen von CSU und Freien Wählern ist ein Abbruch zu Hause durch telemedizinische Begleitung damit ausgeschlossen. Und viele Frauen in Bayern, die einen Schwangerschaftsabbruch schnell vornehmen wollen, finden sich weiterhin in vorsintflutlichen Zeiten wieder. Morgen (10. Dezember 2024) soll der Gesetzentwurf so durch die Regierungsfraktionen im Landtag beschlossen werden.
Die Abgeordnete Laura Weber, die für die Grünen für dieses Thema im Gesundheitsausschuss des Landtags zuständig ist, erklärt dazu:
„Bei uns in Bayern müssen Frauen, wenn sie Pech haben, über 200 Kilometer zur nächsten Praxis anreisen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt. CSU und Freie Wähler behindern mit ihrem Veto die sichere Versorgung ungewollt Schwangerer. Vor allem im ländlichen Raum. Das macht mich ziemlich fassungslos.“
Besonders die CSU werfe ganz pauschal Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche digital begleiten würden, vor, sie arbeiteten fahrlässig und seien nicht kompetent genug. Und den betroffenen Frauen werfe sie vor, sie würden dann digitale Ultraschallaufnahmen manipulieren, um die Frist von zwölf Wochen kriminell zu umgehen, so Laura Weber.
„Das war die Argumentation der CSU in der Begründung zu ihrem Änderungsantrag, warum Telemedizin nicht erlaubt werden sollte. Das sind absurde Unterstellungen gegenüber Personen, die sich in einer äußerst schwierigen Lebenssituation befinden. Noch dazu werden Ärztinnen und Ärzte so unnötig verunsichert. Wir Grüne stehen deshalb für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs!“, so Laura Weber.
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, erklärt:
„Seit Jahrzehnten ist die Versorgungslage für ungewollt schwangere Frauen in Bayern dramatisch, ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen nicht länger sabotiert. Keine Frau treibt leichtfertig ab – dass die CSU Manipulationsgefahren bei Telemedizin in den Raum stellt, ist unsäglich. Die Neuregelung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs ist ein wichtiger Baustein, um flächendeckende und sichere Versorgung für Frauen in Bayern zu verbessern – vor allem in ländlichen Regionen. Und: Oftmals ist ein Schwangerschaftsabbruch mit Scham und Ängsten verbunden, eine Telemedizin bietet die Möglichkeit, in einer vertrauten und sicheren Atmosphäre ärztliche Beratung in Anspruch zu nehmen.“
Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist die Versorgung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, in Bayern tatsächlich sehr schlecht. Der Freistaat ist hier Schlusslicht aller Bundesländer in Deutschland. Das zeigen die im Frühjahr 2024 veröffentlichten Teilergebnisse der bundesweit einmaligen ELSA-Studie zu Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer in Deutschland, zu der es auch mediale Berichterstattung gab.
Die Landtags-Grünen haben darüber hinaus mehrere Anfragen zu Zahlen zur Versorgung in Bayern an die Staatsregierung gestellt. Deren Antwort zufolge gibt es in fast allen Regierungsbezirken in mehr als der Hälfte der Landkreise bzw. kreisfreien Städte kein einziges Angebot an stationären oder ambulanten Einrichtungen zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs. In Schwaben und der Oberpfalz gibt es keine Krankenhäuser mit Bereitschaftsanzeige, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. In Niederbayern gibt es nur noch einen einzigen Arzt, der Abbrüche durchführt, und das nur alle 14 Tage.
Wissenschaftliche Empfehlungen zum Thema:
Es gibt einen aktuellen Beschluss des Deutschen Frauenrats zur telemedizinischen Begleitung des medikamentösen Abbruchs: Auch medikamentösen Schwangerschaftsabbruch durch Telemedizin ermöglichen – Deutscher Frauenrat.
Zudem empfiehlt die WHO konkret die Ermöglichung von Telemedizin als Alternativ zu persönlichen Interaktionen mit Ärzt*innen um Schwangerschaftsabbrüche zu ermöglichen. Diese Empfehlung beruht auf vergleichende Studien in verschiedenen Ländern, in denen kein Unterschied zwischen telemedizinischer Begleitung und persönlichen Interaktionen mit Ärzt*innen im Rahmen eines Abbruchs festgestellt wurde.