Öko-Brot mit Tradition
Gisela Sengl zu Besuch bei der Hofpfisterei
26. Juli 2022
- Unternehmen: Ludwig Stocker Hofpfisterei GmbH
- Branche: Lebensmittelproduktion
- Standort: München, Oberbayern
- Themen: Auswikrungen der aktuellen Krise auf das Traditionsunternehmen
Unternehmensportrait: „Pfistermühle“, „Pfisterstraße“ und zahlreiche Filialen – in München ist die Hofpfisterei überall präsent. Und sie blickt auf eine lange Geschichte zurück: von der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1331 über viele Jahrhunderte als Lieferant der bayerischen Fürsten – und in Notzeiten auch der Bevölkerung bis zur Privatisierung nach der Auflösung der Monarchie. Ludwig Stocker hatte die Bäckerei bereits 1917 übernommen, seit 1964 befindet sich der Hauptsitz samt Produktion in der Kreittmayrstraße; heute führt seine Enkelin Nicole Stocker die Geschäfte des Familienunternehmens. Die Hofpfisterei vertreibt heute in über 160 Filialen mit 1000 Mitarbeiter*innen Öko-Brote und -Backwaren.
Die Hofpfisterei blickt mittlerweile auch auf eine über 40-jährige Öko-Tradition zurück: als die Nitratwerte im Münchner Trinkwasser Ende der 1970er Jahre sehr hoch waren, wurden Leitlinien für eine ökologische Ausrichtung im Firmenleitbild verankert. Ein ambitioniertes Ziel: gestaltete es sich doch bereits schwierig, Brotgetreide aus chemiefreiem Anbau zu bekommen. Nicoles Vater, Siegfried Stocker, suchte am zentralen Landwirtschaftsfest nach Bauern, die diesen chemiefreien Anbau wagen wollten, und reiste durch ganz Bayern, um in über 60 Veranstaltungen für Öko zu werben und Öko zu erklären. Man schaltete auch ganzflächige Anzeigen in allen Tageszeitungen – fünf Landwirte meldeten sich darauf, drei davon sind auch heute immer noch dabei.
Seit 1982 gibt es das Pfister Bauernbrot jetzt in Öko-Qualität. Der Reaktor-Unfall in Tschernobyl stellte sich als Bio-Booster heraus; immer mehr Menschen wollten danach Bio-Backwaren kaufen. Bis 1994 waren bis auf eine alle Brotsorten auf Öko umgestellt. Bei den Feinbackwaren gestaltete sich die Umstellung auf Öko aufgrund der Zusatz- und Rohstoffe etwas schwieriger, aber auch dies gelang bis 2011.
Die Vision „vom Acker bis zur Ladentheke“ wurde 1988 durch die Beteiligung an der Meyermühle greifbar. Die Hofpfisterei ist auf eine gute und über die Jahre konstante Mehlqualität angewiesen. „Darin liegt aber bei Bio-Mehl auch die Herausforderung, da hier keine Mehlverbesserungsmittel oder Enzyme künstlich dazu gemischt werden“, erklärte Nicole Stocker. Viele Lieferanten bedeuten aber auch heterogene Getreidequalitäten. Deshalb werden die Öko-Mehle aus den vielen verschiedenen Getreide-Partien in der Meyermühle in Landshut gut gemischt für ein möglichst einheitliches Brotmehl.
Im Jahr 1993 wurde außerdem die Metzgerei „Landfrau“ in den Unternehmensverbund der Hofpfisterei aufgenommen, um den Kreislaufgedanken des ökologischen Landbaus zu unterstützen. Tiere gehören zum Kreislauf in der Landwirtschaft; aber es braucht auch einen Markt für Fleisch und Wurst. Die Hofpfisterei wollte den Landwirten einen Absatzmarkt für die Tiere bieten.
Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen – Corona, Krieg, Energienotstand – spürt man auch bei dem Münchner Traditionsunternehmen: in der Bäckerei sowie der eigenen Elektro- und Schlosserwerkstatt fehlen Auszubildende, für die Lieferflotte gibt es zu wenig Fahrer, und auch die Filialen haben Besetzungsprobleme. Dazu kommt die große Abhängigkeit des Lebensmittelhandwerks von Energie. Gas- und Ölpreise haben sich verdreifacht bzw. verfünffacht, und auch bei den Rohstoffen gibt es teils enorme Preisaufschläge – dazu kommt eine gewisse allgemeine Kaufzurückhaltung bei den Kunden. Um Energie zu sparen, habe man das Sortiment bereits leicht eingeschränkt.
Für die Landtagsabgeordnete Gisela Sengl eine untragbare Situation: „Wir müssen dafür sorgen, dass das produzierte Getreide zu Brot verbacken werden kann, genauso wie die Milch in Molkereien verarbeitet werden muss“, betont sie. „Die Grundnahrungsmittelproduktion muss unbedingt als systemrelevant eingestuft werden. Abschalten geht gar nicht!“