Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz
Kein großer Wurf für Barrierefreiheit 2023
10. Juli 2020
Den Wohnsitz anmelden, den Personalausweis aktualisieren, der Umgang mit Software-Programmen – all das klappt für viele Menschen selbstverständlich und oft ganz nebenbei. Für viele der 1,2 Mio. Menschen mit Behinderung in Bayern stehen vor diesen Alltagstätigkeiten immer noch Barrieren, die sie nicht ohne Hilfe überwinden können, egal ob es nun bauliche Barrieren, wie eine Treppe für die Rollstuhlfahrerin, oder aber sprachliche Barrieren, wie die komplizierte Behördensprache für eine Person mit kognitiven Einschränkungen sind. Die Staatsregierung hätte mit der Novellierung des Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz jetzt die Chance gehabt, hier einen großen Wurf in Richtung Barrierefreiheit und Gleichberechtigung zu schaffen. Diese Chance ist vertan, denn mit dem Gesetzentwurf geht es leider nur in Trippelschritten voran.
In der zweiten Lesung des Gesetzes am 8. Juli 2020 im Bayerischen Landtag machen wir GRÜNE deutlich: es fehlt an verbindlichen Formulierungen, es fehlt an konkreten Zielvorgaben und Fristen. Und wir bringen drei konkrete Änderungsanträge ein, die wirklich Verbesserungen für Menschen mit Behinderung mit sich bringen würden. Wir GRÜNE möchten zum einen, dass nach Bundesvorbild das etablierte Regelwerk der „Leichten Sprache“ als einziger Standard gesetzlich festgeschrieben und zudem eine Schlichtungsstelle eingerichtet wird, die Konflikte zwischen Menschen mit Behinderung und öffentlicher Verwaltung im Bereich Barrierefreiheit beilegt. Eine solche Schlichtungsstelle hilft bei der Umsetzung des Gesetzes, steuert die Wirksamkeit des Gesetzes und bietet eine Anlaufstelle für Betroffene. Zum anderen fordern wir GRÜNEN, dass die Unabhängigkeit der Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung auf Landes- und kommunaler Ebene gestärkt wird. So wollen wir den Landes-Beauftragten beim Landtag ansiedeln und die Weisungsfreiheit der kommunalen Beauftragten gesetzlich verankern. Zuletzt ist uns IT-Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen. Hier brauchen wir dringend stärkere und verbindlichere Regelungen für elektronische Akten und Vorgänge – nicht nur für Menschen mit Behinderung, die mit der Verwaltung interagieren (z.B. ihren Wohnsitz anmelden, einen Antrag stellen), sondern auch für Menschen mit Behinderung, die im öffentlichen Dienst arbeiten oder arbeiten möchten. Um Verbesserungen umzusetzen, brauchen wir klare (Zwischen)Ziele und Fristen zur Umsetzung. Aber leider gilt: es bleibt, wie es ist. Kein Wunder also, dass der Anteil schwerbehinderter Beschäftigter beim Freistaat bei 5,57 Prozent stagniert – also nur unwesentlich über der gesetzlich vorgeschriebenen Quote. Das ist für uns GRÜNE nicht genug – der Freistaat als Arbeitgeber sollte Vorreiter, sollte Vorbild sein!
Schon auf Bundesebene haben wir GRÜNEN die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes 2016 abgelehnt. Das bayerische Gesetz bleibt nun leider in vielen Punkten sogar noch hinter diesem Standard zurück. Gegen die Stimmen von uns GRÜNEN ist das mutlose Gesetz nun dennoch beschlossen worden. Leider haben CSU und Freie Wähler unsere Änderungsanträge abgelehnt. Wir bedauern das – gerne hätten wir das Gesetz gemeinsam mit den Interessenverbänden verbessert und stärker in den Dienst für Menschen mit Behinderung gestellt. Für meine parlamentarische Arbeit als sozialpolitische Sprecherin bedeutet das nun: weiterhin konsequent dran bleiben, weiter für Inklusion kämpfen!